Die Stalinnoten von 1952

Die Vorgeschichte

Zunächst wird Otto Grotewohl von Moskau vorgeschickt. Er schlägt Adenauer eine paritätisch besetzten Rat vor, der eine für ganz Deutschland gültige Verfassung ausarbeiten und gesamtdeutsche Wahlen organisieren soll.

Adenauer lehnt ab. Er nennt als Voraussetzung freie Wahlen in der sowjetischen Besatzungszone. Erneuter Vorstoß Grotewohls, der wiederum gesamtdeutsche Beratungen vorschlägt.

Mit Ausnahme der KPD stellt der Bundestag einstimig fest, daß freie Wahlen die Voraussetzung für eine Wiedervereinigung sein müßten. Deren Realisierbarkeit in der DDR wird jedoch in Frage gestellt.

Grotewohl verlangt den Abschluß eines Friedenvertrags in Übereinstimmmung mit den Potsdamer Beschlüssen und verweigert einer UNO-Kommission, bestehend aus Vertretern Brasiliens, Islands, der Niederlande, Pakistan u

nd Polens, die in allen Besatzungszonen die Voraussetzung für freie Wahlen prüfen soll, die Einreise.

Wenig Wochen danach wendet sich Stalin mit seiner ersten Note an die Westmächte.

Die Stalinnote vom 10.03.1952

Die Note hatte folgende wesentliche Bestimmungen, die unter den Aspekten Forderungen und Angeboten zusammengestellt werden:

Die Stalinnote vom 10. März 1952

Angebote

einheitlicher Staat

Ende der Spaltung

Abzug der Streitkräfte der

Besatzungsmächte binnen

1 Jahres

demokratische Rechte für

das deutche Volk

keine wirtschaftslichen

Beschränkungen

nationale Streitkräfte

Aufnahme Deutschlands in die

UNO

Forderungen

keine Koalition, kein Militär-

bündnis gegen ehemaligen

feindlichen Staat

Gültigkeit der territorialen

Bestimmungen des

Potsdamer Abkommens

Die zweite Stalinnote vom 09.04.1952

Die UdSSR griff in der zweiten Note die Frage freier Wahlen auf und bezeichnete das Abhalten solcher Wahlen als notwendig. Außerdem schlug sie eine Kontrolle durch eine Kommission vor, die von den vier in Deutschland Besatzungsfunktionen ausübenden Mächte zu bilden wäre.

In ihrer Antwort vom 13.5.1952 lehnten die Westmächte eine Vier - Mächte - Kommission ab.

Grund: Eine solche Kommission sei nicht in der Lage, zu zweckdienlichen Entscheidungen zu gelangen.

Die dritte Stalinnote vom 24.05.1952

Die Note wiederholte ihre bisherigen Vorschläge und fügte hinzu, daß eine gesamtdeutsche Regierung nach Unterzeichung des Friedenvertrags alle Rechte besitzen wird, über die die Regierungen anderer unabhäniger und souveräner Staat verfügen.

Die Westmächte hatten ihre Meinung nicht verändert und wiederholten in der Antwort vom 10.07.1952 ihren Standpunkt.

Die vierte Stalinnote vom 23.08.1952

In dieser letzten Note lehnten die Sowjetunion eine derartige Beschränkung ab und schlug ihrerseits für eine Konferenz drei Punkte vor: Vorbereitung eines Friedenvertrags mit Deutschland, Schaffung einer gesamtdeutschen Regierung, Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen.

Die Antwort von den Westmächten lautete, daß eine Konferenz einen einzigen Punkt habe, das Organisieren freier Wahlen, zu behandeln.

Stalins Motive

Sie können nur hypothetisch erschlossen werden und sind sicherlich im Zusammenhang mit zwei deutschlandpolitischen Ereignissen zu sehen und zu bewerten: mit dem Deutschlandvetrag vom 26.5.1952 und dem EVG-Vertrag vom folgenden Tag.

Vor diesem Hintergrund kann als wesentliches Ziel Stalins die Absicht gesehen werden, eine militärische Integration der Bundesrepublik zu verhindern oder doch zumindest zu verzögern.

Die Aufnahme der Stalinnote im Westen

Die Verbündeten lehnten Stalins Angebot kategorisch ab, da ein neutrales Deutschland nicht in ihr politisches Konzept paßte.

Sie mißtrauen Stalin zudem aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre (Blockade Berlins, Kalter Krieg, Korea-Krieg), und betrachteten die Note deshalb als Ablenkungs- bzw. Störmanöver.

Die Aufnahme in der Bundesrepublik

Die Aufnahme der Stalinnote war in der Bundesrepublik heftig umstritten:

 

Erläutern Sie die Probleme, die Historiker(und Politiker) bei der Bewertung der Stalin-Noten hatten und haben.

Es gibt sehr viele Probleme, die Stalin-Noten zu bewerten. Als erstes wurde die Stalin-Noten, also der Vorschlag für die Wiedervereinigung, gar nicht richtig ernst genommen. Im Zusammenhang mit Stalins Zielen und der allgemeinen Entwicklung in Mitteleuropa muß die Ernsthaftigkeit seines Angebots bezweifelt werden. Gründe dafür:

  1. die Reihenfolge der Schritte (erst Friedensvertrag, dann freie Wahlen, die allerdings erst in der 2.Stalinnote zugestanden werden);
  2. die Praxis der freien Wahlen in den von der Sowjetunion besetzten Ländern, die im Gegensatz stand zu der Forderung Stalins, Deutschland solle ein unabhäniger, demokratischer Staat werden;
  3. das Angebot hätte de facto eine Opferung der SED und des sozialistischen Gesellschaftssystems in der sowjetischen Besatzungszone bedeutet;
  4. die Sowjetunion hätte - erstmalig in ihrer Geschichte - ein von ihr besetztes Gebiet wieder freiwillig aufgeben;
  5. ein neutrales Deutschland an der Nahtstelle der Bündnisse hätte als unabhängiger Staat wohl kaum überleben können.

Ein anderes Problem die Stalin-Noten zu bewerten ist , welche Ziele Stalin verfolgte. Man kann es nur vermuten, aber es war höchstwahrscheinlich der Versuch, die militärische Intergration der Bundesrepublik zu verzögern oder zu verhindern.

Ein anderer Grund, warum die Stalinnoten schwer zu bewerten ist, ob durch die ablehnende Haltung Adenauers die Chance der Wiedervereinigung verspielt wurde.

Möglichkeiten einer alternativen Deutschlandpolitik 1952

Die Frage wird seit den Stalinnoten immer wieder gestellt und wegen ihres hypothetischen Charakters unterschiedlich beantwortet. Aufgrund der oben angeführten Belege müssen die Erfolgschancen einer derartigen Deutschlandpolitik als negativ angesehen werden. Der Vorwurf bleibt allerdings bestehen, daß vorhandene Ansätze in Richtung Wiedervereinigung - vor allem aufgrund der Adenauerschen Deutschlandpolitik - nicht wahrgenommen wurde.