Die Verlobung mag ein juristisches Problem sein!
Doch gleichgültig, ob sie nun einen Vertrag in Sinne des Bürgerlichen Rechts
darstellt, mit allen hieraus sich ergebenden Folgerungen, oder ob sie einen
vom Gesetz nicht erfassten faktischen Lebenstatbestand darstellt, eines ist
sie gewiss:
nämlich das Versprechen zweier sich liebenden und sich achtenden Menschen, ihre
Liebe zu fördern und ihre Achtung voreinander zu erhalten.
Und dieses Versprechen haben wir uns heute gegeben.
2 Unterschriften
Köln-Ehrenfeld, den 1. Januar 1949, 0.00 Uhr
Mit einem Fliederstrauß im Arme ging Trude an meiner Seite wenige Minuten nach Mitternacht mit mir ins weihnachtlich geschmückte Zimmer, wo wir die Glückwünsche aller entgegen nahmen. Und bis tief in die Nacht des Neuen Jahres haben wir zusammen gesessen und uns bei Kerzenschein und Gläserklang des Ereignisses gefreut.
Am Morgen des
1. Januar 1949 schon kamen die ersten Gratulanten und bald schon waren wir mit
Blumen, Geschenken und Glückwünschen überhäuft. Über 60 Personen und Familien
entsandten uns ihre Grüße und guten Wünsche. Und wir saßen zu 14 Personen am
Tische zu Mittag beisammen, während am Abend die Gesellschaft noch größer an
Zahl wurde. Wir haben in geselligem Beisammensein den Abend verbracht und mit
Schnäpsen und Likören und einem für solche Feste bei Familie Braß obligaten
Heringssalat- und Schnittchen-Abendessen eine Apfelsinenbowle getrunken, die
Großvater Braß am Morgen mit Siebeldinger Wein fachmännisch angesetzt hatte.
Alles in allem ein sehr freundlicher, gemütlicher und würdiger Abend, jedoch
nicht ohne den kleinen Wermuttropfen, dass es Trude etwas übel war und sie nicht
so recht mitmachen konnte.
Heute
veranstalteten wir mit fast der gleichen Zahl an Besuchern ein Reste-Essen,
da Mutter Braß in ihrer ihr eigenen Angst, ihre Gäste würden nicht satt, viel
zu viel gekocht, gebacken und zubereitet hat. Unsere Geschenke haben wir in
meinem Zimmer auf zwei Tischen zusammengestellt und das ergab ein eindrucksvolles
Bild, denn wir erhielten:
von den Großeltern:
ein Schnapsservice aus blaugemaltem Ton
von der Mutter:
ein Bild, das eine Mutter mit ihrem Kind darstellt,
von Mama:
einen Bierkrug mit 12 Biergläsern, sowie 12 Likörgläser
von Matthias und seiner Frau Karin:
eine Laterne als Schreibtischlampe
von Hans-Helmut:
eine drehbare Kuchenplatte "mit Knöpfchen"
von Tante Käthchen:
eine rote Kristallschüssel
von Onkel Fred und Tante Lieschen:
ein Nähkästchen
von Mumm und Christel:
eine Blumenvase mit Bauch aus geschliffenem Glas
von Tante Grete aus Ichendorf:
eine Schale aus geschliffenem Glas
von Frau Krux:
eine Kuchenplatte aus geschliffenem Glas
von Herrn und Frau Ryfisch:
eine Kaffeemühle
von Frl. Inge Rath und ihrem Verehrer, Herrn Heuser:
eine Schüssel aus Porzellan
von Frl. Gisela Rath und ihrer Freundin Rosemarie:
eine Gebäckzange aus Silber
von der Nachbarin, Frau Faßbender:
einen silbernen Kuchenheber
von Frau Axer und ihrem Mann:
eine silberne Gebäckzange
von Herrn Richard Faber, einem Kommilitonen:
eine silberne Gebäckzange
von Familie Anton Wolff, den Eltern und Geschwistern meines gefallenen Freundes
Willy:
ein Kochbuch und das Buch: Diane Rocheccorro, von Reck-Malle____
von Herrn Baron, dem Freund unserer Familie:
ein Alpenveilchen
von Herrn und Frau Rath:
ebenfalls ein Alpenveilchen
von Familie Moll (Feinkostgeschäft):
ein gleiches
von den Nachbarn, Familie Schwebig:
ein Priemelchen im Korb
von den Nachbarn, Familie Schmitz:
ein Priemelchen im Topf
von Familie Burg:
ein Alpenveilchen
von unserer Vertreterin Frau Grünz:
eine kleine bemalte Vase aus Glas mit Priemelblüten
von Familie Steffens (Feinkostgeschäft):
eine Dauerwurst
von Familie Simons (Milch- und Feinkostgeschäft):
eine Flasche Wein
Trude und ich schenken uns eine Bowle aus geschliffenem Glas mit 6 Krügen.
Ein imposanter Anblick, alles das nebeneinander. Darum haben wir das Ganze
auch fotografiert, damit wir den "Überblick nicht verlieren".
Und
heute haben Mutter Braß, Trude und ich beim Schein von vier Kerzen, die in
einem Holzleuchter steckten, die von Familie Simons gestiftete Flasche Wein
getrunken und ich habe hierbei klassisches und anderes vorgelesen und erzählt,
ein sehr anregender Abend, der uns allen Freude machte.
Und der "Zeltinger Schloßberg" hat uns vorzüglich gemundet.
Wir haben auch, wie das so üblich ist, von dem festlichen Anblick unseres Geschenktisches eine Aufnahme gemacht.
Um den Film auszunutzen
haben wir gleich die ganze Familie geknipst, einschließlich unseres lieben Hundefräuleins
"Paul".
Und da sind sie alle
Ein nicht ganz unbedeutender
Tag. Herr Prof. Nolte hat mich heute Vormittag als Doktorand angenommen. Doktorthema:
Die Menschenhilfe und ihre Berücksichtigung im Privatrecht. Jetzt weiß ich wieder,
wofür ich da bin; ich habe ein Ziel und kann planvoll arbeiten.
Die Ziellosigkeit der letzten Wochen, seit meinem Referendarexamen am 2. Okt.
48, und das bisher vergebliche Warten auf meine Ernennung zum Referendar haben
mich fast erdrückt.
Gestern bekam ich noch zwei Bilder nachgeliefert. Unsere Bowle, unser beider
Verlobungsgeschenk, einmal mit und einmal ohne Tütt.
Mozarts
Geburtstag
Wir haben den Tag würdig zu begehen versucht. Um 13.30 Uhr sahen und hörten
wir die für Studenten gedachte Vorstellung "Cosi fan tutte". Mutter
Brass, Trudi und ich waren begeistert von Mozarts herrlicher, gelöster, befreiter
Musik.
Vorabend
meines Geburtstags.
Morgen werde ich 29 Jahre alt. Das Versehen ist der Alkohol. Die liebe Cousine
stiftete Zuckerschnaps. Und der hat's in sich.
Diesen Wein stiftete Trudi und Hans-Helmut gab eine Flasche Apfelsaft. Und
es war eine so glänzende Stimmung, dass Trude und ich die Kleider tauschten
und anzogen. Eine Generalprobe für Karneval.
Leider geht's nicht immer so lustig weiter. Heute sagte mir der Leiter des Dezernats der Referendarabteilung, Landgerichtsdirektor Dr. Goertz, dass ich mit meiner Anstellung als Referendar noch Monate warten müsse. Eine Wartezeit, die mich noch zur Verzweiflung bringen wird.
Große Auseinandersetzung mit meiner Mutter. Sie schreibt mir die Schuld für die Nichtanstellung als Referendar in die Schuhe und will mich nicht weiter beköstigen.
Heute hat meine Mutter Trudi, welche bei uns nähte, entlassen. Eifersucht, wohin führst du den Menschen? Seit einem Jahr, dem 26. Jan. 48 war Trude bei uns beschäftigt, um das Geschäft kennen zu lernen. Wenn sie in der Lage wäre es weiterzuführen, so dachte ich, dann wäre uns über die kritischen Jahre in finanzieller Hinsicht hinweg geholfen. So aber ist mein Plan zerstört. Der wievielte ist es wohl, den meine Mutter über den Haufen wirft?!
Ein
Tag, der den Rotstift wert ist. Nach langem, selbstquälerischem Warten holte
ich mir auf dem Hinweg zunächst noch ohne jede Hoffnung - am Oberlandesgericht
Köln, Reichensperger Platz auf der Referendarabteilung (Zimmer 124a), wo ich
schon viele viele Male vergeblich in den letzten 4 Monaten angefragt hatte,
den Bescheid, dass ich zum Referendar ernannt sei, dass am 21. Februar mein
Dienst beginne. Endlich ein Aufstieg! Nun ist das Leben wieder lebenswert.
Ein Plan, ein Ziel, und alles wird schöner denn je.
Trude und Mutter Braß haben die besondere Würde des Tages durch guten Kaffee
und Kuchen besonders unterstrichen. Sie verstehen es beide, ein überfrohes
Herz auch überlaufen zu lassen vor Glückseligkeit und Dankbarkeit. -
Meine Vorstellung bei Herrn Landgerichtsdirektor Dr. Goertz hat wohl diese
kurz darauf erfolgende Ernennung zur Folge gehabt.
Mutter Braß, Trude, Hans-Helmut und ich wünschen Christel Neuburg, unserer Cousine, Glück zu ihrem Geburtstag. Sie wird 28 Jahre alt. Mit Kaffee und viel Kuchen wurde der Tag feierlich begangen.
Große Protestkundgebung in der Rheinlandhalle in Düsseldorf gegen das Urteil des Ungarischen Gerichtes im Prozess gegen den Fürst Fumas von Ungarn, Mindszenty und seinen klerikalen Stab. Habe im Rundfunk die flammenden und sehr erschütternden Reden von Herrn Kardinal Frings, Erzbischof von Köln, Ministerpräsident Arnold (von Nord-Rhein-Westfalen) und anderen prominenten Persönlichkeiten gehört. Ein Anlass mir wiederum vorzunehmen, die persönliche Freiheit hoch zu achten und jede Unterordnung des Menschen unter Anschauungen, Machtbestrebungen und Willenstyrannei, ob von anderen Personen oder vom Staate ausgehend, leidenschaftlich abzulehnen. Nur die persönliche Freiheit stempelt uns zu Menschen.
Habe nunmehr auch die schriftliche Bestätigung meiner Ernennung zum Referendar. Anlass genug, eine Schallplatte zu kaufen. Es sollte die Koriolan Ouvertüre von van Beethoven sein, die gestern zum Abschluss der Protestfeierstunde die Herzen zum Gelöbnis empor riss. Doch da diese Schallplatte in Köln augenblicklich nicht zu haben ist, haben Trude, die mich beim Einkauf begleitete, und ich uns entschlossen, die Egmount Ouvertüre von van Beethoven (Philharmonisches Orchester Berlin, Dirigent Wilhelm Furtwängler) zu erwerben. Ihre Vorführung brachte uns, Mutter Braß, Trude und mir einen besinnlichen, anregenden Abend.
Heute hat es einige Tränen gegeben. Ich muss nunmehr meine Zeit voll ausnutzen um meine Dissertation unter Dach und Fach zu bringen; denn sobald ich als Referendar eingearbeitet bin, um so mehr werde ich für die Doktorarbeit keine Zeit mehr finden. Gestern schon habe ich Herrn Prof. Nolte eine vorläufige Gliederung meiner Arbeit zugeschickt. Die Tränen hat Trude geweint, als ich ihr eben sagte, dass ich mich ihr nicht in dem bisherigen Maße widmen könne. Ich muss wieder freie Abende zum Studium der Literatur haben. Trude zeigt - leider, leider - hierfür sehr wenig Verständnis und nimmt meinen Wunsch als persönliche Abneigung auf; wie irrsinnig, dieser Gedanke. Ich habe Trude gesagt, dass meine ganze Studienvorbereitung schließlich nur ihr und mir zugute komme, ich mich aber in meinen Plänen nicht beirren ließe. Schweigen und Tränen waren die Antwort. Wie bald schon - wird ihr - so Gott will, die Zeit zeigen, dass ich Recht habe.
Heute habe ich meinen Dienst als Referendar beim Amtsgericht Köln begonnen. Ich bin für 4 Wochen der Vormundschaftsabteilung überwiesen. Meine Tätigkeit besteht vorläufig auf der Geschäftsstelle darin, Akten zu sortieren, zu lesen, Eingänge zu buchen usw. Eine rein technische Beschäftigung. Um 1/2 1 Uhr mittags wurde ich mit noch 2 anderen Referendaren vereidigt. Anlässlich des heutigen Tags habe ich mittags für Trude und Mutter Braß 2 Schallplatten gekauft: Die Rienzi Ouvertüre von Wagner einschließlich dem Vorspiel vom 3. Akt aus Lohengrin. Trude ihrerseits überraschte mich mit dem von Schlußnuß gesungenen Kunstlied: Adelaide, gedichtet von Matthisson, vertont von Beethoven. Sodann gab es noch Makrönchen und Glückwünsche.
Plattenspieler zur Reparatur fortgebracht. Es fehlt etwas im Zimmer, die gute Musik, nunmehr schon eine tägliche Gewohnheit.
Heute Nachmittag waren wir bei Großvater Braß anlässlich seines Namenstags zu Gast. Anschließend Plattenspieler wieder abgeholt. Gott sei Dank.
Abends mit Mutter, Trude und Hans-Helmut bei Mumm gewesen und die karnevalistische Sendung im Radio gehört. Währenddessen viel Schnaps und selbst zubereiteten Likör getrunken. Erfolg: Alles stark angeschlagen, d.h. Mutter nicht, Onkel Toni nicht, und ich auch nur wenig. Aber Mumm, Christel und Trude! Aber nur einmal im Jahr ist Karneval.
Rosenmontagszug (erweiterte Kappenfahrt) gesehen. Viel Schönes, und manchen Bonbon für Hans-Helmut, der mit uns, Trude und mir, mit zog.
Meine Mutter hat mich heute aus ihrer Wohnung bugsiert, indem sie für mich getrennte Küche einführen wollte, damit ich der Lebensmittel, die sie ohne Markenabgabe von ihrer Kundschaft erhält, nicht mehr wahrhaftig werde. Natürlich wird dies nur eines der vielen bereits erprobten Mittel gewesen sein, mir den Aufenthalt zu Hause zu verleiden. Heute hat es mir aber gereicht. Ich habe unsere Wohnung verlassen und bin von Mutter Braß und Trude mit offenen Armen aufgenommen worden.
Mein Namenstag. Morgen ist der Namenstag von Trude. Es gab Buttercremetorte und Obstkuchen; abends traf Tante Käthchen aus der Eifel hier ein. Trude und ich haben uns gegenseitig die Doppelschallplatte "Capuccio italein" von Tschaikowsky geschenkt. Von Hans-Helmut bekamen wir die Schallplatte "Ave Maria" und "Leise flehen meine Lieder" von Schubert, gesungen von E. Berger. Kostbare Bereicherungen für unsere Musikecke.
Allein zu Hause. Mutter Braß, Trude, Hans-Helmut sind zum Namenstag der Kölner Großmutter (Braß) gegangen. Ich wollte nicht mit gehen, da ich mit Frau Steinmann, verw. Braß, der Witwe von Onkel Hans nicht zusammentreffen wollte. Ihr Verhalten hat mich abgestoßen und ich würde mich über mich selbst schämen vor den toten Soldaten, wenn ich ihr die Hand gegeben hätte.
Nun
der Tatbestand: Nachricht vom Tode des Onkel Hans, ihres Mannes, Anfang Februar,
Exequien Mitte Februar; viele Tränen und die Versicherung, sie werde nie mehr
heiraten. Am 20. Januar hat ihr nunmehriger Ehemann das Auseinandersetzungszeugnis
zwecks Wiederverheiratung beantragt, am 1.2. hat er es bekommen. Am 15.3.
waren beide verheiratet. Die Todesanzeige für Onkel Hans begann mit den schmerzerfüllten
Worten: Nach langem, qualvollen Warten ...
Wie doppelsinnig! Unter diesen Umständen. Und wie charakterschlecht!
Welch eine Verhöhnung des Toten!
Heute habe ich meine Ausbildung bei der Nachlassabteilung, Amtsgerichtsrat Lenepfeid, begonnen. Ich bedauerte, von der Vormundschaftsabteilung wegzugehen, denn der Dienst dort hatte mir gut gefallen, während beim Nachlass die Bedingungen nicht so günstig sind. 8 Referendare zugleich, bei einem Richter, der zwar herzensgut und sehr menschlich, aber doch zu wenig bestimmt ist gegenüber der Überzahl von Referendaren. Und hierunter gibt es welche mit sehr unkollegialem Verhalten.
Ich habe Kürzung der 1. Stage beantragt, um schneller vom Nachlassgericht fortzukommen. Der Dienst dort ist infolge der derzeitigen Umstände unerquicklich. Mein Zeugnis von Amtsgerichtsrätin Frl. Nolter war nur befriedigend. Ich hatte mehr erwartet.
Habe
heuten meinen Unterhaltszuschuss beantragt, nachdem ich am 9. April meinen
Dienst bei der Nachlassabteilung beendet hatte.
Bin jetzt bei Abt. 33, Schöffengericht, Appellhofplatz. Habe gestern an der
ersten Sitzung teilgenommen. Es gefällt mir sehr gut.
Nachdem ich heute für Mama zu Ostern eine Schallplatte "Mag der Himmel euch vergeben" aus Mar___ (Flotow) und "Auf trinket in durstigen Zügen" aus La Traviata (Verdi) und für Trude die Schallplatte "Alleluja" aus dem Messias (Händel) und "Die Himmel rühmen" von Beethoven gekauft hatte, ging ich heute Abend zu meiner Mutter, um sie um meinen dunklen Anzug für die Ostertage zu bitten. Sie antwortete mir, dass sie meinen Anzug (in welchem ich übrigens das Examen bestanden hatte) verkauft habe, um damit die Instandhaltung von Papas Grab zu bestreiten. Es gab eine heftige Auseinandersetzung. Warum bin ich immer wieder weichherzig und will meiner Mutter eine Freude machen, während es mir so gedankt wird.
Trude hat schon einige Verhandlungen, in denen ich als Referendar tätig war, mit angehört. Heute Nachmittag hat sie den Giftmörderinnenprozess "Schwurgerichtsverhandlung gegen Swinza" besucht, zu dem ich ihr eine Karte besorgt hatte.
Heute hat Mutter Braß Namenstag und Paulchen Geburtstag (er wird 2 Jahre alt.)
Ich bin nicht sonderlich zufrieden mit meinem Richter, dem Amtsgerichtsrat Dörner, da er von einer geradezu krankhaften Kritelsucht befallen ist. Er lässt keins meiner Urteile gelten, aber nicht etwa, weil sie rechtlich zu beanstanden wären, sondern weil ihm einmal der Sprachstil nicht gefällt, dann, weil ihm die Reihenfolge der Gedanken nicht behagt usw. Komme ich tags darauf mit dem abgeänderten Urteil, so will er es wieder gerade umgekehrt haben, nämlich, wie's am Vortage gewesen ist. Dieser Herr ist nicht großen Geistes Kind; darum versucht er zu scheinen, was er nicht ist, indem er alles andere verdammt. Auch seine Art der Verhandlungsführung in Strafprozessen missfällt mir außerordentlich, da er die Angeklagten wie die Zeugen anschreit, schon dann, wenn sie nicht an dem vorgeschriebenen Platz vor dem Richtertisch Aufstellung nehmen. Es ist ihm dabei gleichgültig, ob er auch eine Frau anschreit. Meines Erachtens bleibt auch einer angeklagten Frau das Recht auf den nötigen Respekt, zumal die bei unserer Abteilung vorkommenden Strafsachen - Zollhinterziehung, Schwarzbrand usw. - ohnehin mehr Formaldelikte als Verbrechen im eigentlichen Sinne sind. Alles in allem, ein Richter, wie er nicht sein sollte.
Meine
Mutter wartet wieder mit Überraschungen auf. Nachdem ich mich heute mit der
Absicht trug, ihr morgen anlässlich des Muttertages einen Blumenstrauß zu
geben, schickt sie mir heute eine Rechnung herauf, wonach sie für die vergangenen
Monate eine Rückerstattung des geleisteten Unterhalts in Geld sowie einen
Mietbetrag für das von mir bewohnte "möblierte" Zimmer verlangt.
Diese Frau hat den Teufel im Leib und ist in den Mitteln der Schikane nicht
sonderlich wählerisch. Natürlich bleibt die Rechnung unberücksichtigt.
Muttertag. Karte an Mama. Mit Mutter Braß und Trude recht schön bei Kaffee und Kuchen gefeiert. Am Nachmittag gingen Trude und ich in ein Chorkonzert, welches von dem Männergesangverein, in welchem Opa Braß singt, veranstaltet wurde. Wir waren sehr zufrieden mit Programm und Darbietung.
Habe heute bei der Zivilprozessabteilung angefangen. Der Richter, Amtsgerichtsrat Dr. Mehl, ist ein ausgezeichneter Mensch und Pädagoge.
Heute
war ein Freudentag. Nach langem ungeduldigem Warten erhielt ich die Mitteilung,
dass ich ab 1. Juni Unterhaltszuschuss in Höhe von 135 DM monatlich bekomme.
Jetzt kann ich endlich etwas zum Haushalt von Mutter Braß beisteuern, die
ohnehin nicht mehr weiß, wie sie mit dem Geld rund kommen soll.
Habe mich heute früh bei der Verwaltung des Amtsgerichts zu einem Referendartermin
nach England gemeldet.
Heute haben Karin und Matthias
sich kirchlich trauen lassen. Sie feierten bei der Mutter Karins das Fest und
wir waren dort. Selten ist vor einer Hochzeit wohl so viel gesprochen und gestritten
geworden über das Brautpaar und mit dem Brautpaar wie gerade bei diesen beiden.
Hoffentlich geht die Ehe in Wirklichkeit besser ab als alle Befürchtungen ahnen
lassen.
Silberne
Hochzeit von Mutter Braß. Ohne Vater. Besser, kein Wort zu schreiben über
diesen Tag schöner Erinnerungen der Mutter, die sie zur Wehmut stimmen.
Es bleibt nur eins: hoffen, dass Vater Braß wieder kommt. Jeden Abend kommen
in Köln 2 Züge mit heimkehrenden Russlandgefangenen an. Ob nicht auch einmal
Vater Braß darin sein wird?!
Vatertag. Noch ist's mit mir nicht so weit. Daher musste es heute bei Bohnenkaffee und Reibekuchen bleiben.
Heute
ist Willys Namenstag. Von ihm und seiner Familie fehlt mir jede Nachricht.
Von ihm insofern, als die Hoffnung der Frau Wolff, dass er zurückkommt aus
Russland, wo er als tot gemeldet wurde am 19.8.1944, sich bis heute nicht
bestätigt hat.
Und Familie Wolff lässt nichts von sich hören. Sie wollten mich schon lange
zum Nachmittagskaffee einladen. Ob der Konkurs ihres Sohnes Caspar sie davon
abhält?
Habe heute mein erstes Gehalt
bekommen. In der Amtssprache heißt es zwar - Unterhaltszuschuss - aber ich nehme
es darum doch. 131,90 Deutsche Mark. Eigentlich 135 DM. Aber der Staat konnte
es nicht lassen, auch vom Unterhaltszuschuss etwas abzuknapsen. 2,50 DM Lohnsteuer
und 0,60 DM Notopfer Berlin.
Zum Gedenken an dieses erste Gehalt sei einer der Geldscheine hier eingeklebt,
der auch zu der Gehaltsauszahlung gehörte.
Streng genommen ist dies ja
nicht mein erstes Gehalt. Ich habe zum ersten Mal Geld bekommen, als ich als
16-jähriger Junge die Schule in der Kreuzgasse verlassen musste und als Lehrling
zur Kölnischen Mode- und Textilgroßhandlung im Richmodishaus ging. Da bekam
ich 16 RM monatlich. Aber die Arbeit geschah unfreiwillig und ich nahm daher
von diesem Verdienst keine freudige Notiz. Dann erhielt ich beim Rechtsarbeitsdienst
25 Pfennig pro Tag für geleistete Arbeit. Auch unfreiwillig und ungern. Im Anschluss
hieran bekam ich 50 Pfennig pro Tag beim Militär. Noch viel unfreiwilliger.
Während des Kriegs zahlte man mit Wehrsold und später Monatsgehalt (10 RM alle
10 Tage + 118,- Mark monatlich). Der ganze Wehrdienst geschah unter Zwang und
ich vertat meine wertvolle Zeit mit sinnloser Beschäftigung. Darum machte mir
dieses Geld letzten Endes auch keine Freude.
Nach dem Krieg musste ich als Hilfsarbeiter auf eine Baustelle gehen, zuerst
zur Südbrücke, später zum Allianzgebäude, für 72 Pfennig die Stunde. Gott sei
Dank war diese Zeit im November 1945 zu Ende, als ich neu immatrikuliert wurde.
Das Geld, das ich als Hilfsarbeiter verdiente, war mir gleichgültig, ja sogar
verhasst, denn ich sträubte mich gegen diese Arbeit, da sie mir mit Zwang aufgebürdet
worden war.
Im vorigen Jahr habe ich bei meiner Mutter Zuschneidearbeiten getan und wurde
dafür entlohnt. Diese Arbeit geschah aus Verzweiflung, weil ich monatelang ohne
einen Pfennig Geld in der Tasche war.
Aber heute bekomme ich das ersehnte Geld für eine freudig gewollte, freudemachende
Arbeit.
Heute haben Trude und ich beim Standesamt das Aufgebot bestellt.
Wir
haben uns ziemlich überraschend entschlossen, uns standesamtlich trauen zu
lassen, weil uns das eine Gehaltserhöhung von 65 Mark monatlich einbringt,
die wir ohne das dem Staat schenken würden. Es ändert sich ja in der Hausgemeinschaft
nichts, da wir alle bei Mutter Braß leben.
Unsere kirchliche Trauung wird in einigen Monaten nachfolgen, einschließlich
dem obligaten Fest.
Heute Nachmittag hatte Mutter Braß Besuch aus Ellrich (Ostzone) von Onkel
Hans (Schmidt). Ein Herr Wagner, der endgültig in die Westzone abgewandert
ist und hier in Köln wieder ansässig wird, berichtete uns in zwei unterhaltsamen
Stunden von dem Leben drüben und insbesondere von Onkel Hans.
Endlich
hat unser Hündchen Paul seine so sehnlichst erwarteten Jungen bekommen. Heute
Nachmittag um 10 Minuten vor 4 Uhr kam das erste Tierchen, ein weißes mit
braunen Flecken, groß und kräftig, um 4 Uhr 15 kam ein zweites, schwarz-weiß
gefleckt mit einem breiten weißen Fleck auf der Stirn eines im übrigen schwarzen
Kopfes, das dritte Tierchen, das Möhrchen, wurde um 5 Uhr nachmittags geboren,
schwarzer Kopf, schwarzer Rücken, weißer Kragen. Das vierte Tier kam unerwartet
noch um 7 Uhr abends, schwarz-weiß gefleckt, mit weißem Stirnscheitel, ungefähr
wie Paul. Die Tierchen kamen alle in einer durchsichtigen haut gut verpackt
zur Welt. Dann isst Paul die Haut auf und verspeiste sie mitsamt der Nabelschnur;
sogleich darauf begannen die Kleinen zu schreien. Sie sind alle wohlauf und
quietschen vergnügt drauf los. Auch Paul fühlt sich zeitentsprechend, er trinkt
viel Bohnenkaffee, damit er nicht einschläft und sich tolpatschigerweise auf
die Tierchen legt, so dass sie ersticken.
Gegen Abend lässt er uns schon nicht mehr an sein Lager, der mütterliche Verteidigungsinstinkt
ist erwacht.
Anbei einige Bilder von der am 14. Mai 49 erfolgten Hochzeit Karins mit Matthias.
Heute
Abend hat Mama mich zu sich kommen lassen und mich gebeten, zur Aufhebung
der Adoption mein Einverständnis zu geben. Ich habe die Aufhebung der Adoption
abgelehnt, weil ich keinen Grund habe, den Namen "Schiele" abzulegen.
Außerdem gäbe das unnötige Schwierigkeiten beim Gericht, da man zweifellos
rückfragen würde, weshalb ich die Namensänderung habe vornehmen lassen.
Im Verlaufe der Unterhaltung mit meiner Mutter, in der sie alles noch einmal
vorbrachte und die ältesten Dinge wieder aufwärmen wollte - sie ist tatsächlich
unversöhnlich - habe ich mich immer mehr über mich verwundern müssen und über
den Umstand, dass ich's so lange bei ihr ausgehalten habe. Sie ist nämlich
ein störrischer, unbelehrbarer Geist, der jeden, auch den kleinsten Trumpf
auskostet, erst wenn sie in der Lage ist sich davon zu überzeugen, dass es
dem anderen weh tut.
So hat sie's heute fertig gebracht, mir einen recht merkwürdigen Einigungsvorschlag
zu machen:
Gegen eine monatliche Ratenzahlung von 15 DM als Abzahlung auf ihre Rechnung
über Unterhalt und Miete ist sie bereit, mir nach und nach meine noch in ihrem
Besitz befindlichen Sachen herauszugeben.
Ein merkwürdiger Vorschlag.
Aber ich habe ihn wegen des Friedens angenommen.
Ich laufe auch sonst Gefahr, dass sie jedem Unberufenen unsere häuslichen
Angelegenheiten erzählt, wie sie's schon getan hat.
Damit ist unserer Familie aber nicht gedient. Daher habe ich so oft schon
in den sauren Apfel gebissen und Ruhe gehalten, das ist das Beste.
Wir haben heute den entscheidenden Weg zum Standesamt getan, Trude und ich, sowie Mutter Braß und Richard Faber als Trauzeugen und nunmehr sind Trude und ich rechtmäßig verbundene Eheleute.
Herr
Richard Faber ging mit uns nach Hause und wir begannen einen feierlichen Nachmittag
in kleinem Rahmen, zu dem nachmittags auch Herr Günter Faber hinzu kam. Er
brachte ein sehr hübsches Geschenk von seiner Familie mit, eine sehr geschmackvolle
versilberte Zuckerdose mit Silberzange. Der Nachmittag ging mit Kaffee, Kuchen
und Wein vorüber. Abends kam unsere Verlobungsbowle auf den Tisch mit einer
bekömmlichen Erdbeerbowle. Im Verlauf des angeregten Abends boten die beiden
Herren Faber , Trudi und ich uns gegenseitig Freundschaft an, die durch einen
kräftigen Trunk und das obligate Du bekräftigt wurde. Ein sehr freundlicher
Abend. Wir haben viel gelacht, Trude hatte einen kleinen Bowlenschwips und
kam aus dem Lachen nicht heraus.
Die lebensphilosophische Betrachtung zur Eheschließung wurde durch eine Tasse
Kaffee beschlossen; sodann begleiteten Trude und ich Günter und Richard nach
Hause, wo Günter uns von einem vor ihrem Hause stehenden Baume einen Glückszweig
abbrach, der umseitig folgt.
In der Nacht ist das an vierter Stelle geborene Hündchen gestorben. Habe es am Morgen begraben. Abends hatte ich noch versucht, es mit Milchzugabe durch eine Augenspritze am Leben zu halten, da ich glaubte, dass es hungere, weil die anderen Tiere es in ihrer Rücksichtslosigkeit nicht an die Mutterwarzen herankommen lassen. Es hat dennoch nichts geholfen.
Habe
mein Gesuch um Erhöhung meines Unterhaltszuschusses eingereicht, nachdem ich
mit Herrn Oberlandesgerichtsrat Dr. Pize, einem sehr jovialen Herrn gesprochen
habe. Hoffentlich ...
Am Montag, dem 20.6. habe ich meine Amtsgerichtstage beendet und meinen letzten
Ausbilder, Herrn Amtsgerichtsrat Dr. Mehl verlassen, einen ausgezeichneten
Menschen mit Herz und Verstand.
Gestern habe ich mein Zeugnis eingesehen, dass Herr Dr. Mehl mir ausgestellt
hat: Note: "Gut". Ein sehr schönes Zeugnis.
Habe gestern auch meinen Dienst bei der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln
aufgenommen. Heute habe ich die erste Sitzung beim Landgericht mitgemacht.
Vorwiegend Ehescheidungssachen. Unappetitlich ...
Herr Landgerichtsrat Morkopp, mein Ausbilder, ist ein sehr feiner Herr. Der
Kammervorsitzende, Herr Dr. Schulze, ist ein etwas pedantischer, diktatorischer
Herr, aber im Übrigen von vornehmer Wesensart.
Mit Trude in "Was Ihr wollt" von Shakespeare. Hat uns ausgezeichnet gefallen. Shakespeare einmal von der unblutigen Seite; ein sehr feines Lustspiel mit guter Besetzung.
Zum 21.6. habe ich noch etwas zu schreiben; denn dieser Tag ist zu unserer Hochzeit nicht von ungefähr gewählt worden, sondern weil er für uns Menschen eine allgemeine und für mich eine besondere Bedeutung hat. Der 21. Juni bedeutet den Abschied vom Frühling und die Wende der Sonne zum Sommer hin, ein neuer Abschnitt im Ablauf des Jahres. Und am, 21.6. 1935 lernte ich meinen leider allzu früh verstorbenen Freund Willy Wolff kennen, der für meine jugendliche seelische und geistige Entwicklung von ausschlaggebender Bedeutung geworden ist. Ihm zur Erinnerung und zum Gedenken habe ich meinen Hochzeitstag auf diesen Sommersonnenwendetag gelegt.
Gestern bekam unser braunes Hündchen seine Äugelchen und heute blinzeln alle drei in die Welt. Es ist allerliebst.
Richard Faber hat heute sein Examen bestanden.
Unser braunes Hündchen hat seine Heimat gewechselt und ist zu Onkel Josef und Tante Finchen gekommen. Es heißt jetzt Peterle.
Heute hatten Matthias und Karin das schwarz-weiße Hündchen abgeholt und ihm den Namen "Jockele" gegeben. Jetzt besitzen wir noch das Möhrchen, welches die Mumm bekommen soll.
Einen Monat verheiratet. Unsere Ehe wurde schon belohnt; am Montag, dem 17.7.49 erhielt ich die Nachricht, dass mein Gesuch auf Erhöhung meines Unterhaltszuschusses genehmigt worden sei. Trude und ich erhalten nunmehr DM 200,- im Monat.
Ein Ferienwochenendaufenthalt bei Onkel Fred und Tante Lieschen in Frielingsdorf. Mit den Rädern bei herrlichem Wetter hingefahren, Trude und ich. Köstlich bewirtet. Und eine wundervolle Entdeckung: Die Pfarrkirche von Frielingsdorf und die Kreuzweggemälde im Inneren der Kirche.
Wahl zum Bundestag.
Es gibt eine Pflicht:
die Menschen die dieses (s.u.) Wahlblatt herausgegeben haben, nicht zur Macht
kommen zu lassen, denn die Folgen werden verhängnisvoller sein als die von 1933.
Zu der brutalen, hochfahrenen Dummheit der damaligen Machthaber wurde nun mehr
die Erfahrung des systematischen Mords und ein glühender Hass gegen alles ehrliche
und besonnene Denken und Handeln kommen.
An diesen Tagen vor einem Jahr schrieb ich meine drei Examensklausuren. Mit vielen Nöten, aber doch auch mit Erfolg.
2 Monate verheiratet ... und noch nicht gereut. Am 2. Oktober des Jahres wollen wir uns kirchlich trauen lassen. Leider, leider ist das Geld noch arg knapp.
Allen Ärger, den uns meine Mutter, Frau Schiele, fast täglich mit beleidigenden Briefen, Gerüchte-Verbreitungen und sonstigen Hassausbrüchen bereitet, haben Trude und ich heute mit einem Fläschchen Münsterländer hinunter gespült.
Heute
waren wir schwimmen, Trude, Hans-Helmut und ich. Es hat uns gut gefallen,
ein wenig Entspannung von dauernder anstrengender Nachtarbeit um die Gutachten
zu bewältigen.
Inzwischen
wurde mein Jahresurlaub genehmigt. Ich habe Urlaub in der Zeit vom 3. - 20.
Oktober 49 beantragt. Trude und ich wollen die Zeit benutzen, Onkel Felix
in Hermeskeil mit dem Fahrrad zu besuchen. Dort soll unsere Hochzeit nochmals
gefeiert werden.
Heute Abend haben wir Trudes Geburtstag vorgefeiert. Voriges Jahr haben wir
dazu nachstehend bezeichneten Wein getrunken (1947 Lörzweiler Hohberg).
Habe Trude mein Damenfahrrad geschenkt, außerdem für 1 Mark Groschenstücke.
Trude sammelt sie nämlich und hat von derartigen Groschenstücken bereits ihre
weißen Hochzeitsschuhe gekauft.
Im Übrigen ist das Schenken dieses Mal etwas bescheidener als voriges Jahr,
da wir das Geld für unsere Hochzeit am 1. Oktober 49 zusammen halten müssen.
Aber zu einer Flasche Wein zu Trudes Geburtstag hat es dennoch gereicht. Voriges Jahr waren es zwar 21 rote Gladiolen. Diesmal ist es eben nur ein 1948er Schweppenhäuser Steyerberg von der Nahe, den wir mit Richard Faber, der ebenfalls heute Geburtstag hat und 28 Jahre alt wird, getrunken haben.
Habe heute unsere Vermählungsanzeigen
an alle Verwandten, Bekannten und Freunde abgesandt.
Vermählungsanzeige
Auch an Mama, verbunden mit einer in herzlichen Worten gehaltenen schriftlichen
Einladung. Aber noch am gleichen Tag habe ich die Anzeige und Einladung postwendend
ohne ein Wort der Erklärung zurückerhalten. Mama will offensichtlich den endgültigen
Bruch. Es ist bedauerlich, dass es Menschen auf Erden gibt, die mit ihrem Hass
selbst vor einem solch schönen Tag nicht Halt machen und zwei jungen Menschen
nicht die Möglichkeit geben, das neue und gemeinsame Leben in Frieden mit allen
Menschen zu beginnen.
Noch bedauerlicher ist es, dass die eigene Mutter, wenn auch die Adoptivmutter,
zu dieser Art Menschen gehört. Ich freue mich darum umso mehr, mit Trude nach
der Hochzeit zu Onkel Felix fahren zu können, um dort wenigstens mit Menschen
von eigenem Fleisch und Blut zusammen zu sein.
Kirchliche Hochzeit in St. Anna. Gertrud Schückes, Traupatin und Brautführerin ist fast die Treppe rauf gestürzt.
Gertrud Schückes und Günter Faber sitzen nebeneinander und Helmut fragt: Wollt
Ihr Euch nicht verloben?
Gästeliste
Kirchliche Hochzeit in St.
Anna
Gertrud
Schückes Traupatin ...
Ur-Opa Braß singt das Hobellied
Text
Heute
vor einem Jahr habe ich mein Examen bestanden.
Vormittags gemütlicher Frühstückskaffee mit Trude, Mutter, Hans-Helmut, Tante
Lieschen, Käthchen und Onkel Heinrich sowie Egon.
Mittags sind Trude, Egon, Hans-Helmut und ich auf den Dom geklettert. Ein
herrlicher Blick in die Weite und ein grauenvoller Blick auf die verwundete
Stadt.
Und tiefes Ehrgefühl vor der Grüße dieses hehren Bauwerks.
Abends bei Schnaps und Kuchen Restessen.
Egon
zur Bahn gebracht Zuvor noch in das Römisch-Germanische Museum im Kölner Dombunker.
Das Dionysosmosaik ist ein sehr eindrucksvolles Kunstwerk aus alter Zeit:
wir haben uns gewundert, mit welch feinem Kunstsinn den Römern bereits die
Darstellung von Mensch, Tier und Pflanze gelungen ist.
Abends haben Trude und ich die Kleine Nachtmusik von Mozart angehört und dabei
ein Gläschen Schokoladen Cocktail getrunken, wobei uns vier Zierkerzen Licht
spendeten.
Start zur Hochzeitsreise. Morgens trafen wir noch auf der Bonner Straße Fräulein Gertrud Schückes, meine Brautführerin, und dann ging's los über Bonn, Remagen, Andernach, Koblenz bis Bingen an der Mosel, wo wir bei Dunkelheit Rast machten und in einem Zimmerchen mit dem Blick auf die Mosel unsere Ruhe fanden.
Um 8 Uhr früh ging's weiter. Treis, Cochem, Traben-Trabach. Die Beine sind müde und schmerzen. Wir entschließen uns, die Mosel zu verlassen, da die Schlingen und Kurven der Moselstraße zu viel Umweg bedeuten. Wir steigen in den Hunsrück hinauf über Langkamp. Ein unendlicher Aufstieg. Sodann Weitermarsch nach Gonzerath. Starke Abfahrt nach Morbach. Wir stoßen auf die Hunsrückhöhenstraße und steigen auf nach Immert. Ein unendlicher Aufstieg. Müde und zerschlagen kommen wir in Immert, kurz vor Thalfang, an. Wir können uns nicht entschließen weiterzufahren und fallen in die Betten.
Morgens
die restlichen 17 km über Thalfang geschafft.
Hermeskeil. Ein überaus herzlicher Empfang durch Tante Johanna, Kurt, Egon
und Onkel Felix. Eine Flasche "1948er Zeller schwarze Katz" tut
ihr übriges. Mit froher Laune setzen wir uns an den Mittagstisch. Welch herzliche
Atmosphäre!
Abends Kaninchenfutter geholt. Onkel Felix hat 48 Kaninchen.
Ein gemütlicher, sonniger Tag der Erholung. Mutter Braß hat unsere Hochzeitsbilder geschickt. Sie sind grauenhaft schön.
Welche Ruhe und welch ein Frieden herrschen hier. Nachmittags haben Trude und ich im Park auf der Wiese gelegen, uns gesonnt und gelesen. Abends nach einem leckeren Abendessen habe ich Klavier gespielt und Tante Johanna sowie Egon und Kurt sangen dazu. Es war sehr schön und friedvoll und gemütlich.
Nach
dem Kirchgang sind Egon, Kurt, Trude und ich zu Onkel Josef, einem Schwager
von Tante Johanna und Inhaber eines Musikaliengeschäfts gegangen, haben dort
Schallplatten gehört und drei Stück ausgewählt, die Onkel Felix uns schenkt.
Und zwar:
"Ich bete an die Macht der Liebe" sowie: "Wir singen für Dich",
gesungen vom Don-Kosakenchor. Diese Platte wollen wir Trudes Mutter schenken.
Dann die Kirchenchöre: "Regina coeli laetari" und: "Lasst uns
preisen den Herrn", aus Cavalleria rusticana und den Hochzeitsmarsch
und das Scherzo aus dem Sommernachtstraum von Mendelsohn. Wir sind begeistert.
Trude,
Egon und ich sind heute mit dem Rad - steile Abfahrt - nach Trier gefahren
und haben römische (Porta Nigra, Kaiserthermen, Amphitheater Basilika, Römerbrücke)
und mittelalterliche (Dom, vor Liebfrauen Matthiaskirche) Bauwerke besichtigt.
Wir waren tief beeindruckt.
Um 17 Uhr fuhren wir mit dem Autobus nach Hermeskeil zurück.
Heute Morgen sind wir über die Grenze ins Saargebiet gegangen - natürlich unter Umgehung der Zollschranken- und haben Liesel, Trudis Cousine, sowie deren Mann Edmund und ihren Sohn Heinz-Jürgen besucht. Angeregte Unterhaltung. Um 1/2 5 Uhr nachmittags kam Edmund von der Arbeit. Froher Empfang durch ihn. Abendessen bei Kaffee und Wein.
Etwas
durchs Dorf gegangen (Nonnweiler). Nachmittags mit Edmund zurück über die
Grenze. Von Franzosen angehalten. Ließ uns aber weitergehen. Herzlicher Abschied
von Edmund.
Herzlicher Empfang bei Onkel Felix, Tante Johanna und Söhnen.
Abends gemütlicher Abend bei Onkel Josef und Tante Maria (Schwester von Tante Johanna). Deren Sohn Rudi, ein musikbegabter junger Mann musizierte und sang (Lieder von Schubert).
Abschied.
Schade. Es hat uns gut gefallen in Hermeskeil. Wir gehen auseinander in dem
Bewusstsein, gute Freundschaft geschlossen zu haben.
Abfahrt nach Trier mit dem Rad. Um 13.35 Uhr mit dem Zug nach Gerolstein,
Ankunft 15.57 Uhr. Was hatte der Zug zu klettern, durch die Eifelberge. Aber
besser er, als wir mit den Rädern. Von Gerolstein mit den Rädern Aufstieg
nach Hillesheim durch schmutzige (Balsdorf) Eifeldörfchen. Dann auf glatter
Straße über Wiesbaum nach Dollendorf. Um 1/2 8 Uhr abends Ankunft bei Onkel
Hein und Tante Käthchen in Schloßthal. Herzlicher Empfang mit Bohnenkaffee
und gutem Abendessen. Und dann in die Betten.
Mit Onkel Heinrich "auf der Burg" gewesen, auf den Ruinen einer durch napoleonische Truppen zerstörten Burg. Gemütliche Unterhaltung.
8
Uhr früh Gottesdienst im Vellerhof. Eine herrliche Landschaft. Grüne, rote,
goldgelbe Laubwälder, Sonne und Vogelzirpen, dann das rauhe "Krah, Krah"
der großen schwarzen Raben.
Nachmittags Buttercremetorte. Tante Käthchen und Onkel Heinrich tun alles
für uns.
Der letzte Tag in Schloßthal. Abends Reibekuchen, dann habe ich Onkel Heinrichs Radio repariert. Er meint, jetzt wisse er, warum die Juristen so unheimlich wäre, nämlich, weil sie sich in allem verstünden.
Wind und Fieselregen. Morgens
1/4 vor 10 Uhr Abschied und Abfahrt.
Über Blankenheim nach Tondorf. Von dort einen kleinen Abstecher nach Stulz,
wo ich 1938 in Arbeitsdienst war. Ich hatte Mühe, den Lagerplatz wiederzufinden.
Wo früher große, schöne und gepflegte Baracken standen, wächst heute Knieholz
und Ginsterstauden. Nicht einmal die Steinsockel sind mehr auffindbar. Der Kasernenplatz
ist fast unkenntlich durch wild wucherndes Unkraut und Gestrüpp. Die Transitpforte
noch da.
So sah es 1938 aus. Der Untergang dieses Lagers als Sinnbild des Schicksals
jener Regierung, die den Bau des Lagers befahl.
Über Münstereifel,
Euskirchen ging's in schneller Fahrt bei etwas Regen nach Hause. Um 1/2 4 Uhr
nachmittags kamen wir an. Mit echter Freude wurden wir empfangen. Insbesondere
von Paul, der gar keine Ruhe mehr geben wollte. Wir mussten erzählen und ließen
uns berichten. Abends tranken wir bei Kerzenschein (4 goldverzierte Hochzeitskerzen)
Kakaolikör und Wein. Den Wein hatten wir bei der Hochzeit zurückgelegt für spätere
Zwecke. Und unser Hochzeitswein schmeckte uns auch heute vorzüglich.
Dann spielten wir unsere neuerworbenen Schallplatten. Mutter war von "ihrer"
Schallplatte begeistert.
Im Laufe des Abends kamen noch Karin und Matthias, mit denen wir den Abend beschlossen.
Lange geschlafen. Danksagungskarten
geschrieben. So sehen sie aus:
Karte
Am Vormittag mit Frau Krux unsere letzte Flasche Wein getrunken. Heitere Mittagslaune.
Ein rechter Ferientag. Abends besuchte uns Herr Josef Berens. Wir haben mit
ihm die Möglichkeiten besprochen, an eine andere Wohnung zu kommen. Magere Aussichten.
Bei Schallplattenmusik gemütlichen Abend verbracht. Später kamen Karin und Matthias
zum üblichen Mittwochabendessen.
Unsere Hochzeitsreise in einigen Bildern:
Allerdings mit
dem Rad, nicht mit dem Wagen, aber darum nicht weniger schön.
Foto
Bonn
Karten von Remagen, Andernach, Koblenz, Burg Bischofstein, Cochem/Mosel, Traben-Trabach,
3 x Trier:
Remagen
Andernach
Koblenz
Burg
Bischofstein
Cochem
Traben-Trabach
Trier,
Kaiserthermen
Trier,
Porta Nigra
Trier, St. Matthiaskirche
Und nun müsste ich eigentlich
von allen Geschenken, Blumen und Glückwünschen schreiben, die uns zu unserer
Hochzeit erreicht haben. Viele Freunde, Verwandte, Bekannte und Nachbarn haben
uns erfreut. Die Boten gaben sich am Hochzeitstage die Klinke in die Hand; es
ist unmöglich festzustellen, wer was geschenkt hat. Drum gelte ein Glückwunsch,
wie er uns gebracht wurde und nachstehend überliefert wird, für alle die vielen
vielen anderen.
Karte
Ich bin seit 21. Oktober bei der 2. Strafkammer beim Landgericht Köln. Es ist dies die sogenannte Jugendschutzkammer. Die dort vorkommende Materie ist zwar etwas einseitig; denn der immer wieder und allein vorkommende Strafparagraph ist 176 STGB. Aber die Kammer ist wegen der Kindervernehmungen sehr interessant; es werden an die Richter höchste psychologische Anforderungen gestellt. Ich bin mit den Richtern, dem Vorsitzenden LG Dir. Dr. Custor und dem noch ausbildendem Richter LG Rat Johannsmann recht zufrieden.
Allerheiligen. Trude, Hans-Helmut und ich sind zum Westfriedhof gefahren und haben Papa, sowie die Großeltern Trudes und Hans-Helmuts besucht.
Frau
Schiele hat nach einer Ruhepause von 48 Tagen wiederum ein neues schikanöses
Manöver gegen mich gestartet. Ich wähnte mich ob der Ruhe der letzten Wochen
schon überglücklich. Doch ich habe die Rechnung ohne meine Adoptivmutter gemacht.
Sie droht mir nunmehr wegen rückständiger Miete und sonstiger Schulden mit
Zahlungsbefehl und fordert mich erneut auf, in die Aufhebung der Adoption
einzuwilligen. Sie hat sich auch der Mühe unterzogen, den Dezernenten der
Adoptivabteilung beim ___ Köln, A.G. Rat Schlechter in Anspruch zu nehmen.
Ihr neues Schlagwort, bei Nachbarn und Bekannten stereotyp ausgeplaudert,
lautet: "Ich kann meinem Sohn das Brot nicht geben, aber ich kann es
ihm nehmen, und das werde ich tun."
Welch erhabener Charakter einer mütterlichen Seele.
Von Anzug, Mantel, Schuhe und all den vielen Dingen, die noch bei ihr im Schrank
hängen, spricht sie mit keinem Wort. Und ich laufe indessen mit abgetragenem
Anzug und Schuhen.
Es ekelt mich, mehr zu schreiben.
Seit 15. Nov. ist Mutter Braß bei Tante Lieschen in Frielingsdorf. Sie wird wohl in einer Woche wieder kommen. Seit ihrer Abreise lebe ich Diät. Milchsuppe, Milchgriesbrei, Milchreisbrei, Milchsuppe usw. Eine leider notwendige Strapaze, um meinen Magen wieder in Ordnung zu bekommen.
Ein
vielfacher Glückstag.
Morgens habe ich für Herrn Schell einen Prozess durch einen günstigen Vergleich
zu einem guten Abschluss gebracht. Ich habe in der vor A.G. Rat Dr. Mehl stattgefundenen
Beweisaufnahme bereits meine künftigen Anwaltstalente unter Beweis stellen
dürfen.
Mittags lag ein sehr freundlicher Brief von Tante Johanna und Onkel Felix
vor. Nachmittags sind Trude und ich zum Christkindchen in die Stadt gegangen
und hatten für Hans-Helmut einen großen Märklin-Baukasten bestellt und anbezahlt.
Für Trude habe ich für den 21. Dez., den Halbjahreshochzeitserinnerungstag
ein Amethystkollier mit dazugehörigem Ring erworben.
Ein Tag voller Freude.
Nachdem ich in den letzten Tagen das Buch Stendhals: Die Kartause von Parma gelesen hatte, habe ich heute Mittag den Film gleichen Titels besucht, ein französisches Werk von großem Format. Interessant vor allem, zu beobachten, was dem Filmregisseur aus einem Romanwerk wichtig und effektvoll erscheint. Es sind doch zwei Welten, der Film und das Buch. Aber beide reizvoll und anregend.
Heute Morgen, als ich mit Paulchen auf die Straße ging, damit er sich auslaufen könne, bekam Paulchen mit einem Mal einen Nervenkrampf, das ganze Köpfchen zitterte, die Augen standen starr. Ich hatte eine furchtbare Angst. Der Krampf legte sich schnell, aber Paul ist krank. Heiße Nase, Schwäche. Es ist mir so schlimm, als wenn ein Kind krank wäre. Mittags kam Mutter von Tante Lieschen zurück. Jetzt ist die Familie wieder beisammen.
Mutter
hat 50. Geburtstag. Und ich habe kein Geld, um ihr außer der Wolle, die sie
schon Anfang des Monats bekam, und die Trude schon zu Ärmeln verstrickt hat
in einen noch vorhandenen roten Pullover. Daher bin ich zu der Buchhandlung
Peetz gegangen, wo ich 9 juristische Bücher seit 2 Monaten in Kommission stehen
habe. Sie sind auch heute noch nicht verkauft. Ich habe sie nunmehr an mich
genommen und damit viele Kölner Antiquariate abgeklappert. Der eine bietet
mir für alle Bücher, nicht weil er sie haben will, sondern nur, weil ich sie
geschleppt habe, DM 3,-. Der andere bietet mir den Altpapierwert nach dem
Gewicht der Bücher. Schließlich habe ich in der Benesisstraße eine Buchhandlung
angetroffen, dessen Inhaber mir 20,- DM gab. Ich war selig.
Gleich habe ich 1/4 Pfund Bohnenkaffee und einige Törtchen (Ananas, Picheler,
Florentiner) für Mutter gekauft. Außerdem die Schallplatte: An die Musik (O
holde Kunst) 5. Am Meer, von Schlußnuß gesungen. Es ist ein gemütlicher Nachmittag
und Abend geworden. Karin, Frau Krux und Matthias waren auch dabei.
Morgens bekam ich bei Herrn Schell als Erkenntlichkeit für den gewonnenen
Prozess ein großes Stück Rinderfilet, welches uns herrlich geschmeckt hat.
Nachmittags brachte der Blumenhändler unserem Hans-Helmut einen schönen Adventskranz,
den ich zuvor bestellt hatte.
Ein Kerzchen haben wir angezündet. Kastanien, Nüsse und Äpfelweihen die Weihnachtszeit ein.
Habe Mama einen sehr langen Brief geschrieben, in welchem ich nochmals den Versuch machte, mich mit ihr zu versöhnen. Habe im Hause am Treppenhaus, Speicher und Abortfenster die Verglasung übernommen. Abends mit Mutter und Trude für Trude ein Paar Schuhe gekauft.
Hans-Helmut wird 9 Jahre alt. Er spart fleißig auf einem Postsparbuch, welches ich ihm vor kurzem eingerichtet habe. Mit Mutter und Trude in die Stadt gegangen. Weihnachtseinkäufe. Haben auch den Märklinbaukasten für Hans-Helmut abgeholt.
Habe
heute wieder für 15,- DM Bücher verkauft. Dann mit Trude ein blaues Kaffeeservice
für 6 Personen gekauft, welches uns Mutter zu Weihnachten schenkt.
Morgens habe ich das Oberlicht unserer Haustür verglast.
Habe einen ganz ungezogenen Antwortbrief von Mama bekommen. Alle Versöhnungsversuche sind vergeblich.
Habe
heute mein Überweisungsgesuch für die Staatsanwaltschaft geschrieben. Am 20.
Dez. ist meine Zeit bei der 2. Strafkammer um. Ich war dort sehr zufrieden.
Die Richter sind in Ordnung.
Abends bei Familie Faber. Mit Günter Nikolauspläne geschmiedet. Er soll am
Nikolausabend als Nikolaus zu Hans-Helmut kommen und Richard als Knecht Rupprecht.
Barbara. Sie hat Hans-Helmut 4 Schuhe mit Leckereien gefüllt, unserem Paulchen hat sie ein Stiefelchen voll Plätzchen gebracht, welches er gleich unter den Ofen schleppte und Trude bekam die Schallplatte: Intermezzo aus Der Bajazzo und Cavalleria rusticana.
Nikolaus-Abend. Richard und Günter Faber haben sich verkleidet, Günter als St. Nikolaus und Richard als Knecht Rupprecht, und uns einen Besuch abgestattet. Der Besuch galt natürlich vor allem Hans-Helmut. Er war auch recht bange, vor allem hatte er einen großen Respekt vor dem Knecht Rupprecht, der mit einer Kette durch das Zimmer tobte. Günter, der einen Kaffeewärmer als Bischofshut aufgesetzt hatte, schwitzte derart, dass die zur besseren Tarnung angezogene Brille beschlug und er die Sünden im schwarzen Buch, die ich ihm vorher aufgeschrieben hatte, nicht mehr lesen konnte und teils etwas verlegen stotterte. Alles in allem aber ein sehr schöner, unterhaltsamer und für Hans-Helmut denkwürdiger Abend.
Habe
Walther Staß in Deutz besucht, da er am 10. ins Examen gehen wird. Er ist
trostbedürftig, da er allzu schwarz sieht und zu seinen eigenen Fähigkeiten
und meinem Wissen nicht mehr das geringste Zutrauen hat.
Abends sind wir zu Großvater Braß gegangen, der sehr schlecht dran ist und
infolge Altersschwäche auf die Hilfe von Großmutter ganz und gar angewiesen
ist. Er selbst glaubt nicht mehr daran Weihnachten zu erleben. Wir reden ihm
gut zu, aber sein Gesicht ist schon vom Tode gezeichnet. Es müsste schon ein
Wunder ihn erretten. Opa ist 82 Jahre alt und sein Körper ist ehrlich verschlissen.
Abgesehen von zeitweiligen Bewusstseinsschwächen ist Opa aber noch geistig
rege und reagiert auf alle um ihn vor sich gehenden Dinge. Er fürchtet sich
ein wenig vor dem Sterben, wenn er auch einsieht, dass ihm sein geschwächter
Körper von Tag zu Tag mehr eine untragbare Last wird. Schade ist nur, dass
Großvater in so armseligen Verhältnissen sterben muss, nachdem er ein Leben
der Fülle in Glück und freudiger Pflichterfüllung hinter sich gebracht hat.
Der Raum, in dem er krank darnieder liegt, hat keine Fenster und keine Decke.
Alles ist mit Dachpappe verschlagen. Und das für einen Menschen, der nur im
Wohlstand leben durfte.
Habe
heute früh Mama einen Glückwunschbrief anlässlich ihres Namenstags geschrieben.
An mir soll die Wiederverständigung mit Mama nicht scheitern.
Vormittags habe ich in der Arbeitsgemeinschaft für Referendare eine Klausur
geschrieben. Dabei erfuhr ich, dass Walther Staß im Examen durchgefallen ist.
Wirklich bedauerlich. Zumal Walther ohnehin schon nicht den rechten Beruf
gewählt zu haben scheint.
Abends habe ich von Großvater, der heute Mittag in einem Sarge im Zimmer der
Großeltern aufgebahrt wurde, Photoaufnahmen gemacht als letzte Erinnerung.
4 Fotos
Großvaters Aufbahrung in der Leichenhalle des Westfriedhofs
Heute haben wir Opa beerdigt. Der Kölner Sängerkreis gab das letzte Geleit mit
herrlichem Gesang.
Am Beerdigungstage nahmen wir abends diese folgenden Bilder auf:
Sie waren im Grunde Verlegenheitsaufnahmen, da wir den Film mit den Totenaufnahmen
Opas schnell zu Ende knipsen und zum Photographen bringen wollten. Und dennoch
sind die Bilder recht schön geworden. D.h. die Blitzlichtstarraugen waren nicht
zu vermeiden. Und ich bin auch reichlich ungekämmt. Ansonsten geht es.
Hatte
heute wieder Sitzung mit der 2. Strafkammer. Eine Sache stand an. Angeklagter
ein Akademiker, Sadist. 2 Jahre Gefängnis. Ein schweres, schwieriges Urteil.
Von Onkel Felix und meiner leiblichen Mutter kamen heute recht schöne Briefe.
Von
Herrn Schnell habe ich heute DM 50,- als restliches Honorar für meine Prozesstätigkeit
erhalten. Ein begehrtes Bakschisch zu Weihnachten. Habe Mama eine Geburtstagskarte
geschickt. Sie wird morgen 66 Jahre alt. Habe darin geschrieben, ich wünsche
ihr noch recht viele Jahre in Gesundheit und Segen, und Gott möge ihr Frieden
geben, damit die Tür, die in ihrem Wesen verschlossen ist, wieder aufgetan
werde. Wie oft habe ich das schon gewünscht.
Gestern Abend habe ich Tante Maria (Mumm) in Marienburg den bei ihr ausgeliehenen
Pelzmantel und Hut zurückgebracht. Hatte eine angeregte Unterhaltung mit Onkel
Toni über Börsenspekulation und Glücksspiele, z.B. in Bad Neuenahr.
Auch unsere Stadt rüstet sich zur Weihnacht. Das Bild stammt zwar aus früheren Jahren, dieses Jahr hat es noch nicht geschneit. Jedoch der Tannenbaum steht auch in dieser Adventszeit vor unserem Dom.
Abends haben wir zusammen gesessen und Weihnachtsgedichte vorgelesen und gesungen.
Heute vor 26 Jahren wurde Mutter Braß standesamtlich getraut. Aus diesem Anlass haben wir Mutter einen Kaffeeuntersatz kombiniert mit Deckelhalter geschenkt.
Heute vor einem halben Jahr haben Trude und ich standesamtlich geheiratet. Ich habe Trude die Schallplatte "Zwischenspiel aus Notre Dame" von Schmidt und "Valse Triste" von Sibelius sowie ein halbes Pfund Speck geschenkt. Letzteres hatte sie sich schon lange gewünscht, um "einmal nur" zu essen.
Christkindchen trifft seine Vorbereitungen und unser Wohnzimmer ist für Unberufene verschlossen. Was mag wohl hinter der Tür vor sich gehen? Hans-Helmut kann vor Spannung nicht einschlafen und ist morgens der Erste wach.
Ein welch friedliches Fest
feiere ich in diesem Jahr im Gegensatz zu mancher Weihnacht der Vorjahre. Ich
bin verheiratet und darf das Fest im Kreise einer friedfertigen Familie, zu
der ich nun auch gehöre, mit begehen. Welch wesentlicher und wohltuender Unterschied
zu den Weihnachtstagen der letzten 10 Jahre. Ich habe dem Friedensfest der Weihnacht
zuliebe versucht, auch Liebe zu spenden und habe Mama zu Weihnachten eine Glückwunschkarte
geschickt. Auch habe ich meiner wirklichen Mutter zur Weihnacht geschrieben
und ihr ein Kästchen mit Seife aus Kölnisch Wasser gesandt. Und viele andere
wurden mit meinen Glückwünschen bedacht. Könnte ich doch nur noch mehr tun.
Ich hätte so gern ein armes Kind beschert. Aber dazu reicht mein eigenes Einkommen
leider bei weitem nicht aus. Und es scheint auch so, so Gott will, als ob Trude
und ich beim nächsten Male das eigene Kind beschenken dürften. Das tun wir natürlich
noch am allerliebsten. Wäre es nur schon so weit.
Morgens kamen Richard und Günter Faber, um das Fest anzusagen. Sie haben sich
gleich am Bau eines Krans beteiligt. Der Märklinbaukasten macht viel Freude.
Nachmittags haben Trude, Mutter und ich dem Wein zugesprochen.
Wir verbrachten einen sehr schönen Nachmittag und Abend unter dem Weihnachtsbaum,
während Hans-Helmut immer wieder mit Stolz auf all die vielen Dinge hinwies,
die das Christkind ihm gebracht hatte. Es waren allein 6 Teller mit Leckereien,
die er bekommen hatte. Bei der Großmutter hatte das Christkind ihm eine große
Stabtaschenlampe gebracht. Nunmehr ist er außer sch vor Freude. Paulchen, unser
Hündchen, hat vom Christkind ein Halsband mit Leine und einen Teller voll Nascherei
bekommen. Den Teller nimmt er kaum noch zur Kenntnis. Er ist zu durchgegessen.
Heute habe ich meinen Dienst bei Staatsanwalt Dr. Gierlich angetreten, nachdem ich vom 21.-23. auf der Geschäftsstelle, und am 24. mich auf dem Strafregister vorgestellt hatte. Der Staatsanwalt, vor dem die Referendare warnen, ist privat erträglich, dienstlich aber "ein scharfer Hund".
Morgens
habe ich eine kurze Unterweisung auf dem Strafregister erfahren, weil der
24.12. zu schade dafür war.
Nachmittags kam Walther Staß zu Besuch. Trude und Mutter schliefen, ich war
dabei, zu spülen. So hat er mich auch mal als Ehemann kennen gelernt. Er ist
über das nicht bestandene Examen doch sehr verbittert.
Abends besuchen wir, Trude, Mutter und ich, Egmont von Goethe. Die schauspielerischen
Leistungen waren gut. Jedoch die Musik war mäßig. Es ist aber auch möglich,
dass wir durch unsere Schallplatten schon etwas anspruchsvoll geworden sind.
Immerhin hat uns die Aufführung im Ganzen gefallen.
Abends
statteten Trude und ich der Familie Faber einen Besuch ab. Es ging dort wieder
recht freundlich und anregend zu und bei gutem Kaffee wurde die Weltgeschichte
etc. durch den Kakao gezogen. Schließlich entschlossen Herr und Frau Faber
sowie Trude und uns auf Anraten Richards hin, den Film Dschungelbuch aufzusuchen.
Wir hatten's nicht zu bereuen. Eine ausgezeichnete farbenfreudige realistische
Verfilmung des Dschungelbuchs von Kipling.
In
der Nacht wurde ich über Schüttelfrost wach. Ich fror am ganzen Körper und
war auch mit den Nerven fertig. Trude machte mir Fliedertee und ich schwitzte
wie ein Bär.
Am 31. im Bett gelegen. Mit Trude 1/2 l Flasche Arrak leer gemacht. Ich fühle
mich wohler.
Abends kamen Matthias und Karin zum Sylvester. Ich lag auf dem Sofa und alle
tranken wir Punsch, heißen süßen Rotwein mit Rum. So warteten wir dem Zwölf
Uhr Glockenschlag entgegen. Schließlich war's soweit.
Prost Neujahr!
Die Glocken ertönten und kündeten den Beginn eines Neuen Jahres und eines
neuen Halbjahrhunderts.
Heute vor einem Jahr, in dieser Stunde, haben Trude und ich uns verlobt. Genau
vor einem Jahr wurde dieses Buch begonnen. Freud und Kummer ist darin festgehalten.
Aber wenn ich recht schaue, dann ist's doch wohl mehr Freude. Das Jahr brachte
unsere Verlobung, die kirchliche Trauung von Matthias und Karin, unsere standesamtliche
und kirchliche Trauung, meine Referendarernennung, auch den Tod Opas und den
Zwist mit meiner Mutter, der hoffentlich im Neuen Jahr ein Ende findet.
Im Übrigen: Es war ein glückliches Jahr.