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Umfrage zu Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit


- Projektbeschreibung -

Wie es zu dieser Umfrage kam

Ich habe im ersten Halbjahr des Schuljahres 2000/1 eine ausführliche Unterrichtsreihe in meinen beiden Sozialwissenschaft- Kursen der Stufe 11 durchgeführt. Am Ende der Reihe Anfang Dezember, fragte ich in dem einen Kurs, ob sie Interesse daran hätte, etwas Praktisches zu dem Thema zu machen, irgendein Projekt, dass sich auch an die Schulöffentlichkeit wenden würde. Die Antwort war Schweigen. Ich wunderte mich zunächst etwas, weil ich den Kurs insgesamt als recht aktiv wahrgenommen hatte. Waren sie nur ratlos, weil sie keine Ideen hatte, was man überhaupt machen könnte, hatten sie keine Lust oder gab es andere Gründe für das Stocken?

Da sagte eine Schülerin iranischer Abstammung: "Bei uns gibt es doch gar keine Ausländerfeindlichkeit. Ich habe jedenfalls sowas bei uns an der Schule noch nicht erlebt."

Zufällig hatte mir ein Kollege gerade einen Artikel aus dem Kölner-Stadt-Anzeiger in die Hand gedrückt, in dem die Ergebnisse einer Umfrage zu diesem Thema aus dem Max-Ernst-Gymnasium in Brühl veröffentlicht waren. Ich zitierte daraus. Darauf stand unser Entschluss fest, wir wollten es auch wissen:

* was denken unsere Schülerinnen und Schüler zum Thema Rechtsextremismus
* wie sind ihre Einstellungen zu Ausländern
* was wissen sie über den Holocaust ?

Die Vorbereitung

Es wurde diskutiert

* Wen wollen wir befragen ?
Die Schüler/innen des Kurses wollten sich nicht mit einer Stichprobe zufrieden geben. Befragt werden sollten alle Schüler/innen der Stufen 10 bis 13.

* Was wollen wir abfragen ?
Um die stattliche Zahl von ca. 380 Bögen auswertbar zu halten, einigten wir uns darauf, nur eine offene Frage zu stellen und ansonsten geschlossene. Der Fragebogen wurde im Kurs entwickelt. Ein Schüler entwickelte aufgrund der Diskussion im Kurs das konkrete Lay-Out.

*Wie wollen die Umfrage organisieren?
Das war meine Arbeit. Ich suchte günstige Termine heraus, die keine Klausuren störten, informierte die betroffenen Kolleg/innen vorher bzw. bat sie um Unterstützung. In den Stufen 10 und 12 wurde die Umfrage von Kolleg/innen durchgeführt, in den Stufen 11 und 13 durch Schüler/innen des Kurses. Dabei achtete ich darauf, dass jede Stufe in derselben Stunde befragt wurde, um zu vermeiden, dass die Schüler/innen vorher über die Umfrage sprachen.

* Wie wollen wir die Ergebnisse auswerten?
Zwei Jungen meinten sofort, dass wir das per Computer machen sollten. Einige Mädchen meinten, das fänden sie doof, sie hätten keine Ahnung davon. Obwohl ich sehr für die Nutzung der Computertechnologie bin, war ich zunächst etwas skeptisch, ob wir das hinkriegen würden, zumal ich selbst solche Datenmengen noch nie per Datenverarbeitung bearbeitet hatte. Ich stimmte dennoch diesem Verfahren zu, weil zwei Schüler mir versicherten, mir Access und Excel sei das keine Schwierigkeit.
Ein Schüler erbot sich eine Maske in Access anzufertigen, wir einigten uns auf eine Codierung für die Antworten - und so waren die Schüler/innen einige Stunden damit beschäftigt, die Bögen codiert einzugeben.

Die Auswertung

Statistik und Excel
Der Access-Experte des Kurses hatte eine Maske erstellt und alle von den Schüler/innen des Kurses eingegebenen Daten in einer Tabelle zusammengefaßt. Wir einigten uns darauf, was wir abfragen wollten, welche Ergebnisse uns interessierten. Er begann auch mit der Arbeit.
Hier gab es dann einen Bruch in der bis dahin durchgängig mit den Schüler/innen gemeinsam durchgeführten Arbeit. Der 'Experte' fiel für mehrere Stunden aus, die Weihnachtsferien kamen. Der übrige Kurs verlor z.T. das Interesse an der weiteren Bearbeitung, weil sie auch praktisch nichts mehr tun konnten. So hatte ich die Sorge, uns würde das Projekt zerfasern. Die Umfrage hatte eine Reihe Diskussionen im Kollegium und unter den Schüler/innen ausgelöst und mir war daran gelegen, nach den Weihnachstferien die Ergebnisse möglichst schnell zu präsentieren. Also nahm ich mit einer uralten Excel-Version und im "Versuch und Irrtum" - Verfahren die datentechnische Aufarbeitung selbst vor. Ich habe dabei viel gelernt u.a., dass ich baldmöglich eine neuere Office Version anschaffen werde.

Die Bewertung
Die Interpretation von Statistiken fällt Schüler/innen erfahrungsgemäß sehr schwer. So war es auch diesmal. Wie bewerten wir denn nun die Tatsache, dass über 12% der männlichen Schüler sich vorstellen können, eine rechtsextreme Partei zu wählen ? Ist das viel oder nicht? Ist es beruhigend, dass dieser Prozentsatz abnimmt, je älter die Schüler werden? Was bedeutet das?
Schwierig war es auch, eine gemeinsame Haltung zum Umgang mit den kumulierten Ergebnissen (Grafik 2) herzustellen. Es gab intensive Diskussionen darüber, ob Schüler/innen, die sechs und mehr Aussagen zustimmten als rechtsextrem einzustufen seien. Ich habe dies abgelehnt mit der Begründung, wie vorsichtig seriöse Wissenschaftler mit solchen Ausagen umgingen.
Andere Schüler/innen wollten bestimmte Aussagen nicht auf die gleiche Stufe gestellt wissen, wie den "Nationalstolz" und die "Gewalt gegen Ausländer". (zur Diskussion um die Einstellungsskala - siehe die Einleitung zum Schüler-/Elternbrief)
Auf manche Ergebnisse und Details musste ich die Schüler/innen erst hinweisen, da sie ihnen gar nicht aufgefallen waren.
Zwei Schüler übernahmen es kurze Texte - bewußt zurückhaltend in der Bewertung - zu den Statistiken zu schreiben. Diese wurden im Kurs überarbeitet, wobei sich in dieser letzten Phase nur noch wenige Schüler/innen an der Arbeit beteiligten.

Die Auswertung in der Schulöffentlichkeit
Vor der Veröffentlichung der Ergebnisse in der Schülerschaft, habe ich dem Kollegium die Grafiken samt einigen Überlegungen zur Auswertung zur Verfügung gestellt.
Ein Schüler erstellte eine Computerpräsentation unserer Grafiken mit den kurzen Texten, die an drei Tagen hintereinander in den Pausenhalle gezeigt wurde. In jeder Pause waren Schüler/innen des Kurses anwesend, um ggfs. Fragen zu beantworten. Aus meiner Sicht kamen die gewünschten Gespräche jedoch nicht auf. Das lag u.a. daran, dass die Grafiken aus technischen Gründen zu klein auf der Leinwand erschienen und deshalb nicht genug Aufmerksamkeit erzeugten. Außerdem hätte es vielleicht - neben der rein optischen Präsentation - möglicherweise auch noch eine direkte akustische Aufforderung zur Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit der Sache geben müssen.
Der nächste Schritt der Auswertung wird die Veröffentlichung der Ergebnisse in einem Schüler-/Elternbrief, der an alle Schüler/innen verteilt wird sein.

Fazit

Die Arbeit an dieser Umfrage sind 14 Unterrichtsstunden in Anspruch genommen. Davon waren vier Unterrichtsstunden alleine mit der rein-technischen Eingabe der Daten belegt.

Aus meiner Sicht hat sich der Aufwand gelohnt. Zum einen haben die Schüler/innen praktische methodische Fähigkeiten erworben, sie haben gelernt, was alles bei der Erstellung, Durchführung und Auswertung einer Umfrage zu beachten ist. Sie haben ein konkretes Produkt erarbeitet, das sie wichtig finden und in der Schule präsentieren konnten.

Zum zweiten hat die Umfrage schon zum Zeitpunkt ihrer Durchführung einige sehr interessante Diskussionen im Kollegium und den Schüler/innen ausgelöst. Ich hoffe, dass diese durch den Schüler-/Elternbrief nochmal neuen Schwung bekommen wird.

Zu verbessern wäre, auch die datentechnische Erarbeitung gemeinsam mit Schüler/innen durchzuführen. Dies könnte, wenn man nicht wie Brühl fächerübergreifend mit einem Informatik-Kurs arbeitet, in einer Arbeitsgruppe mit einigen Schüler/innen geschehen, weil es sehr schwierig ist, hieran alle Schüler/innen zu beteiligen.