Dezember 1955


Donnerstag, 1. Dezember 1955

Rinold Lampel kommt zu uns und wird von seiner Mutter und seinem Bruder wieder abgeholt.



Freitag, 2. Dezember 1955

Trude geht zu Stefan Kuhl, Fußpflege.


Samstag, 3. Dezember 1955

Mutter und Henga übernachten heute bei uns. Trude und ich sind bei Gertrud Schückes eingeladen, wo wir bis 5 Uhr früh bleiben. Wir veranstalten kuriose Verkleidungsszenen.


Sonntag, 4. Dezember 1955

Morgens gehe ich zu Frau Wellner und Else Faber, Beileidsbesuch. Mittags fahren Mutter und Henga zu Matthias und Karin. Trude und ich gehen früh zu Bett. Wir waren den ganzen Tag wie erschlagen.


Montag, 5. Dezember 1955

Tante Cilly, Tante Käthchen und Christelchen kommen zu uns, wir feiern den St,-Nikolaustag. Abends hören wir im Radio eine Nikolaussendung. Unser Günterlein fehlt uns heute sehr.


Dienstag, 6. Dezember 1955

Mutter und Trude fahren wieder zum Christkind. Matthias setzt in Herrn Heuels Zimmer den Ofen um und schlägt ein neues Ofenloch. Auch im Schlafzimmer wird ein Ofen gesetzt. Mutsch meint: "Wand kaputt. Wir müssen bei Friedhof gehen."


Mittwoch, 7. Dezember 1955

Mutsch spielt so nett für sich, sie wäscht ihr Püppchen und holt sich das Wasser aus der Wand, sie hat eine einfallreiche Phantasie. Weil der Kühlschrankmotor ab und zu knurrt, hat Mumm den Kühlschrank "Knurres" genannt. Mutsch meint, das sei ein Mann. Sie stellt ein Schemelchen vor die Kühlschranktür und sagt: "Knurres, wenn du müde bist, kannst du dich ja was setzen." Abends bringt Henga Weihnachtsleckereien, die Inge Heuser besorgt hat.


Donnerstag, 8. Dezember 1955

Brief von Günter, er kommt bald. Mutsch zur Oma gebracht, Weihnachtssilber geholt.


Freitag, 9. Dezember 1955

Bertl Lampel ist gekommen, um dem Christkindchen und Trude backen zu helfen. Abends kommt auch ihr Mann und macht von Walterchen einige Bildchen. Ich bringe von der Gewerbebank Weihnachtssüßigkeiten mit.



Samstag, 10. Dezember 1955

Rinold Lampel fährt früh um 6 Uhr zum Dienst nach Sürth. Mittags kommt er mit Erich, seinem Söhnchen, zurück und ist stark erkältet. Er legt sich gleich zu Bett. Henga bringt uns mittags unsere Mutsch, nimmt sie aber dann wieder mit nach Ehrenfeld.


Sonntag, 11. Dezember 1955

3. Advent. Rinold Lampel bleibt krank im Bett. Bertl und Erich besuchen ihre Tante im Annahaus. Henga bringt Christelchen. Um 5 Uhr besucht uns Christel Neuburg und bringt ihrem Patenkind, der Mutsch, feine Sachen mit. Hermann Bärtges und Elfie Höschler besuchen uns auf einen Sprung. Der Abend vergeht mit Wein und um 22 Uhr bringen wir Christel zur Bahn (Omnibus).



Montag, 12. Dezember 1955

Familie Lampel fährt um 6 Uhr früh nach Sürth zurück. Abends kommt Henga als Kinderwache zu uns, denn Trude und ich gehen in den reizenden Film: Die große Schlacht des Don Camillo. Als wir nach Hause kommen, ist Walterchen quietschfidel und trinkt das 5. Fläschchen.


Dienstag, 13. Dezember 1955

Buchführung.


Mittwoch, 14. Dezember 1955

Mutter und Henga bei uns, sie übernachten hier. Denn morgen früh kommt Günterchen. Er war nun seit dem 13.9. von uns fort und hat uns während der Zeit seines Fernseins durch die Heimschwester fleißig schreiben lassen. Wir haben uns über jede Karte und jeden Brief herzlich gefreut, doch bei allem blieb die Sehnsucht nach unserem "Ältesten". Hinzu kam die Enttäuschung, dass wir ihn vor 6 Wochen abholen wollten und während alle Kinder von Westerland zurückkamen, war unser Männlein nicht dabei. Morgen aber, da kommt er ...


Donnerstag, 15. Dezember 1955

Um 5 Uhr früh stehen wir auf. Trude, Henga und ich machen uns auf den Weg zum Hauptbahnhof durch das nachtdunkle Köln. Um 6 Uhr sind wir auf dem Bahnsteig. Banges Warten, wird Günterlein uns wieder erkennen! Wie mag er aussehen!

6.12 Uhr. Der Zug läuft ein. Im Sekundenschnelle füllt sich der Bahnsteig mit Kindern. Eltern laufen auf sie zu und reißen sie an sich. Wo ist Günter? Ich laufe über den Bahnsteig, da, da steht er, den Kopf gesenkt, auf den Boden schauend; Günter, Günterchen! Er schaut kaum auf. Ich nehme ihn an mich, habe Tränen in den Augen, das Kind sagt nichts, Trude kommt hinzu und Helmut. Günter sagt kein Wort, wie wenn wir fremd wären. Er erkennt uns, ist aber von einer nie gezeigten Schüchternheit, wie wenn er Angst hätte. Wir fahren mit ihm nach Hause. Mutter empfängt ihn mit offenen Armen und viel Tränen, er ist ja ihr Liebling. Günter beginnt zu sprechen, doch nur vom Heim, er redet uns "Schwester" an und ist ganz im Heim, das Zuhause ist ihm fremd geworden. Selbst seine Sprache ist eine andere geworden und durchmischt mit Wörtern des Sylter Dialekts Völlig befremdend ist sein untertäniger Gehorsam, wegen der selbstverständlichsten Dinge fragt er um Erlaubnis, mit der Anrede "Schwester". Was können drei Monate aus einem lebenslustigen Bub machen!

So sieht unser "Höbchen", "Günz", "Flünz", "Flünzenpeter" und herzliches Günterlein aus, wenige Stunden nach seiner Rückkehr zu Eltern und Geschwistern.

Wir alle bemühen uns um unseren "verlorenen Sohn", um ihn schnell wieder heimfinden zu lassen. Und schon bald singt er mit seiner Oma Liedchen, die er im Kinderheim gelernt hat. Das schönste ist wohl: "Sternlein wollt auf Reisen gehn".



Freitag, 16. Dezember 1955

Der kleine Mann hat gestern Abend seine Sachen sauber und ordentlich gefalten über seinen Stuhl gelegt, woran man eine dreimonatige Heimerziehung erkennen kann. Das Essen allerdings schlingt er hinein, wie wenn man es ihm abnehmen wollte. Befragt erklärt er, dass man aufgrund seiner Krankheit Diätkost gegeben hätte.

Die Bildchen vom gestrigen Tage knipste Rinold Lampel, der zu uns gekommen war. Gestern Abend probierte ich übrigens bei Herrn Nacken, der über uns wohnt, meinen neuen schwarzen Anzug.

Heute Abend war Kollegentreffen. Wir gingen von unserem Trefflokal "Merkur" in der Höhle zur Orchidee, wo wir einen netten Variétéabend erlebten. Das Kollegentreffen zwischen Karl Panzer, Karl Gabrian und Uli Bosch und mir hat schon Tradition.


Samstag, 17. Dezember 1955

Mittags kam Bertl zu uns; ich fuhr mit ihr in die Stadt, wo wir für sie Handschuhe kauften. Lampels sind nun fast Stammgäste bei uns. Fast lästig.


Sonntag, 18. Dezember 1955

Diesen schönen Sonntag Vormittag sind wir zu Familie Wolff gegangen, Christel, Günter und ich, und dort gelangen uns diese schönen Bildchen. Abends fuhr ich mit Günter in die Stadt, um die Weihnachtslämpchen zu sehen. Dann brachte ich ihn zur Oma; denn Mutsch ist krank, erkältet, und hat 39,2 Grad Fieber.



Montag, 19. Dezember 1955

Habe mit Trude einen Weihnachtsbaum gekauft, nun steht er im Keller und wartet auf den Lichterabend.


Dienstag, 20. Dezember 1955

Unser Mäuschen ist noch immer krank. Das Fieber hat jedoch nachgelassen.

Walterchen wurde heute gemessen, er ist 73 cm lang. Abends höre ich mit Trude Radiomusik, wir haben getanzt. Wir möchten so froh miteinander sein.


Mittwoch, 21. Dezember 1955

Nun muss doch die Ärztin kommen. Mutsch hat wieder hohes Fieber und die Ärztin, Frau Dr. Remy-Kroh, stellt eine Mandelentzündung fest.


Donnerstag, 22. Dezember 1955

Mutter kommt mit Günterchen zu uns; denn bald kommt das Christkind in die Uhlandstraße.

Habe für Herrn König und Herrn Serf je eine Flasche Keuck Türkisch Mokka gekauft.


Freitag, 23. Dezember 1955

Klage Beckamp diktiert. Abends Baum gesägt. Richard Faber besucht uns und Walterchen, sein Patenkind, mit leeren Händen, und hält uns beim Baumschmücken bis 11 Uhr nachts auf. Trude und ich schmücken dann bis 1.30 Uhr den Baum.


Samstag, 24. Dezember 1955

Heiligabend. Der Tag beginnt mit viel Arbeit. Die Klage Beckamp muss fertig diktiert werden; denn vor Jahresschluss muss sie bei Gericht eingereicht sein. Mutter und Henga kommen, um die Feiertage bei uns zu verleben. Mittags kaufe ich mir zu meinem neuen schwarzen Anzug, den ich heute Abend zum ersten Mal tragen werden, neue schwarze Schuhe.

Um 5 Uhr nachmittags erklingt Weihnachtsmusik aus dem Wohnzimmer und ein Glöcklein ruft ...... Und dann stehen die Kinder, die "Großen", vor dem Tannenbaum, und Walterchen, auf dem Arm der Mama, starrt, ohne zu begreifen, in die Lichter.

Doch bald geht der Blick auf den Tisch, denn dort hat das Christkind die süßen Gaben im tannengeschmückten Papier aufgestellt, und es beginnt ein geschäftiges Auspacken; bald sind die Spiele aufgestellt, und die Münder sind voller Leckereien, ein begnadeter Abend .....


Sonntag, 25. Dezember 1955

Der 1. Weihnachtsfeiertag. Günterchen hat drei Schienenautos bekommen, deren eines elektrisch angetrieben wird; auf meinem Schreibtisch nimmt er Standquartier.

Mutsch bekam Püppchen und Puppenbett und Walterchen einen singenden Drehkreisel; alles wird unserem Sonntagbesuch, Familie Lampel und Tante Käthchen (sie kommen erst nach dem Essen), vorgeführt. Um 15 Uhr fährt aller Besuch wieder ab. Und nun spielen die Kinder nach Herzenslust, während ich mich mit einer Erkältung ins Bett legen muss.

Das sind die Bilder vom 1. Weihnachtstag 1955.

Die Billerbahn erfreut Jung und Alt, und erst der Drehkreisel.

Schnappschüsse vom 25.12.1955.



Montag, 26. Dezember 1955

2. Weihnachtsfeiertag. Ich fahre mit Günter zu Fam. Wolff. Dort werden wir ebenfalls beschert. Mittags kommen Matthias, Karin und Monika zu uns und Eugenie auch. Wir trinken feierlich Kaffee unter dem erleuchteten Tannenbaum und essen Mamas Weihnachtsstollen. Um 7 Uhr abends kann ich nicht mehr, ich bin vor Erkältung so abgespannt, dass ich mich ins Bett lege.


Dienstag, 27. Dezember 1955

Fahre morgens zum Dienst, gehe in der Sache Beckamp zu Staatsanwalt D. Als ich nach Hause komme, bin ich k.o., lege mich zu Bett. Die Ärztin, Frau Dr. Ohlemüller, stellt Grippe fest.


Mittwoch, 28. Dezember 1955

Bleibe den Vormittag im Bett. Abends muss ich ins Büro, Besprechung in Sachen Beckamp mit Herrn Dr. Goldbeck, die unendlich lange dauert. Klage wird durchgesprochen, abgeändert, verbessert, verschlechtert, zerkaut...


Donnerstag, 29. Dezember 1955

Zum Büro gefahren, Klage Beckamp neu- und zu Ende diktiert. bis Spätnachmittag fertig. Mit Trude Likör getrunken.


Freitag, 30. Dezember 1955

Im Bett geblieben. Zum Essen aufgestanden. Ärztin kommt.

Die Klage Beckamp war wohl die erste große Bewährungsprobe in der übernommenen Praxis des Dr. Baumann, abgesehen davon, dass sie mit einem Streitwert von 180.000 DM auch gebührenmäßig sehr interessant ist. Nun, ich habe es hinter mir, zum Jahresende eine harte Nuss.


Samstag, 31. Dezember 1955

Das Jahr geht zu Ende. Der letzte Tag. Der letzte Tag eines Jahres, welches in meinem Beruf wohl die Wende brachte; denn nun sind wir finanziell so gestellt, dass wir lang gehegte Wünsche erfüllen und neue Wünsche hegen können. Um 12 Uhr mittags kommen die Eheleute Lampel mit Sohn Erich. Um 8 Uhr abends folgen Stephan und Käthe Kuhl mit Tochter und Patenkind Helga, und Frl. Luise, Hermann Bärtges und Elfie Höschler sowie Fam. Esser.

Trude und ich machen die Bowle fertig, denn ..... jetzt geht's los. Wir wollen die letzten Stunden des Jahres 1955 einmal ausgelassen verbringen. Tanzen, singen, trinken, lachen, bis der Gong die zwölfte Stunde schlägt... Bis 6 Uhr früh bleiben wir zusammen und gut gelaunt verlassen unsere Gäste das Haus.