1950

Januar

 




Sonntag, 1. Januar 1950

Und was bringt das Neue Jahr?
Zunächst einmal die Erinnerung an unsre Verlobung, genau vor einem Jahr. Und eine neue Schallplatte, die ich Trude anlässlich dieses Jahrestages versprochen habe. Und einen gemütlichen Sonntag mit feierlichem Resteessen.


Dienstag, 3. Januar 1950

Heute habe ich vor dem Schöffengericht meine ersten beiden Plädoyers als Staatsanwaltsvertreter gehalten. Zwar kleine Sachen, aber doch ein ereignisreicher Augenblick.
Mittags nach dem Dienst traf ich zu Hause Großmutter an, die uns besucht hatte.
Dann kauften Trude und ich die Schallplatte Harap aus Xerxes von Händel, gesungen von Schlußnuß, Rückseite das Lied von Giordano: Caro mio ben. Abends haben wir den Tag mit Klosterlikör und Plätzchen aus neu gefüllten Tellern beschlossen.


Sonntag, 8. Januar 1950

Heute hatten wir Besuch aus Bonn. Kamerad Eberhard, den ich im Luftwaffenlazarett in Paris-Clichy kennen gelernt hatte, kam mit seiner Frau zu Besuch. Ich habe mich hierüber sehr gefreut. Alle Erinnerungen aus und von dieser Zeit wurden ausgetauscht, aus einer Zeit, da wir beide uns vor dem Kriegsgericht zu verantworten hatten.


Dienstag, 10. Januar 1950

Ein wundervoller Film im Kino. Nun habe ich die Musik aus Puccinis La Bohème erst so recht schätzen gelernt.


Samstag, 14. Januar 1950

Heute Abend fanden sich die Überlebenden unserer Schulklasse (Schillergymnasium) sowie 2 Lehrer (Dr. Berens und Turnlehrer Grothe) gemütlich zusammen. Es war eine nette Unterhaltung. Zu meiner Befriedigung konnte ich feststellen, dass sich das wirtschaftliche Niveau bei fast allen ehemaligen Mitschülern gegenüber dem Vorjahr gehoben hat.
Im Übrigen wurde mir die hohe Aufgabe übertragen, das nächste Zusammentreffen zu arrangieren. Es soll Ende März steigen.


Mittwoch, 18. Januar 1950

Heute kam Tante Lieschen aus Nonnweiler zurück, nachdem sie dort ihrer Tochter Liesel, die von den beiden Mädchen Doris und Eleonor entbunden hat, alle Haus- und Kinderarbeit abgenommen hatte. Sie strahlte in dreifachem Großmutterglück.
Den kleinen Heinz-Jürgen hat sie gleich mitgebracht, um ihn einige Zeit bei sich zu behalten und der Liesel aus dem Weg zu nehmen.


Donnerstag, 19. Januar 1950

Seelenamt für Opa Braß
Trude und Mutter waren in der Kirche. Dort wurde es Trude schlecht. Ein Umstand, mit dem sie in den letzten Wochen oft zu kämpfen hat. Wir hatten uns eigentlich noch nichts bestellt. Nun sind wir aber froh, und es dies ja auch der Sinn allen Lebens, der eine geht in den Tod, der andere kommt ins Leben. Siehst du, lieber Opa, dein Platz bleibt nicht lange leer.
Ich selbst konnte nicht zur Messe gehen, da ich beim Einzelrichter (A.G. Rat Siebenborn) als Staatsanwalt Sitzungsdienst hatte. Plädoyers usw. gingen m.E. in Ordnung.


Samstag, 21. Januar 1950

Günter Faber hat heute sein Referendarexamen bestanden. Ich bin ehrlich froh um ihn, und etwas erleichtert, denn ... bei Examina kann man nie wissen.


Montag, 30 Januar 1950

Heute werde ich 30 Jahre alt.
Die erste Hälfte (oder das erste Drittel?) meines Lebens ist vorüber. Oder ... sollte es schon die meiste Zeit gewesen sein, die mir zwischen Feuer, Wasser, Luft und Erde beschert ist?
Aber weg mit diesen Gedanken.
Bereit sein! ist bekanntlich alles und im Testament heißt's schon: Wachet, denn ihr wisst nicht die Stunde. Und sie wartet nicht auf einen Geburtstag; und so viel ich kann, bemühe ich mich, bereit zu sein und zu wachen. Allerdings in meiner Auslegung: und die heißt: Rücksicht, Güte und Hilfsbereitschaft.
Hoffentlich halte ich dies durch bis an meinen letzten Tag.
Trude, Mutter und Hans-Helmut waren sehr lieb zu mir. Sie backten einen Butterkremkuchen, schenkten mir ein schönes Hemd, einen Waschlappen und eine Schallplatte: "Oh komm im Traum" und "Drei Zigeuner sah ich einmal vertont von Liszt und gesungen von Schlußnuß.
Auch Familie Wolff dachte an mich. Spät abends kamen noch Hilde und Caspar sowie eine Freundin von Caspar, Frau Porz. Sie brachten eine Flasche Weinbrand und die Nachricht mit, dass es einige Stunden vorher in ihrem Hause gebrannt habe.
Alles in allem: Mein Geburtstag verlief angeregt.
Nur: Mama hat keine Notiz davon genommen.


Dienstag, 31. Januar 1950

Heute ist der Vorabend unseres 4-monatigen Hochzeitstages. Man muss die Feste feiern wie sie fallen. Ich habe Trude aus diesem Anlass 6 Eierbecher zu unserem Hochzeitsservice passend, weiterhin für in jeden Eierbecher eine Apfelsine und außerdem eines Kognakausschenker geschenkt. Trude gab mir wieder ein sehr schönes Oberhemd. Von Frau Wolff erhielt ich im Übrigen noch nachträglich eine sehr geschmackvolle dunkelrote Krawatte zum Geburtstag.
Es lohnt sich, 30 alt zu werden und 4 Monate verheiratet zu sein.


 

Februar

Mittwoch, 1. Februar 1950

Heute vor 10 Jahren, abends um 20 Uhr, starb mein lieber Papa.
Wir gingen heute früh anlässlich des Jahrgedächtnisses in die Frühmesse.


Es ist der 1. Februar 1940 ein wirklicher Trauertag für alle Beteiligten gewesen. Denn Papa war noch viel zu jung zum Sterben, und Mama verlor so recht ihren Lebensinhalt, soweit der nicht noch mehr in ihrem Geschäft zu suchen sein sollte.
Und ich verlor einen Freund, dessen Dasein mir Trost und dessen Tod mir Verzweiflung wurde.


Donnerstag, 2. Februar 1950

Ich kann es nicht mehr länger mit ansehen, dass wir jeden Groschen zehnmal zwischen den Fingern herumdrehen, bis wir uns entschließen, ihn auszugeben. Was die Justizverwaltung mir für meine Arbeit gibt, ist in Anbetracht des Studiums, das man hinter sich hat, und der "Gelehrsamkeit", die man in sich hat, und in Anbetracht der Tatsache, dass eine junge Ehe für Anschaffungen viel braucht, zu wenig.
Darum habe ich meinen schon über ein Jahr alten Entschluss, bei einem Anwalt nebenberuflich zu arbeiten, heute wieder aufgegriffen und mich auf den Weg gemacht.
Da ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Mülhaus auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring seit meiner Zivilkammertage kenne und mich bei ihm schon durch eine gute für ein von ihm angestrengtes Verfahren bestimmte Relation angenehm bemerkbar gemacht habe, klopfe ich an seine Tür.
Er bedauerte zwar, mich nicht anstellen zu können, da er einen so großen Arbeitsanfall nicht zu verzeichnen habe, verwies mich jedoch an Rechtsanwalt Dr. Römer in der Glockenstraße, bei dem ich auch sogleich vorsprach.
Dr. Römer hat als ein Anwalt vom alten Schlage einen guten Ruf und ist als ein korrekter, arbeitsamer, rechtskundiger Herr bekannt. Er war grundsätzlich nicht abgeneigt mich anzustellen, hat sich jedoch bis Dienstag Bedenkzeit erbeten.


Sonntag, 5. Februar 1950

Heute waren Mutter, Trude, Hans-Helmut und ich bei Karin und Matthias zum Kaffee eingeladen.


Dienstag, 7. Februar 1950

Ein Freudentag. Herr Rechtsanwalt Dr. Römer hat mich mit einem Honorar von DM 150,- zunächst einmal für einen Monat auf Probe als sein Adlatus angestellt.
Ich bin sehr glücklich. Jetzt können wir uns bedeutend besser helfen und ich brauche nicht mehr zu befürchten an Minderwertigkeitskomplexen einzugehen.
Habe gleich 2 Akten zur Ausarbeitung von Schriftsätzen mitbekommen. Bin an meine Bürostunden gebunden und in der Ausarbeitung der Schriftsätze sowie in der Aufteilung meiner Arbeitszeit völlig frei. Jetzt bleibt mir noch das nicht leicht lösbare Problem, meine Dissertation mit Erfolg zum Abschluss zu bringen. Hoffentlich reiße ich mich bald dazu empor.


Mittwoch, 8. Februar 1950

Der in unserem Dezernat, Staatsanwaltschaft Abt. 23 vorbereitete Mordprozess Schöneborn stand heute zur Hauptverhandlung an und endete mit der Aburteilung der angeklagten Ehefrau, die ihren ihr lästig gewordenen Ehemann mit Rattengift und Schlafmitteln zu Tode brachte. Ich habe an der Sitzung, die von 9.15 bis 16.20 Uhr dauerte, mit großem Interesse teilgenommen.


Donnerstag, 9. Februar 1950

Heute früh suchte ich im Gerichtsgebäude Reichensperger Platz Herrn LG Rat Morkopp, der an der 3. Zivilkammer mein ausbildender Richter war, wegen Durchsicht meiner 3. Relation auf. Er bot mir eine günstige Stellung in einem großen Industrieunternehmen als Assistent des Syndikus und dessen spätere Nachfolge mit 600 DM Anfangsgehalt an. Ich kann mich dazu nicht entschließen, da ich meine Referendarausbildung abschließen und das Assessorexamen absolvieren möchte. Aber einen inneren seelischen Auftrieb hat mir dieses Angebot doch gegeben.


Samstag, 11. Februar 1950

Habe heute meinen ersten Schriftsatz bei Dr. Römer abgegeben. Er war damit sehr zufrieden. Habe mich noch einige Stunden bei ihm aufgehalten und an der Beratung von Klienten teilgenommen. Die Arbeit bei und mit Herrn Dr. Römer gefällt mir sehr gut. Bei Herrn Rechtsanwalt Dr. Mülhaus habe ich mich für die freundliche Vermittlung bedankt und ihm die erfolgte Anstellung mitgeteilt. Aber er wusste es schon, da Herr Dr. Römer während der ausgebetenen Bedenkzeit Rückfrage gehalten hatte und Herr Dr. Mülhaus ihm über mich nur Positives zu sagen wusste.


Sonntag, 12. Februar 1950

Heute Nachmittag stattete uns Familie Wolff einen Besuch ab und brachte gleich trinkbare Gegenstände mit. Wir haben uns prächtig bei Kaffee und Kuchen unterhalten und dabei Schallplattenmusik angehört.
Mit Caspar ging ich schließlich - oder vielmehr wir fuhren mit seinem Wagen - zu einer nahegelegenen Gastwirtschaft, wo wir bei Gesprächen über die in der Vergangenheit gefassten Pläne und ihre Nicht-Verwirklichung eine Flasche Wein leer machten.
Dann begaben wir uns wieder nach Hause zu der dort wartenden Familie und aßen zu Abend. Nachdem Caspar seine Eltern nach Hause gefahren hatte, kam er mit neuem Treibstoff zurück.
Ein wirklich gemütlicher Abend.


Freitag, 17. Februar 1950

Mit Herrn Dr. Römer, meinem neuen Chef, komme ich bestens aus. Ich freue mich schon auf die Zeit, wenn ich bei ihm in Stage bin und nicht mehr zur Staatsanwaltschaft zu laufen brauche. Denn so interessant mir die Materie dort anfangs war, so Leid bin ich jetzt das Wissen um die Schlechtigkeiten der Menschen. Das Strafrecht wird nie mein Fall sein. Dagegen leiste ich im Zivilrecht - glaube ich - umso besseres. Meine Schriftsätze gefallen Herrn Dr. Römer sehr gut. Heute Abend gab er mir völlig unerwartet DM 50,- Vorschuss. Ich bin mit Engelsflügeln heimgeeilt.
Und die Freude zu Hause war groß.


Samstag, 18. Februar 1950

Tante Käthchen aus der Eifel ist heute Nachmittag gekommen. Sie will Karneval in Köln sein. Ein angenehmer Besuch. Den Abend haben wir mit Eierlikör und im Radio übertragenen Karneval verbracht.


Sonntag, 19. Februar 1950

Um 18.30 erlebten wir vom Grüngürtel aus ein prächtiges karnevalistisches Feuerwerk zwischen den Brücken von Köln. Sodann zogen wir durch die Stadt und ließen uns vom Karnevalstrubel treiben. Doch bald wurde es uns zu toll und mit zerschlagenen Nerven zogen wir reumütig heimwärts. Zu Hause tranken wir einen feinen selbst gebrauten Vanillelikör.


Montag, 20. Februar 1950

Alle Mann hoch sind wir nach Köln gefahren, haben am Ring eine Menschenmauer durchbrochen, um auf die andere Seite der Straße zu gelangen, und dann haben wir mit verhältnismäßig gutem Steh- und Sichtpunkt den Kölner Rosenmontagszug erlebt, der in seiner Pracht und Vielfalt der Kostüme und Wagen eine Glanzleistung war. Auch Bonbons haben wir geschnappt. Und das war ja für Hans-Helmut das Wesentliche. Abends haben wir uns einen zünftigen gemütlichen Abend mit Luftschlangen, Kostümierung und zwei Flaschen Likör, die wir wieder selbst gebraut hatten, (Apricot und Danziger Goldwasser) geleistet. Wir kamen mit dem Rundfunk in Hochstimmung und haben bis zwei Uhr früh getanzt. Tante Käthchen und Frau Krux erwiesen sich als gute Gesellschafter.


Dienstag, 21. Februar 1950

Für heute Abends haben wir eine Apfelsinenbowle gebraut. Eigentlich wollen wir einen Karnevalsausklang veranstalten. Aber das Geschrei und die Karnevalslieder im Radio ekelten uns nun an und wir haben uns entschlossen, uns der Kultur unseres menschlichen Entwicklungsstadiums bewusst zu werden.
Wir hörten gute Schallplattenmusik, übrigens habe ich auch eine neue Schallplatt bekommen: Selig sind die Verfolgungsleiden, aus der Evangelimann von Kienze, gesungen von Peter Anders, und rückseitig die Ceratine des Faust 1: Gegrüßet sei mir, du holde Stätte, aus Margarethe von Gounod. Die Platte bekam ich von Trude und Mutter zum einjährigen Jahrestag meines Dienstbeginns als Referendar,
Und bei Musik, Bowle und feierlicher Stimmung las ich Gedichte vor, sahen wir Bilder von Domen und anderen Kunstwerken, ich rauchte mit Genuss (eigentlich zum ersten Male) dabei eine gute Zigarre und wir unterhielten uns vorzüglich.
Und unsere Bowle war vorzüglich.


Samstag, 25. Februar 1950

Mehr als aller Karneval mit allem unvermeidlichen Geschrei und Geldausgeben freut mich die Arbeit bei Herrn Dr. Römer, da sie mir auch gut bezahlt wird. Heute gab Dr. Römer mir wiederum 50,- DM Vorschuss. Solches Geld macht stolz.


Sonntag, 26. Februar 1950

Trude liegt zu Bett und ihr ist sehr übel. Der Nachwuchs (der zu erwartende) meldet sich auf unangenehme Weise an. Im Übrigen ist Trude tüchtig erkältet.


 

März

Mittwoch, 1. März 1950

Wie lange hatte ich doch Ruhe vor den Belästigungen Mamas. Leider aber nicht allzu lange. Denn heute schickte sie mir durch das Gericht einen Zahlungsbefehl über DM 60,- wegen rückständiger Miete. Es gehört schon eine Unverfrorenheit dazu, von mir die Miete nunmehr einzuklagen, und selbst meine Sachen im Werte von ca. DM 600,- widerrechtlich zurück behalten. Den Prozess hast du verloren, liebe Mama. Aber gewarnt habe ich dich schon im Dezember vor diesem Schritt.
Herr Dr. Römer hat freundlicherweise das Mandat für mich übernommen, damit vermieden wird, dass ich bei Gericht mit Frau Schiele zusammen treffe und von ihr - wie schon früher üblich - beschimpft werde.


Donnerstag, 2. März 1950

Auch lachen muss man können. Wir wollten in den Zeichenfilm "Schneewittchen" gehen, bekamen aber keine Karten, so dass wir nach einem längeren Spaziergang durch die Stadt in einem Vorstadtkino (Urania, Ehrenfeld) landeten und uns dort den Film "Krach im Hinterhaus" in der neuen Verfilmung ansahen. Wir haben tüchtig gelacht und einmal allen Unsinn des Lebens von der parodistischen Seite her genommen. Nur so ist eigentlich der tierische Lebensernst zu ertragen.


Freitag, 3. März 1950

Heute bekam ich wiederum DM 50,- von Herrn Dr. Römer. Mit welcher Freude gehe ich da an die Arbeit.


Sonntag, 5. März 1950

Und nun haben wir den Zeichentrickfilm "Schneewittchen und die 7 Zwerge" doch noch gesehen. Ein Meisterwerk von einem psychologischen Einfühlungsvermögen, wie es der Regisseur beim Schauspieler nicht besser erzielen kann. Und diese Art des Films hat alle Möglichkeiten offen, dem Zeichner lässt sich alles, Kulissen brauchen nicht gebaut zu werden. Der Film Schneewittchen brachte uns hiervon schon eine beachtliche Kostprobe.


Montag, 6. März 1950

Heute beginnt meine einwöchige Ausbildung im Strafvollzugsdienst in der Haftanstalt Klingelpütz. Wurde heute mit den Zellen, der Aufnahme und der Gefängniskirche bekannt gemacht. Vor allem die peinliche Sauberkeit fällt mir angenehm auf.


Dienstag, 7. März 1950

Heute wurde ich und zwei weitere Referendare ins Arbeitshaus geführt, wo die modernsten Maschinen stehen. Leider kommen sie nicht voll zur Ausnutzung, da nur Häftlinge mit einer Strafe bis zu 3 Monaten Gefängnis in Köln einsitzen und daher ein ständiges Kommen und Gehen ist.
Anschließend wurden wir dem Gefängnisarzt Dr. Med. Rat Dr. Würfler vorgestellt, der uns einen interessanten Bericht über seine Tätigkeit gab.
Nachmittags habe ich mit Mutter einen hochwertigen Minimalfilm "Der dritte Mann" gesehen.


Mittwoch, 8. März 1950

Heute Nachmittag sind Mutter, Trude und ich auf die Venloer Straße gegangen, eigentlich ohne bestimmtes Ziel. Und dennoch habe ich für Trude eine schöne blaue Handtasche zum Namenstag und eine weinrote Kommissionstasche für sie zu Ostern. Ich freue mich, ihr damit Freude machen zu können.
An diesem Tage im Jahre 1919 wurde mein Freund Willy geboren; er würde heute 32 Jahre alt, wenn der Herrgott ein Einsehen gehabt und auch diesen guten Menschen zurückgeschickt hätte aus der russischen Hölle.
Wenn mir auch der genaue Geburtstag Willys entfallen war - ich behalte kaum derartige Daten - so bin ich doch Willy dankbar für alle Lehren, die er mir vermittelt hat und dafür, dass er mich gelehrt hat, gütig zu sein.


Donnerstag, 9. März 1950

Die letzten, hoffentlich die letzten überhaupt zu unseren Lebzeiten! Marken brauchen wir nunmehr keine mehr, höchstens etwas mehr Geld. Aber das letzte der uns so lange treu gebliebenen Requisiten einer verrückten Zeit soll hier verewigt werden.



Freitag, 10. März 1950

Habe gestern die an sich zu kurze Ausbildung im Strafvollzug im Klingelpütz beendet. Es war ein - teils erschütternder, in jedem Falle jedoch anregender und zum Nachdenken stimmender Eindruck.
Gleichzeitig las ich das von dem Gerichtsmediziner Esser geschriebene Buch: "Absage des Menschen", welches meinen Eindruck vom Strafvollzug noch vertiefte.


Montag, 13. März 1950

Habe wieder bei der Staatsanwaltschaft meinen Dienst angetreten, jedoch nur noch für drei Tage.


Mittwoch, 15. März 1950

Dienst bei der Staatsanwaltschaft beendet. Habe mich von Staatsanwalt Dr. Gierlich verabschiedet. Er war ein fähiger und viel wissender Ausbilder, der allerdings durch seine Launenhaftigkeit den Dienst teils etwas erschwerte.


Donnerstag, 16. März 1950

Eine halbe Stunde Ausbildung beim Rechtspfleger. Und dann hinein in den Namenstag. Denn heute ist Gedenktag für den hl. Heribert.
Habe von Trude ein Paar schöne braune Schuhe bekommen, und ein Schlüsseletui. Mutter schenkte Trude (die morgen Namenstag hat) und mir zwei Blaublütengedecke. Hans-Helmut bedachte uns mit einer Schallplatte: Erna Berger singt darauf: Man nennt mich nur Mimi und der Walzer der Muisett aus La Bohème. Eine schöne Schallplatte, die wir alle sehr begrüßt haben.
Mittags gab's zur Feier des Tages Koteletts. Nachmittags Butterkremkuchen.
Abends besuchten uns Matthias, Günter Faber, sowie Hilde und Caspar Wolff. Es wurde ein recht angeregter Abend bei Wermutwein, Kartoffelsalat und Wööschjer. Trude bekam von mir eine dunkelblaue Handtasche, Lakritz, Salmiakpastillen und Birnen. die letzteren Dinge auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin, und eine Flasche Wein.


Freitag, 17. März 1950

Nachmittags suchten wir Großmutter auf, welche mit Trude zusammen heute Namenstag hat.


Samstag, 18. März 1950

Morgens war ich bei Herrn Dr. Römer. Ich verstehe mich sehr gut mit ihm. Er gab mir auch wieder Vorschuss, womit wir uns weitere Anschaffungen machen können, denn am 11.4.50 waren wir, Mutter, Trude und ich in Sindorf bei dem Schneidermeister Wassong, und haben uns für Trude einen blauen Übergangsmantel und für mich einen blauen Anzug bestellt. Kostenpunkt zusammen ca. 500,- DM Anschließend waren wir zu Tante Grete gegangen und erfuhren dort zu unserem Erstaunen, dass Käthchen inzwischen einen Stammhalter geboren hat. Auf der Heimfahrt nehmen wir eine Kiste mit Büchern mit, die dort seit fast 3 Jahren lagerten.
Nun wieder zu Dr. Römer. Telefonisch erfuhr er vom Gericht, dass ich zu ihm überwiesen bin, damit ist für die nächsten Monate über meine weitere Ausbildung - und meines Erachtens für mich günstig - entschieden.
Abends haben Mutter, Trude und ich Wein getrunken, Trudes Namenstagswein, der vorzüglich mundete. Und dabei las ich Rilkes "Cormet" vor, der uns alle in gehobene Stimmung versetzte.


Sonntag, 19. März 1950

Heute haben wir alle Tante Finchen im Krankenhaus in der Schönsteinstraße besucht, die dort seit dem 14.3. wegen Lungenentzündung einliegt. Sie und ihr Mann, Onkel Josef, haben im Übrigen heute noch Namenstag.


Montag, 20. März 1950

Abends war mein Klassenkamerad Fröhlich bei uns zu Hause, traf mich jedoch nicht an, weil ich jeden Abend bis ca. 19 Uhr bei Herrn Dr. Römer beschäftigt bin.
Der Besuch galt vor allem der Klärung der Frage, wann und wo das nächste Klassentreffen stattfinden soll.


Dienstag, 21. März 1950

Frühlingsanfang. Und heute beginne ich meine Tage bei Herrn Dr. Römer, nachdem ich gestern mich von meinem Staatsanwalt (Dr. Heinz Gierlich) verabschiedet hatte. Ich freue mich darauf, nunmehr ganz im Dienste des Dr. Römer tätig zu sein.
Heute Morgen habe ich vor der 1. Kammer für Handelssachen meinen Pflichtvortrag gehalten, der mir, glaube ich, ganz gut gelungen ist.


Mittwoch, 23. März 1950

Nach dem Dienst bin ich mit Dr. Römer in eine Gaststätte gegangen und habe dort mit ihm zu Abend gegessen (Speckschnitten) und Bier und Weinbrand getrunken. Etwas angeschlagen kam ich nach Hause.
Ich freue mich ehrlich über das kollegiale Verhalten meines Chefs.


Freitag, 25. März 1950

Und wieder bekam ich 50,- DM von Dr. Römer, also bisher jede Woche 50,- DM. Jetzt können wir tüchtig anschaffen.


Samstag, 26. März 1950

Heute vor 70 Jahren wurde Papa geboren. Ein liebes, mildtätiges, arbeitsreiches und doch wenig frohes Leben begann.
Papa hat eine schwere Jugend gehabt und hat sie mit einer nicht weniger schweren Ehezeit vertauscht. Wie gerne hätte ich ihm die Tage leichter gemacht; doch er starb, als ich noch nicht daran denken konnte, für ihn zu leben.


Montag, 27. März 1950

Trude hat sich einen recht netten dunkelblauen "feschen" Hut gekauft. Es geht auch oben aufwärts.


Dienstag, 28. März 1950

Heute antwortete mein Vetter Josef aus Zell an der Mosel auf meinen Brief und bediente sich eines sehr freundschaftlichen Tons. Gleichzeitig schickte er mir das erbetene Weinangebot. Feine Sachen, aber, wer soll das bezahlen? Wie es in einem Karnevalslied diss Jahr so schön hieß.


Mittwoch, 29. März 1950

Für meine Dienste, die ich einem Nachbarn, Herrn Kremer in der Liebigstraße, bei einer Versicherungsanstalt erwies und die ihm zu einem für ihn sehr vorteilhaften Vergleich verhalfen, schickte er mir heute einen Briefumschlag. Inhalt: DM 60,-. Trude hat sich gleich dafür einen türkisfarbenen Übergangsmantel gekauft. Ich war froh, ihr hierfür das Geld geben zu können.
Abends aß ich wieder mit Herrn Dr. Römer und mit seinem Bürovorstehen, Herrn Friedel, Speckschnitten zu Bier und Weinbrand.


Donnerstag, 30. März 1950

Morgens trat ich in einem Strafprozess gegen Hoffmann wegen Stromdiebstahls als Zeuge auf (7. Strafkammer). Mittags traf ich mit Trude und Mutter und Hans-Helmut bei Enders und Dyckhoff zusammen, wo wir für mich einen sehr schönen Anzug kauften. Für Hans-Helmut kauften wir einen Kommunionsanzug.
Das Kaufen macht Spaß. Weil wir Geld von drum.


Freitag, 31. März 1950

Heute früh hielt ich vor der 10. Zivilkammer meinen zweiten Pflichtvortrag. Trotz eines Lobs über meinen Vortrag durch den Vorsitzenden wurde unsere Klage abgewiesen. Das Urteil hatte schon fertig in der Schublade gelegen. Abends erhielt ich wiederum von Herrn Dr. Römer DM 50,-.
Durch ein Telefongespräch wurde ich durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Rottländer bei Herrn Dr. Römer ausgeliehen. Ich suchte ihn also abends auf und unterhielt mich mit ihm ca. 1 Stunde über die Abfassung eines Schriftsatzes in einer Sache, in der ich bei der 3. Zivilkammer bereits eine Relation geschrieben hatte.
Abends brachte ich Trude zum Vorabend unseres halbjährigen Hochzeitstags eine Flasche Wein und übergebe ihr offiziell die schon früher gekaufte (und bereits vorgespielte) von ihr sehnlichst erwünschte Schallplatte: Mozarts Zauberflöte, In den heiligen Hallen und O Iris und Dsiriz, gesungen von Georg Hamm. Dabei dann tranken wir auf das nächste halbe Jahr und dass es so erfolgreich sein möge wie das vergangene, und dass es uns ein Kindchen bringe, welches sich, wie Trude glaubt, schon mit sanftem Klopfen bemerkbar macht.


 

April

Samstag, 1. April 1950

Heute fuhren Trude und ich zur zweiten Anprobe zu unserem Schneider nach Sindorf, wo Trude einen blauen Mantel und ich einen taubenblauen Anzug in Arbeit haben. Vorigen Samstag waren wir zur ersten Anprobe dort gewesen. Die Hose habe ich heute schon mitgenommen. Ein ausgesprochen eleganter Anzug wird das.


Sonntag, 2. April 1950

Vormittags einen Schriftsatz für Dr. Römer ausgearbeitet. Mittags sind Trude, Mutter und ich nach Sülz gefahren und haben in den Sülzburg-Lichtspielen den ausgezeichneten Film "Hamlet" mit Laurence Olivier in der Titelrolle gesehen. Eine bewunderungswerte Leistung. Drehbuch ist das Schauspiel Shakespeares in der Übersetzung Schlegel-Tinecks. Ich habe Hamlet noch nicht so tief empfunden, nacherlebt und verstanden wie heute.



Montag, 3. April 1950

Weil wir uns in der letzten Zeit so viel angeschafft haben, haben wir es für notwendig erachtet, dies mit einer Schallplatte entsprechend zu würdigen. Erfolg: Kosakenplatte: Abendglocken und Legende von den 12 Räubern.


Freitag, 7. April 1950

Karfreitag. Abends im Radio die Johannes-Passion von Bach gehört, haben das Evangelium vor uns liegen und sind den Gesängen mit Interesse gefolgt.


Samstag, 8. April 1950

Habe Trude für Ostern eine weinrote Kommissionstasche, die wir vor Wochen schon ausgesucht hatten, gekauft. Nachmittags habe ich bei unserem Schneider in Sindorf Trudis Mantel (blauer Hänger) und meinen Anzug (taubengrau) abgeholt. Dann habe ich, allerdings heute Vormittag schon, noch eine Osterschallplatte geholt: Puccini, La Bohème, Ach, Geliebte, wie kehrst du mir wieder, und Verdi, Macht des Schicksals, In dieser feierlichen Stunde, gesungen von Schlußnuß und Patazy.
Für Hans-Helmut haben wir Osternestchen versteckt, gefüllt und mit Eiern und allen möglichen Süßigkeiten.
Herr Dr. Römer hat mir außer einem weiteren Honorarvorschuss von 50,- DM eine Flasche Weinbrand zu Ostern gegeben.


Sonntag, 9. April 1950

Ostern. Wir haben uns alle mit unseren Geschenken recht viel Freude gemacht. Und ich bin von unserer Osterplatte restlos begeistert. Vor allem das Duett: In dieser feierlichen Stunde, hat's mir angetan.
Und Dr. Römers Weinbrand schmeckt vorzüglich.
Und bei dem schönen Opernkonzert am Abend im Rundfunk kann uns auch der Regen, der den ganzen Tag anhielt, nichts anhaben.


Montag, 10. April 1950

Auch der Ostermontag verlief bei einigen Gedichten und Dialogen aus dem Faust Goethes sehr friedlich.


Dienstag, 11. April 1950

Ich bin schon öfter mit Herrn Dr. Römer aus gewesen, wobei es mit einigen "Speckschnittchen" ganz harmlos anfing, und jedoch meist mit Bier und Kognak endete. Heute Abend aber zog es sich ziemlich in die Länge. Gegen 24 Uhr nachts kam ich nach Hause, betrunken, wie selten, und ich habe viel Mühe gehabt, vernünftig ins Bett zu kommen. Habe jedenfalls ziemlich lange auf dem Klo gehockt, und als Trude mich schließlich wegen des allzu langen Aufenthalts dort wegziehen wollte, hielt ich mich mit Liebe am Klodeckel fest, der darauf zerbrach- Ein Grund für einen neuen, schon längst fälligen Deckel.


Mittwoch, 12. April 1950

Und diese Leere morgens, und der Haarspitzenkatarrh. Auch Dr. Römer, der im Büro geschlafen hatte, kam gar nicht zu sich. Abends hörten wir, Mutter, Trude und ich, eine Sendung über Franz Liszt, von München kommend, sehr eindrucksvoll.


Freitag, 14. April 1950

Morgens erledigte ich Verschiedenes in der Stadt. Bei dieser Gelegenheit erfuhrt ich im Kaufhof, dass der Märklin Zusatzkasten für Hans-Helmut gekommen sei. Eigentlich haben wir schon mangels Finanzen davon Abstand nehmen wollen, doch jetzt ... und ich baue ja auch so gern.
Mittags erhielten wir endlich die so lange erwartete Versicherungsauszahlung für Trude, ohne die unsere Kommunionsfeier höchst problematisch geworden wäre. Und dann kam mittags auch eine Kiste Wein von Vetter Josef aus Zell. Und der 49er schmeckt vorzüglich. Habe gleich Herrn Dr. Römer eine Flasche spendiert. Er als versierter Weinfeinschmecker wird meine Ansicht von der Güte des Weins nur bestätigen.
Nachmittags holte ich den Märklinbaukasten für Hans-Helmut, den Trude und ich ihm zur Kommunion schenken werden.
Trude hat schon weiß Gott wie viele Kuchen gebacken. Sie ist mächtig beschäftigt.


Samstag, 15. April 1950

Heute Vormittag bin ich mit Herrn Dr. Römer zu einer Versteigerung gegangen. Ein richtiges Fieber packte mich und nicht ohne Grund. Denn es ist erstaunlich, wie billig wirklich brauchbare Sachen hier weggehen. Dr. Römer ersteigert ein Ölgemälde für DM 75,-.
Mittags kam der erste Vorbote des Kommunionsbesuchs. Tante Käthchen aus der Eifel. Ich holte inzwischen noch Wein und machte mich allenthalben nützlich. Denn wir erwarten ziemlich viel Besuch.


Sonntag, 16. April 1950

Hans-Helmuts 1. hl. Kommunion.

:


Hengas handschriftlicher Bericht

Die 1. hl. Kommunion des kleinen Hans-Helmut war gleichzeitig Anlass zu einem recht schönen Familientreffen. Viele Angehörige von Mutter und Vater Braß gaben sich in unserem Hause ein fröhliches Stell-Dich-Ein.
Großmutter Braß kam in Frische und guter Laune, auch Mumm und Christel, Onkel Peter und Tante Traudchen, Finchen, Josef, Wolfgang und Manfred, Onkel Heinrich und Tante Käthchen, Matthias und Karin saßen um unseren Tisch bei einer gemütlichen Mahlzeit, vielem Kuchen und einer schmackhaften Bowle. Der Abend war ein schöner Erfolg. Etwas angeschlagen, jedoch bei bester Laune ging die Familie auseinander. Wozu eine Kommunion nicht allemal gut ist.


Die Bilder, die wir mit Hans-Helmuts Kommunionsphotoapparat aufgenommen haben, sind sehr nett geworden. Jedenfalls sind wir alle sehr zufrieden mit ihnen. Mehr ist eben aus unseren ausdruckslosen Gesichtern nicht zu machen.


Montag, 17. April 1950

Nachmittags hielten wir noch ein kleines Kaffeekränzchen mit Hausnachbarn; Kaffee und Kuchen sind noch reichlich vorhanden, denn Mutter Braß lebt noch in der Angst, ihren Gästen nicht genug vorsetzen zu können, und die Folge dessen ist, dass für Regimenter gekocht und gebacken wird und im Übrigen das Essen für eine ganze Woche im Voraus bereit ist. Das ist jedoch besser als umgekehrt.


Dienstag, 18. April 1950

Ein trauriger Tag eigentlich. Hatte heute Morgen in dem Prozess, den meine Mutter, Frau Schiele, gegen mich angestrengt hat, Termin. Zwar hat Herr Dr. Römer mich vertreten, so dass ich selbst meiner Mutter nicht gegenüber zu treten brauchte. Dennoch hat meine Mutter sich nicht davon abhalten lassen, vor Gericht in den unflätigsten Tönen über mich herzuziehen, so dass Herr Dr. Römer mir von jedem Nachgeben abraten musste.
Der Hass, den meine Mutter gegen mich aus mir unerfindlichen Gründen aufgespeichert, wird sie jetzt, da sie einmal den Schritt zum Gericht gewagt hat, von Termin zu Termin jagen und sie - und schließlich auch mich - nicht mehr zur Ruhe kommen lassen. Welches Glück, dass ich bei Trude und Mutter Braß sowie Hans-Helmut in Geborgenheit leben kann.


Freitag, 21. April 1950

Ruhe und Geborgenheit sind das Unterpfand wahrer Glückseligkeit, und das Zusammensein bei einer Flasche Wein, dem besten Bindemittel froher Herzen, ist eine Kraftquelle, aus der immer wieder geschöpft werden kann.
Und bei diesem Wein las ich zum Ergötzen von Trude und Mutter Braß die Novelle Gottfried Kellers "Kleider machen Leute" vor, wodurch der Abend wieder zu einem schönen Erlebnis geworden ist.


Samstag, 22. April 1950

Herr Dr. Römer gab mir heute, weil ich für April schon honoriert bin, den ersten Vorschuss auf den Monat Mai. (DM 50,-)
Gibt es noch einen besseren Chef.
Abends traf sich auf meine Einladung hin meine Abiturientenklasse in der Gastwirtschaft Früh am Dom zu einem recht netten geselligen Abend.
In der gleichen Zeit gingen Trude und Mutter Braß in den Film "Fledermaus", aus dem sie begeistert und übermütig zurückkehrten.


Sonntag, 23. April 1950

Nachdem Trude, Mutter Braß und ich gestern Morgen in einem Seelenamt für Papa gewesen sind, haben Trude und ich heute früh Papas Grab aufgesucht, ihm ein Blümchen gebracht und ihm zu seinem heutigen Namenstag gratuliert.
Mittags tranken Trude, Mutter und ich einen vorzüglichen, einen wirklich hervorragenden Moselwein aus der Sendung von Vetter Josef aus Zell aus Anlass des morgigen Namenstages von Mutter Braß und des ebenfalls morgen stattfindenden Geburtstags von Paulchen, der dann drei Jahre alt wird.
Nachmittags kamen Karin und Matthias sowie Frau Krux zu einem netten Kaffee zu uns, auch Onkel Heinrich nahm daran teil, der sich noch nicht entschließen konnte, nach Hause zu fahren. Ich selbst habe gegen Abend zusammen mit Hans-Helmut aus dem Märklinbaukasten einen feinen Drehkran gebaut.
Wirklich ein schöner Sonntag. Und zum Namenstag habe ich Mutter Braß eine Donkosakenschallplatte geschenkt: und zwar das Credo aus der Liturgie aOtublica und dem Choral: Herr öffne mir die Türe.


Donnerstag, 27. April 1950

Frau Schiele, meine Mutter, macht jetzt, wie man in Köln sagt: Nääl met Köpp. Sie hat die gerichtliche Aufhebung der Adoption beantragt. Musste also heute früh zum Vormundschaftsrichter A.G. Rat Dr. Schlechter, der mich sehr freundlich empfing und sich durch mich davon überzeugen ließ, dass meine Mutter die Aufhebung der Adoption nur darum nachsucht, weil sie mich aus der Erbfolge ausschließen will und ihr eine andere Möglichkeit - z.B. Enterbung - nicht zur Verfügung steht. Eine freiwillige Aufhebung der Adoption durch Vertrag habe ich entschieden abgelehnt.



Freitag, 28. April 1950

Trude ist heute früh mit mir zusammen zu Herrn Dr. Römer gegangen, nachdem sie sich zuvor noch schnell ein Paar hübsche Lederhandschuhe in dunkelblau gekauft hatte. Ich habe Trude mitgenommen, weil wir zusammen sodann zum Gericht fahren wollen, Trude soll nämlich heute früh vom Vormundschaftsrichter ebenfalls gehört werden.
Am Gericht hat Trude einen kleinen Einblick in den Anwaltsbetrieb genommen und ist schließlich zum Vormundschaftsrichter gegangen, während ich zwischenzeitlich für Herrn Dr. Römer zwei Termine wahrnahm. Dann sind Trude und ich, beide zuversichtlich, nach Hause gefahren, denn der Vormundschaftsrichter wird zu unseren Gunsten entscheiden.
Nachmittags ging ich zu Dr. Römer und nach Dienstschluss mit ihm und dem Bürovorsteher Herrn Friedel in die Stammgaststätte Ecke Gilbach- und Gladbacherstraße. Es wurde, nachdem wir uns noch an den Tisch einer jungenDame gesetzt hatten und auch der Sohn von Dr. Römer, Horst, dazugekommen war, bei 49iger Mosel 24 Uhr, ehe wir nach Hause aufbrachen. Und ich war leicht angeschlagen und schwer lustig.


Sonntag, 30. April 1950

Onkel Heinrich aus der Eifel ist seit der Kommunion von Hans-Helmut noch bei uns und ich habe heute mit ihm einmal seinen Fall "den Verlust seines Tabakwarengeschäfts" durchsprechen können. Ich glaube, dass ich ihm Hoffnung machen kann. Wir wollen zunächst das Armenrecht beantragen. Dr. Römer nimmt das Mandat an, so dass die Sache offiziellen Charakter bekommt.
Hoffentlich kann ich Onkel Heinrich helfen, damit er aus seinem Grübeln heraus kommt.


 

Mai

Mittwoch, 3. Mai 1950

Trudi hat ihre Strickarbeit an einem wundervollen dunkelroten, sandfarben durchsetzten Strickkleid, bis auf die Ärmel, beendet. Sie ist ein fleißiges, geschicktes Mädchen.
Und heute hat sie auch noch Stoff zur Anfertigung eines Umstandskleids gekauft, denn so langsam sieht man das kleine Bäuchlein. Zu ihrer Ehre muss ich jedoch sagen, dass Trudi sich vorzüglich hält, so dass ihr niemand 6 Monate Schwangerschaft ansieht.


Donnerstag, 4. Mai 1950

Trude hat den Arzt aufgesucht. Am 30. August ungefähr kommt ein kleiner Erdenbürger zur Welt, sofern alles gut geht. Der Arzt jedenfalls, Herr Dr. Benz, meint, dass alles in Ordnung sei.


Freitag, 5. Mai 1950

Trude hat damit begonnen, die Tischdecken zu besticken, die Großmutter Braß uns zur Hochzeit geschenkt hatte. Sie macht es sehr fein und mit großer Begeisterung.


Samstag, 6. Mai 1950

Herr Dr. Römer gab mir heute bereits die letzte Mai-Rate von DM 50,-, so dass er mir also seit dem 17.2.50 jede Woche 50,- DM gegeben hat. Dadurch wurden wir in die Lage versetzt, uns sehr viel anzuschaffen. Mit welcher Dankbarkeit kann ich nur an Dr. Römer denken. Und nicht zuletzt auch wird er mir in Erinnerung bleiben, weil er mir den Genuss an der Zigarre vermittelt hat. Herr Dr. Römer spendet mir eifrig Zigarren und ich bin auf den Geschmack gekommen. An Zigarren lag mir von jeher nicht viel und jetzt liegt mir gar richtig mehr daran.


Sonntag, 7. Mai 1950

Trude, Hans-Helmut und ich sind heute, Sonntag Vormittag durch die Stadt spaziert und haben uns die Bau-Fortschritte angesehen, wobei wir über die Hohenzollernbrücke, deren dritter Bogen soeben gehoben wird, in das Deutzer Messegelände gerieten, wo zur Zeit eine große Photo- und Kinoausstellung stattfindet. Über die Hängebrücke gingen wir nach Köln zurück; auf dem Heumarkt kauften wir im Gürzenichzelt noch drei Aufbaulose zugunsten des Gürzenich, der nun schon sein Betondach hat. und warten darauf, dass wir mit dem Hauptgewinn herauskommen.


Montag, 8. Mai 1950

Heute Abend lud Herr Dr. Römer den Bürovorsteher und mich wieder zu jenen ominösen Speckschnittchen in der Stammwirtschaft ein. Danach gingen wir in die in Trümmern liegende Gaststätte auf der Gladbacherstr. bei Toni Schuh und aßen Würstchen und Brötchen, wobei kräftig Bier und Weinbrand getrunken wurde. Sodann wollten wir zur Bahn, aber, leider lag auf dem Weg noch eine Wirtschaft, Ecke Gladbacher- und Werderstraße, so dass auch diese noch mitgenommen wurde. Um 12 Uhr ging ich schwankend und gut gelaunt nach Hause.


Dienstag, 9. Mai 1950

Herr Dr. Römer war morgens nicht da. Wahrscheinlich nicht "vernehmungsfähig"! Ich habe die Termine bei Gericht wahrgenommen. Mittags war mein Chef da und lud den anderen Referendar Dudek und mich bei Schuh (Gaststätte) zu Würstchen, Brot und Weinbrand ein, wobei er uns in seliger Laune den Rat gab, die Jugend zu nutzen, da das Alter zu schnell komme. Nachmittags war Dr. Römer stark angeschlagen, zumal er noch zwei Flaschen Weinbrand gekauft und mit ins Büro genommen hatte. Dort versorgte er sich und die Klientel fleißig mit Alkohol, von einer vernünftigen Beratung war wahrscheinlich keine Rede. Ich musste auch hier und da einspringen, weil ich etwas klarer war.
Abends lud Herr Dr. Römer uns, d.h. Frl. Ursel Broicher, unseren Lehrling, Herrn Friedel, seinen Sohn Horst Römer und mich zu einem geradezu feudalen Abendessen (Wiener Schnitzel) ein. Es war wundervoll.
Trude und Mutter brachte ich eine Tafel Schokolade mit, da sie etwas von meiner Freude wenigstens mit haben sollten.


Mittwoch, 10. Mai 1950

Heute Nachmittag ist Ohm Hein abgefahren. Schade. Er ist ein gemütlicher Mann, der Ruhe un Genööchlichkeit ausstrahlt.


Donnerstag, 11. Mai 1950

Habe heute durch Dr. Römer in meinem Prozess gegen meine Mutter (Frau Schiele) Widerklage auf Herausgabe meiner Sachen erhoben. Warum noch Rücksicht nehmen bei so viel Rücksichtslosigkeit.


Freitag, 12. Mai 1950


Es fing so harmlos an. Gestern kam die Anzeige von Vetter Josef. Heute Morgen sah Trudi einen Kaminfeger auf dem Dach des gegenüber liegenden Hauses. Das musste Glück bringen. Als ich vom Gericht zurück kam, verfrüht übrigens, weil die Arbeitsgemeinschaft ausfiel, schlug ich Trudi vor, auf das Wohl des kleinen Karl-Josef Gilles zu trinken; Mutter und Hans-Helmut waren auf dem Friedhof. Wir öffneten eine 49er, die uns wie letztes Mal ausgezeichnet mundete. So gut, dass wir noch einmal einen Griff in den Schrank taten und einen Merler Fettgarten öffneten. Auch dieser war gut, ein würziger, kräftiger Wein mit gutem Aroma. Und dann, Mutter war schon zurück, tranken wir noch einen 47er Schwarze Katz, einen milden, guten Wein; und dann waren wir des Weines voll, selig und glücklich.
Trude sang im Bett drollige Lieder, z.B.: Kam der Gustav geflogen, setzt sich nieder auf mein' Fuß, hat ein Flascherl im Schnabel, und vom Gustav einen Gruß. Gustav ist der Vorname von Herrn Dr. Römer, dem wir alles Schöne der letzten Monate zu verdanken haben, denn nur durch seine großherzige Honorierung erst konnten wir uns eine Kiste Wein leisten. Daher die Begeisterung für "Gustav" in Trudes weinseligen Liedern.
Und ich musste mittags mit angeschlagenem Sinn zu Herrn Dr. Römer in den Dienst. Es ging jedoch nach einiger Überwindung alles gut.
Und der Kaminfeger hatte doch Recht. Wenn das Glück nicht von selber kommt, muss man's bei der Hans fassen und mitziehen.


Samstag, 13. Mai 1950

Herr Dr. Römer gab mir heute bereits die erste Juni-Rate. Darauf haben Trude und ich zum Muttertag eingekauft. Für Trude selbst ein dunkel-blaues Portemonnaie, für Mutti einen lachsfarbenen Unterrock, für mich (ich bin zwar keine Mutter) drei Netzunterjäckchen.
Und abends haben wir als Vorschuss auf den Muttertag ein Flascherl Wein getrunken, diesmal eine 1938er Zeller Schwarze Katz, die für meinen Geschmack etwas zu süß, aber voll reifstem Aroma ist. Trude und Mutti war auch das Süße gerade Recht. Unsere Weinsendung geht jedoch langsam zu Ende, oh weh, was machen wir da?


Sonntag, 14. Mai 1950

Muttertag. Morgens gingen Trude und ich zum Friedhof und suchten das Grab Papas, von Trudes Großmutter (Neuburg) und Großvater (Braß) auf. Der Friedhof leuchtet in tausend Fliederblüten.
Nachmittags machten wir mit Karin und Matthias zusammen einen Muttertagskaffee, der sich bis zum Abend hinzog.


Dienstag, 16. Mai 1950

Heute Abend habe ich mit Herrn Dr. Römer und dem Bürovorsteher wieder einige Bierchen getrunken. Herr Dr. Römer meint, das gehöre auch zur Referendarausbildung.
Als ich nach Hause kam, waren Onkel Josef (Braß) und seine Frau Finchen zu Besuch. Jupp hat im Wohnzimmer eine elektrische Serienschaltung angelegt.


Donnerstag, 18. Mai 1950

Christi Himmelfahrt - Vatertag.
Etikett eines Mosel-Saar-Ruwer 1937er Kestener Niederberg
Muss ich noch mehr schreiben?
Ja, ich muss diesem Wein ein Loblied singen. Sein Aroma ist so duftig, dass man meinen könnte, man ginge durch die Weinberge und liebkose die Trauben. Und der Geschmack versetzt einen in die Atmosphäre einer erlauchten Gesellschaft. Wirklich, ein ausgezeichneter, bekömmlicher Wein, des Vatertages würdig.


Freitag, 19. Mai 1950

Herr Baron, der alte Getreue unserer Familie, bat mich brieflich um meinen sofortigen Besuch. Abends ging ich zu ihm. Er teilte mir mit, dass Frau Schiele sehr böse Dinge gegen mich im Schilde führe. So will sie mir heute einen Strick daraus drehen, dass ich vor 5 Jahren einige juristische Bücher aus dem Schutt des Gerichtsgebäudes am Reichensperger Platz rettete und mit nach Hause nahm.
Welch mütterliche Gefühle, die nur darauf ausgehen, dem Sohn zu schaden, gleichgültig wie.
Mama scheint den zur Zeit schwebenden Rechtsstreit bis zur letzten Konsequenz durchführen zu wollen. Mich macht sie nicht bange.


Samstag, 20. Mai 1950

Schon wieder 50,- DM von Herrn Dr. Römer. Wenn wir ihn nicht hätten. Aber wie lange noch, ich denke schon etwas wehmütig an die Zeit, da meine Stage bei ihm beendet sein wird. Nicht nur wegen ds Geldes. Vor allem, weil ich einen ausgezeichneten Ausbilder und Menschen verlassen muss.
Soeben hat Trudi ihre Arbeiten an ihrem Strickkleid beendet; eine wundervolle Arbeit. Trude kann stolz sein auf ihre Fertigkeit, und ich kann stolz sein auf meine Frau.
Um 8 Uhr abends holte Günter Faber uns, Trudi und mich, zu einem kleinen gemütlichen Abend in Fabers Wohnung ab. Es wurde tatsächlich recht nett und wir haben bis fast 4 Uhr früh bei guten Getränken getagt.


Sonntag, 21. Mai 1950

Heute, Sonntag Vormittag, haben Trude und ich gemeinsam mit Richard Faber dessen Mutter im Krankenhaus (Kunibert) besucht, wo sie schon seit 10 Wochen liegt und 2 x wegen eines Gallenleidens operiert worden ist.


Samstag, 27. Mai 1950

Nachdem ich bei Herrn RA Dr. Römer noch den dritten Vorschuss für Juni in Höhe von 50,- DM bekommen habe, fuhr ich mit Trudi heute Mittag in die Eifel, bei strömendem Regen. Um 18 Uhr waren wir bei Onkel Heinrich und Tante Käthchen. Auch bei strömendem Regen.


Sonntag, 28. Mai 1950

Ein verregneter Pfingstsonntag in Schloßthal in der Eifel. Gutes Essen. Aber ich habe Magenbeschwerden. Wie immer, wenn ich von Köln fortfahre.


Montag, 29. Mai 1950

Der Himmel wird heiter. Morgens waren Tante Käthchen, Trude und ich in Ahrhütte und Hungburg, Promenadi causa. Nachmittags hielten wir uns auf der "Burg" d.h. also auf den Ruinen der Burg auf. Ein sehr schöner ruhiger Tag.


Dienstag, 30. Mai 1950

Trudi hat mich zum vollen Autobus begleitet. Unterwegs sagte sie: Der Kleine läuft auch schon mit. Unser Nachwuchs macht sich deutlich bemerkbar.
Mittags wieder in Köln, nachdem es mir zwischendurch sehr übel war.
Nachmittags Dienst bei Dr. Römer. Ich bin wieder im Alltagstrott. Hoffentlich verlebt Trudi in Schloßthal indes recht schöne Wochen.


Mittwoch, 31. Mai 1950

In der Praxis von Dr. Römer beginnen die Vorbereitungen zur Abreise meines Chefs in einen 14-tägigen Kuraufenthalt.


 

Juni

Donnerstag, 1. Juni 1950

Von meinem lieben Tüttchen erhielt ich heute die erste Post. Unter anderem schreibt Trude: Um 9 1/4 traf ich wieder wohlbehalten auf der Burg an. Kurz bevor ich am Kalkofen war, wurde dort gesprengt. "Der dritte Mann" und ich haben uns furchtbar erschreckt. Im Augenblick ist d.d.M. damit beschäftigt, seinen Teil Milchknödelbrei zu sich zu nehmen; er hat nämlich sehr viel Hunger, weil wir, Tante Käthchen, er und ich in Tante Elis Garten Unkraut geharkt haben. ..."
Ich finde Trudis Art, mir zu schreiben und von unserem "Hascituno" zu berichten, sehr originell und herzlich. Ein Grund mehr, Trude recht leib zu haben.


Freitag, 2. Juni 1950

Trudi schreibt pünktlich und sehr lieb. Sie hat sich ein wundervolles Sonnenwetter ausgesucht.
War nachmittags zu einer Ortsbesichtigung in der Stammheimer Straße.


Samstag, 3. Juni 1950

Heute Vormittag hat Herr Dr. Römer noch eine Abschiedsrolle gegeben. Er hat übrigens einen Antrag gestellt, mich zu seinem Vertreter amtlich zu bestellen. Ich bin ihm für dieses Vertrauen sehr dankbar. DM 50,- habe ich auch bekommen.


Sonntag, 4. Juni 1950

Sonntag Vormittag sind Mutter, Hans-Helmut und ich zum Gürzenichzelt auf dem Heumarkt gegangen, um zu sehen, ob wir mit unseren drei Losen bei der Gürzenich-Lotterie "dabei" waren. Aber nein, unser sonstiges Glück ist gut bemessen, deshalb müssen wir auf "Preise" verzichten. Anschließend sind wir nach Deutz gegangen und haben das Ausstellungsgebäude besucht. Hans-Helmut ist mit der Liliputbahn gefahren, die anlässlich der 1900 Jahrfeier der Stadt Köln gebaut worden ist.

Mittags kamen wir etwas zerschlagen nach Hause; denn es ist erdrückend heiß.
Am Spätnachmittag sind wir drei zum Stadtwald und anschließend zum Stadion gegangen und haben einen herrlichen Spaziergang gemacht, von welchem wir erst um 22 Uhr nach Hause zurückkehrten.


Montag, 5. Juni 1950

Hans-Helmut wurde in der Schule fotografiert. Das ist er:


Wir, Mutter und ich, sind nicht sehr begeistert von der Aufnahme denn die Mundpartie des Kleinen verrät uns, dass wir mit Hans-Helmut noch viele Kämpfe haben werden; ist er doch heute schon rechthaberisch und ein unangenehmer Besserwisser.
Vielleicht gelingt's uns, durch Erziehung dem Kleinen zu etwas mehr Bescheidenheit und Demut zu bringen; denn es ist meine eigene Erfahrung immer gewesen: Mit dem Hut in der Hand kommt man durch das ganze Land.


Dienstag, 6. Juni 1950

Ich leite nun allein die Praxis, nehme die Termine wahr, verhandele mit den Klienten, diktiere die Post, unterschreibe usw.. Es macht mir viel Spaß, aber die Verantwortung und die Unsicherheit in manchen Dingen, insbesondere in Fragen der Zwangsvollstreckung hat mich etwas blass gemacht. Es mag dies allerdings auch dadurch kommen, dass ich seit einigen Tagen nur noch Fleischbrühe und Zwieback verspeise.
Trude geht's blendend. Sie schreibt recht lieb, und recht viel von unserem Sprössling in spe. Herrn Dr. Römer habe ich einen "Bericht" übersandt, damit er weiß, dass ich seine Praxis noch nicht ruiniert habe.


Mittwoch, 7. Juni 1950

Heute Abend habe ich Frau Wolff ausgesucht, die mich gleich festhielt und zu einer Rheinfahrt einlud. Ich bin mit ihr, Hilde und Herrn Wolff zur Fähre gegangen und wir haben an einer Abendfahrt teilgenommen, die an Schönheit kaum zu überbieten war.
Anlässlich des morgigen Fronleichnamsfestes waren Dom und die ganze Rheinfront hell erleuchtet, auch die Deutzer Seite (Ausstellungsgebäude und Festwiese) erstrahlten in buntem Licht. Ein wundervoller Anblick, für den ich Frau Wolff sehr dankbar sein muss da durch ihre Initiative nur erst eine solche Fahrt vermittelt worden ist.


Donnerstag, 8. Juni 1950

Fronleichnam. Morgens habe ich eine Reihe recht schwieriger Schriftsätze angefertigt. Nachmittags haben wir gemütlich Kaffee getrunken. Dann sind wir, Mutter, Hans-Helmut und ich nach Köln gegangen, haben einen Blick in Dr. Römers Praxis geworfen und sind dann hinüber nach Deutz spaziert. Auf der Festwiese ist Hans-Helmut voller Begeisterung mit der Achterbahn und der Raupe gefahren. Dann haben wir auf einer Bank die Dunkelheit erwartet und das abendliche Bild Kölns in uns aufgenommen. Leider wurde die Stadt heute nicht erleuchtet, so dass wir schließlich, ein ganz klein wenig enttäuscht, über die Hohenzollernbrücke nach Hause zogen.


Freitag, 9. Juni 1950

Trude hat mir wieder mehrfach geschrieben. Sie ist glücklich in der Eifel. Herr Dr, Römer hat mir eine sehr freundliche Karte geschrieben und heute Nachmittag angerufen. Seine Praxis liegt ihm verständlicherweise sehr am Herzen.


Samstag, 10. Juni 1950

Habe heute Morgen in einer Ehescheidungssache einen Sühnetermin vor dem Einzelrichter wahrgenommen, der sehr dramatisch verlief und in welchem von "Sühne" keine Rede war.
An Trude habe ich 10,- DM im Brief gesandt, und nachmittags nochmal DM 20,--, durch Vorauszahlung, denn Herr Friedel, der Bürovorsteher, hat mir DM 50,- gegeben.
Nachmittags war ich bei einem Klienten meines Chefs, Herrn Gundlach in der Hauffstraße. Wir haben sehr gemütlich bei Schlichte, Bier und Zigarren zusammen gesessen und als ich mich verabschiedete, gab Herr Gundlach noch DM 10,- unauffällig in die Hand. Darüber habe ich mich natürlich auch sehr gefreut.


Sonntag, 11. Juni 1950

Vormittags bin ich mit Paul zu Familie Wolff gegangen um mich für die Rheinfahrt zu bedanken. Leider waren Wolffs jedoch nicht da und wir sind unverrichteter Dinge wieder zurück gegangen. Nachmittags habe ich Schriftsätze angefertigt, während Matthias Mutter und Hans-Helmut zum Geburtstagskaffee abholten. Ich war den ganzen Nachmittag alleine und habe gearbeitet. Zu Matthias zu gehen hatte ich übrigens keine sonderliche Lust.


Montag, 12. Juni 1950

Heute wurde ich mit Arbeit derart überhäuft, dass ich nicht einmal dazu kam, Trude einen Brief zu schreiben. Als Vertreter des Anwalts hängt eine ganze Portion Arbeit an mir, die ich vorher noch nicht gekannt hatte.


Dienstag, 13. Juni 1950

Nur wenig Zeit um Trude zu schreiben. Seit Tagen herrscht eine drückende Hitze, man trocknet fast aus.


Donnerstag, 15. Juni 1950

Ganz früh aufgestanden, um Trude noch schreiben zu können. Gestern kam ich nicht dazu. Habe mich heute bei der Deutschen Krankenversicherungs A.G. versichern lassen. Sicher ist sicher. Mein Chef, Herr Dr. Römer, ist heute aus dem Urlaub zum Gericht gekommen, um einen dringenden Termin selbst wahrzunehmen.
Abends habe ich mit dem Bürovorsteher, Herrn Friedel eine Flasche Wein getrunken, die eine Klientin gebracht hatte. Anschließend ging ich zu Wolffs, um meinen Sonntagsbesuch nachzuholen. Zu Hause waren Karin und Matthias. Todmüde ins Bett.
Bei der Mittelstandshilfe erfuhr ich, dass die Versicherung mir im Fall einer Niederkunft Trudes 160,- DM ersetze. Nun muss ich noch erfahren, wie hoch die Krankenhauskosten sind.


Samstag, 17. Juni 1950

Die letzten beiden Tage war ein toller Betrieb in der Praxis. Ich kam nicht zu mir selbst. Habe wieder 50,- DM erhalten.
Um 19.30 Uhr traf ich Mutter in der Stadt und wir haben eine braune Gabardinhose für mich gekauft. DM 65,-. Eine unheimliche Menge Geld. Bin mal wieder blank.
Abends Spaziergang zum Flughafen. Dort wird mächtig gebaut. Erstaunlich, was in wenigen Monaten geschafft werden kann, wenn entsprechende ___ vorliegen.


Sonntag, 18. Juni 1950

Wahlsonntag. Habe Mutter die neue Verfassung erklärt, über die wir heute abstimmen sollen. Dann sind wir nachmittags zur Wahl gegangen, haben einen Spaziergang daran angeschlossen, während Hans-Helmut bei Jutta, einer Stieftochter von Frau Steinmann (Braß) war. Sodann sind Mutter und ich in einen Film "Die Erbin" gegangen, der uns ausgezeichnet gefiel. Bei der Gelegenheit haben wir einen schönen Spaziergang gemacht. Denn wir waren im Burgtheater am Ebertplatz.


Mittwoch, 21. Juni 1950

Hochzeitstag. Heute vor einem Jahr haben Trude und ich uns standsamtlich trauen lassen.
Mutter hat ein feines Essen gemacht. Abends sind Mutter und ich zur Feier des Tages in den Film "Eroica" gegangen, der uns tief erschüttert hat. Die Musik hat für uns ganz neue Werte bekommen.
Gestern Abend habe ich einen Kriegskameraden und Mitschüler, Hans Peter Engels aufgesucht, der mich um einen juristischen Rat gebeten hatte.
Heute Nachmittag bin ich zu Wolffs gegangen im Gedenken an den 21. Juni 1935; an diesem Tag begann die Freundschaft zwischen Willy und mir.
Von Hans-Helmut haben wir heute einen Liebesbrief entdeckt, den er verstohlen auf meiner Maschine geschrieben hatte.


Samstag, 24. Juni 1950

Morgens bin ich nach Bensberg gefahren, habe einen mehrstündigen Termin wahrgenommen und bin in aller Eile nach Köln zurück gefahren, eben zum Büro von Herrn Dr. Römer geeilt und im Sturmschritt zum Westbahnhof gelaufen, wo ich noch gerade den Zug in die Eifel erreichte. In Ahrhütte holte Trude mich ab, sie sieht gut aus, ist auch kaum merklich "umfangreicher" geworden. Oben in Schloßthal wurde ich von Ohm Hein und Tante Käthchen freudig begrüßt. Nach einem guten Kaffee haben Ohm Hein und ich gefachsimpelt, juristisch natürlich. Ich habe nämlich für Ohm Hein heute früh bei der 5. Zivilkammer eine Klage gegen die Stadt Köln und die Eheleute Schiffer eingereicht, die sich in die Wohnung von Onkel Heinrich gesetzt hatten.


Sonntag, 25. Juni 1950

Morgens gingen Trude und ich ins Lamperttal, wurden aber von einem bösen Gewitter mit Regen überrascht und kamen nass nach Hause.
Nachmittags aßen wir Kirmeskuchen, denn Schloßthal feiert Kirmes. Der Tag verlief angenehm und harmonisch.


Montag, 26. Juni 1950

Morgens begann das Abschiednehmen. Es ist Onkel Heinrich und Tante Käthchen schwer gefallen, denn sie hatten sich schon an Trude in den 4 Wochen recht gut gewöhnt.
Mittags kamen wir nach Hause.
Mutter hatte ein gutes Essen gemacht. Am Samstag habe ich nämlich von Herrn Dr. Römer nicht nur 50,- DM Honorar sondern noch 10,- DM Spesen für meine Fahrt nach Bensberg bekommen. Und da konnten wir einmal üppig sein.
Nachträglich schenkte ich Trude zum Hochzeitstag ein Paket mit Windeln etc. und eine Flasche Wein sowie ein Fläschchen Kölnisch Wasser. Der Wein war leider nicht gut, weil der Korken gefault war. Aber wir haben ihn dennoch getrunken und uns unsere Wiedersehensstimmung nicht trüben lassen. Es wurde ein froher und freundlicher Nachmittag und Abend bei gutem Kaffee und Kuchen.


Dienstag, 27. Juni 1950

Heute haben wir den Rest des gestrigen Weins und zum Zwecke des Vergleichs einen 49er getrunken. Der Unterschied ist erheblich. Der gestrige Wein (1937) ist reif und ausgewachsen, während der 49er gar noch schäumend jung und frisch ist. Leider war's die letzte Flasche 49er Schwarze Katz. Jetzt haben wir nur noch eine 37er Schwarze Katz für einen ganz bestimmten Anlass.


Mittwoch, 28. Juni 1950

Hilde Wolff wurde heute 25 Jahre alt. Trude und ich waren dort und nahmen an der Geburtstagsfeier teil. Caspar Wolff lud Trude und mich um 2 Uhr nachts noch in den "Musikalischen Wirt" ein, wo wir bis 3 Uhr blieben. Er gab uns für 2 Platten (Richard Tauber), die ich ihm besorgt hatte, 40,- DM. Jetzt sind wir wieder reich.


Donnerstag, 29. Juni 1950

Morgens haben wir bei Herrn Dr. Römer den Umzug vorbereitet und Bücher und Zeitschriften verpackt, alte Akten entfernt usw. Montag hatten wir frei (Peter und Paul).
Mutter, Trude und ich gingen zur Stadt, kauften für mich einen Luftikus und für Mutter eine Einkaufstasche und für Trude einen Unterrock. Denn wir hatten heute Morgen unsere Gehälter bekommen.


 

Juli

Samstag, 1. Juli 1950

Heute sind wir mit dem Büro von Herrn Dr. Römer umgezogen. Viel Arbeit. Habe auch wieder DM 50,- bekommen.

Die neue Wohnung, die Herr Dr. Römer nunmehr mit Praxis und Familie bezieht, ist wundervoll und mit der bisherigen Unterkunft gar nicht zu vergleichen. Jedoch wird die finanzielle Belastung durch die neue Wohnung, Umzug und Einrichtung Herrn Dr. Römer noch manches zu schaffen machen. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er über den Berg kommt.


Sonntag, 2. Juli 1950

Wir waren heute bei Finchen eingeladen, weil die Pfarrei St. Peter Kirmes hat. Haben einen netten Nachmittag und Abend verbracht. Großmutter ist seit Wochen verreist und noch nicht zurück.


Samstag, 8. Juli 1950

Ein schwarzer Tag. Herr Dr. Römer hat mir heute gekündigt und die letzten 50,- DM gegeben. Er kann diese Belastung nicht länger tragen und will mich fortan nicht ohne Honorierung weiter beschäftigen, weil, wie er sagte, meine Arbeit dieses Honorar von DM 50,- wöchentlich wert sei.
Ich weiß noch nicht, was ich mehr beklagen soll, den Verlust der regelmäßigen Einkünfte oder den Verlust der Arbeit mit Herrn Dr. Römer, den ich in den 6 Monaten schätzen und lieben gelernt habe. Der Gedanke, nicht mehr zu ihm gehen zu können, ist mir bitter. Damit geht eine schöne Zeit zu Ende. Ich darf aber wenigstens noch bis zum Ende meiner Stage bei ihm arbeiten.
Abends haben Mutter, Trude, Hans-Helmut und ich uns das Feuerwerk am Rhein anlässlich der 1900 Jahrfeier Kölns angesehen. Es war imposant und ein Erlebnis.


Sonntag, 9. Juli 1950

Abends waren wir bei Karin und Matthias und haben uns im Radio den Kölschfunk angehört, da unser eigenes Radio nicht mehr spielt, und jetzt haben wir auch kein Geld mehr es reparieren zu lassen.


Montag, 10. Juli 1950

In dem Rechtsstreit der Frau Schiele gegen mich ist es heute in einem Termin, zu dem beide Parteien persönlich geladen waren, zu einem Vergleich gekommen, nachdem Frau Schiele mich zuvor noch in übelster Weise beschimpft hatte. Klage und Widerklage sind zurückgenommen. Ich verzichte darauf, weil ich es schon längst getan hatte, auf Herausgabe meiner Sachen. Frau Schiele hat mir jedoch weitere Prozesse angedroht. Was ist diese Frau doch verabscheuungswürdig.
Habe den OLG Präsidenten um einen Vorschuss auf eine demnächst festzusetzende Geburtsbeihilfe gebeten. Hoffentlich.


Samstag, 15. Juli 1950

Heute kam von der Nürnberger Lebensversicherung ein Scheck über 450,- DM, den wir aber erst noch einlösen müssen. Im Haushalt sind wir sehr knapp geworden, denn die wöchentlichen 50,- DM fehlen; und das macht sich bemerkbar.


Sonntag, 16. Juli 1950

Habe den ganzen Sonntag an einem Schriftsatz in Ohm Heins Prozesssache geschrieben. Ich nehme die Sache sehr ernst.


Montag, 17. Juli 1950

Vormittags waren Trude und Mutter zur Mumm gefahren, die sie jedoch leider nicht antrafen. Als ich mittags heim kam, lag ein Zettel auf dem Tisch. Kaum hatte ich mein Essen fertig gemacht, da kamen die beiden schon wieder nach hause. Dann haben wir alle gemeinsam gegessen.
Hans-Helmut hat nach der Schule einen Ausflug im Autobus nach Altenkirchen im Westerwald gemacht. Er kam ganz begeistert wieder zurück.
Nachmittags kamen Tante Lieschen, Liesel und die beiden Zwillinge Doris und Eleonore. Tante Lieschen hatte die drei in Koblenz abgeholt, da sie kn Frielingsdorf 8 Wochen bleiben wollen. Ein unerwarteter und kurzer (2-stündiger) Besuch. Ich selbst war leider nicht einmal da, da ich Dienst hatte. Trude meint, Zwillinge wären eine Mordsarbeit und ihr graut schon vor dem Gedanken, dass sie vielleicht auch doppelt bedacht werden könnte.


Donnerstag, 20. Juli 1950

War mit Herrn Dr. Römer auf einer Versteigerung. Eine Schreibmaschine haben wir nicht bekommen, aber jeder 10 Tuben Rasiercreme und 10 Tuben Zahnpasta, die Tube für 5 ganze Pfennige.


Samstag, 22. Juli 1950

Letzter Tag bei Herrn Dr. Römer. Eine schöne Zeit geht zu Ende. In diesen Monaten, die ich bei Herrn Dr. Römer war, habe ich viel gelernt, einen guten Menschen kennen und schätzen gelernt, und nicht zuletzt haben Trude und ich uns in dieser Zeit Sachen anschaffen können, die wir sonst nicht in Jahren hätten kaufen können. Der Abschied von Herrn Dr. Römer fiel mir sehr schwer.


Montag, 24. Juli 1950

Habe heute meinen Dienst bei Herrn Notar Dr. Maubach begonnen. Ein nüchterner und sachlicher Betrieb; es ist schwer, mit dem Herzen dabei zu sein.


Mittwoch, 26. Juli 1950

Endlich ist der Verrechnungsscheck der Nürnberger Lebensversicherung über DM 450,- eingelöst worden. Matthias bekam hiervon 250,- DM und gab einen kleinen Abend in der Gastwirtschaft Herrmith auf der Subbelrather Straße Ecke Ehrenfeldgürtel. Ich kam stark angeschlagen nach Hause. Nur mit Mühe konnte ich einschlafen.


Donnerstag, 27. Juli 1950

Heute ist Hans-Helmut mit Hildegard Fuchs zusammen in die Eifel zu Onkel Heinrich und Tante Käthchen gefahren, um dort 4 Wochen Ferien zu verbringen.
Ich darf nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass die Justiz mir auf mein Gesuch hin für die zu erwartende Niederkunft Trudes einen Vorschuss von 100,- DM auf eine demnächst festzusetzende Geburtsbeihilfe gewährt hat. Trude und Mutter haben die 100,- DM gleich "klein" gemacht. Alles fürs Kind, ob für den Georg? oder für ...?


Samstag, 29. Juli 1950

Endlich haben wir das Radio aus der Reparatur zurück. Während 5 Wochen lief es nicht. Endlich haben wir uns entschlossen, es reparieren zu lassen und nun spielt es wieder.


Sonntag, 30. Juli 1950

Ein schöner ruhiger Sonntag. Vormittags nach dem Kaffee kamen wir auf die glorreiche Idee, die letzte Flasche Wein zu trinken. Diese war zwar für die Geburt unseres Kindes gedacht, Aber bis dahin, so meinten wir alle, haben wir wieder neu.
Also aufgemacht (1937er Zeller Schwarze Katz). Der teuerste Wein aus der Zeller Aprilsendung. Aber auch ein vorzüglicher, wundervoller, reifer Wein. Wir haben angestoßen auf einen guten Verlauf bei der Niederkunft, und darauf, dass Mutter und Kind(er) gesund nach Haus kommen. Unsere Tage sind nur ausgefüllt in Gedanken an unser Kind und Trude sitzt tagelang dabei, Jäckchen, Mützchen, usw. zu häkeln. Eine schöne, erwartungsvolle Zeit. Trude ist in den letzten Monaten zur Frau geworden. Hoffentlich wird ihr Fleiß durch ein gesundes kleines Menschenkind belohnt.


 

August

Dienstag, 1. August 1950

Christel Neuburg hat uns besucht. Ein gemütlicher Nachmittag.


Mittwoch, 2. August 1950

War heute bei Herrn Dr. Römer; habe ihn aufgesucht um zu erfahren, ob für Onkel Heinrich ein Schriftsatz gekommen ist. Noch nichts da.
Heute Nachmittag Punkt 18 Uhr lief in unserer Küche fließendes Wasser. Wir haben Becken und Wasserhahn in die Küche legen lassen, damit das Wasserholen und -fortbringen in Eimern einmal aufhört.


Freitag, 5. August 1950

Habe in der Spätvorstellung den Film "Nürnberg" gesehen, der die Geschichte der Führer der NSDAP von 1933 bis zu ihrem unrühmlichen Abgang in ausgezeichneten, teils erschütternden Bildern zeigte. Ein wirklicher Lehrfilm, der geeignet ist, die letzten Zweifel über den verbrecherischen Charakter dieser "Führer" zu beseitigen. Welch schlimme Zeit war das doch!


Sonntag, 6. August 1950

Vormittags sind Mutter, Trude und ich in den Film "Der Postmeister" gegangen und haben uns noch einmal von der schauspielerischen Größe Heinrich Georges gefangen nehmen lassen.
Abends sahen wir die schwedische Verfilmung der Puschkin'schen Novelle "Der Postmeister", nämlich "Kreuzweg einer Liebe" und haben, und haben, so sehr wir über die Primitivität des Films in jeder Beziehung auch verärgert waren, dennoch eine schöne Vergleichsmöglichkeit und Bestätigung dafür, dass die deutsche Verfilmung ein Meisterwerk ist und von echtem Erfassen des dichterischen Werkes durchseelt war. Der deutsche Film ist uns nun erst recht lieb und vertraut geworden. Und unsere Trauer um den schrecklichen Tod Heinrich Georges ist wahrhaft echt.


Montag, 7. August 1950

Wir waren wieder etwas leichtsinnig, Trude hat sich einen sehr schönen Sommerhut gekauft, der wegen Saisonende besonders billig war.


Dienstag, 8. August 1950

Morgens habe ich einen Termin für eine Firma wahrgenommen, dessen Inhaber (Hans Engels) mein Batteriekamerad in Köln-Ossendorf war.
Mittags kam die bestellte Kiste Wein. Wir waren begeistert. Und haben gleich drei Flaschen geöffnet, nur zum Probieren. Ausgezeichnet.


Sonntag, 13. August 1950

Vormittags besuchte uns Matthias und die Gebrüder Faber. Zur Feier des Wiedersehens, Richard Faber war 14 Tage an der See zur Erholung, öffneten wir eine Flasche Wein und tranken auf eine gute Niederkunft Trudes und Karins.
Nachmittags besuchte mich ein Kamerad aus der Flakbatterie in Eil, Stephan Kuhl, mit seiner Frau. Wir haben sehr gemütliche Stunden miteinander verbracht und uns gut verstanden.


Montag, 14. August 1950

Mit Herrn Engels bin ich heute übereingekommen, dass ich für meine Tätigkeit bei ihm, Wahrnehmung aller juristischer Korrespondenz, Termine, usw. wöchentlich eine Vergütung von DM 20,- erhalte und habe für die vergangenen zwei Wochen gleich DM 40,- erhalten. Die Freude hierüber war zu Hause groß. Und gleich sind wir in die Stadt gefahren und haben zwei Oberhemden für mich für 39,- DM gekauft. Das Geld ist wieder weg.



Samstag, 19. August 1950

Letzter Dienst bei Herrn Notar Dr. Maubach. Es gefiel mir dort nicht besonders. Aber die 4 Wochen war es auszuhalten.
Sterbetag Willy (1944).


Montag, 21. August 1950

Dienstbeginn beim Großen Amtsgericht Konkursabteilung und Vernehmungsdienst bei der Rechtshilfeabteilung.


Dienstag, 22. August 1950

War bei Wolffs zum Geburtstag von Frau Wolff zum gemütlichen Abend. Abends ging ich mit Hilde in den Stadtgarten, wo sie mir über die misslichen Verhältnisse zu Hause ihr Herz ausschüttete.


Donnerstag, 24. August 1950

Gertrud Schückes hat uns heute Nachmittag besucht. Eine Flasche Wein war fällig. Dann kamen die Gebrüder Faber und schließlich erschien noch Matthias, so dass wir es auf drei Flaschen Wein brachten.
Ein sehr lustiger und gemütlicher Abend.


Freitag, 25. August 1950

Trude war bei Herrn Dr. Benz. Heute erklärte er ihr, dass die Geburt wahrscheinlich 8-10 Tage später als vorher berechnet (30. August 1950) zu erwarten sei. Trude ist enttäuscht. Das Kind macht ihr jetzt auch viel zu schaffen. Es turnt wie ein Wilder, so dass ich es neben Trude im Bett spüren kann. In den letzten Tagen hat das Kind sich etwas gesenkt. Ein Grund mehr zur Sorge. Die Namen für das Kind stehen schon fest. Ein Junge heißt Georg und ein Mädchen Renate.


Sonntag, 27. August 1950

Ein ruhiger Sonntag. Heute vor 8 Tagen war ich übrigens in dem Film "Große Freiheit Nr. 7", der mir gut gefiel, abgesehen von einigen erotischen Geschmacklosigkeiten. Vergangene Woche habe ich schon fleißig Vernehmungen bei der Rechtshilfeabteilung durchgeführt.


Mittwoch, 30. August 1950

Heute früh habe ich Tante Lieschen, Liesel und ihre drei Kinder Heinz Jürgen, Doris und Eleonore von der Bahn abgeholt. Reizende Zwillinge, sie haben viel Freude daran. Trude liegt im Bett, sie hat starke Nierenschmerzen. Die Füße sind aber nicht mehr dick. Spät abends bin ich zu Dr. Benz gegangen, der meint, es könne schon die Geburt sein. Tante Käthchen kam mittags mit Hans-Helmut aus der Eifel. Das Haus ist voll.


Donnerstag, 31. August 1950

Frühmorgens sind Liesel und Kinder abgefahren. Trude fühlt sich besser. Tante Lieschen ist nachmittags nach Hause abgereist. Jetzt ist noch Tante Käthchen hier. Es ist uns bedeutend wohler. Das war zu viel Betrieb.


 

September

Freitag, 1. September 1950

Seit 1/2 4 Uhr früh hat Trude ganz leichte Wehen. Vielleicht muss sie heute noch in die Klinik.
Über Mittag werden die Wehen häufiger.
Zwischendurch war Walther Staß hier, er hat seine Hausarbeit bekommen. Hoffentlich.
Nachmittags besuchte uns Günter Faber; er ist rührend besorgt um Trude.
Nachdem Günther gegangen ist, setzen die Wehen Trudes recht heftig ein. Gegen 7 Uhr abends gehe ich zu Herrn Dr. Benz, er gibt mir für Trude eine Überweisung in die Klinik. Als ich zurückkomme, ist Onkel Felix aus Hermeskeil da und kurz danach kommen auch Egon und Rudi aus Hermeskeil. Große Freude. Aber Trude muss fahren. Ich bestelle ein Taxi. Abschiednehmen. Und schon sitzen Trude und ich im Wagen und fahren zur Frauenklinik. Um 20 Uhr sind wir dort. Trude wird untersucht. Die Hebamme ist sehr zufrieden. Sie meint, im Verlauf der Nacht sei es so weit. Ich muss nun gehen, fahre nach Hause, halte für mein liebes Tütt alle alle Däumchen. Dann gehe ich zu Familie Faber und sage dort Bescheid. Onkel Felix, Egon und Rudi waren schon in die Stadt gegangen.
Um 1/2 11 Uhr abends rufe ich in der Klinik an; die Auskunft ist beruhigend. Es ginge gut voran.
Abendessen, Unterhaltung. Dann gehen Egon, Rudi und ich in eine Gaststätte.


Samstag, 2. September 1950

Es ist 1 Uhr früh, den 2. September 1950. Ich rufe wieder an. Alles in Ordnung. Ich solle um 4 Uhr wieder anrufen. Wir alle legen uns zu Bett; d.h. Mutter, Onkel Felix und Hans-Helmut hatten sich schon gelegt. Ich kann nicht schlafen, fange an zu beten. Lieber Gott, lass mein Tüttchen gesund bleiben und einem gesunden Kindchen das Leben schenken.
Um 4 Uhr eile ich zu Familie Steffens um anzurufen. An der Tür schon werde ich mit Glückwünschen in Empfang genommen. Um 1/4 nach 2 Uhr hat die Klinik bei Steffens angerufen.
Um 2 Uhr hat meine liebe Trude einem Knaben das Leben geschenkt.


Georg, 2. September 1950, 2 Uhr

Mutter und ich liegen uns in den Armen.

Geburtsfoto

Geburtsanzeige

Rose

Wir sind nun zu dritt. Diese Nacht um 2 Uhr hat Trude einem kleinen Männlein das Leben geschenkt. Die Geburt verlief glatt und vor allem recht schnell. Abends um 20 Uhr war Trude in der Klinik aufgenommen worden und 6 Stunden später war unser lang erwarteter Spross mit großen dunklen Augen auf der Welt.
Um 8 Uhr morgens habe ich Trude mit einem großen Rosenstrauß besucht. Trude ist gesund und munter; alles Andere ist nun vergessen.
Der kleine Mann wog 3650 Gramm bei der Geburt und war 53 cm lang.
Er ähnelt ...; die Meinungen gehen noch auseinander. Und hier ist er:



Sonntag, 3. September 1950

Unser Sohn heißt mit Vornahmen Georg-Günter. Georg nach meinem Adoptivvater, der dieses Gedenken ehrlich verdient hat. Günter nach seinem Patenonkel Günter Faber.


Dienstag, 5. September 1950

Trude kann nähren. Georg-Günter trinkt mit Fleiß und voller Ungeduld. Es heißt, das "Kribbelige" habe er von mir.


Mittwoch, 6. September 1950

Die Geburt unseres Stammhalters wird in engstem Familienkreise gefeiert. Natürlich mit einer Flasche guten Weins. Mutter, Karin, Matthias und Hans-Helmut sowie auch ich nehmen daran teil. Leider fehlen Trude und die kleine Hauptperson noch in unserer Mitte.


Donnerstag, 7. September 1950

Um 14.00 Uhr heute Mittag ist unser Söhnlein Georg-Günter getauft worden. Mutter Brass und Günter Faber waren die Taufpaten. Anschließend haben wir im Krankenzimmer Trudes mit Kaffee und Kuchen des feierlichen Ereignisses in freundlicher Runde gedacht.
Hier einige Bilder von diesem Tag:

Abends haben wir mit einer Flasche Wein den bedeutungsvollen Tag abgeschlossen. Es tranken auf Georg-Günters Wohl: Mutter, Karin, Günter und Richard Faber, Matthias, Hans-Helmut und ich.


Samstag, 9. September 1950

Um 17.00 Uhr bin ich mit Trude und Georg-Günter, die ich in der Klinik abgeholt hatte, Nach Hause gekommen. Mutter empfing uns mit festlich gedecktem Tisch; die Taufkerze, die zum ersten Male am Tauftage, vorgestern, erstrahlt war, leuchtete und gab dem Zimmer festlichen Glanz; eine Schallplatte lief und der Chor der Regensburger Domspatzen sang das Lied: Schlafe mein Kindchen schlaf ein.
Der Augenblick der Heimkehr Trudes und des Einzugs unseres Sohnes Georg-Günter war so ergreifend, dass uns allen Tränen in den Augen standen. Mutter und Trude lagen sich in den Armen. Ein unvergesslicher Anblick.
Das erste Bild "zu Hause":

Abends haben wir alle, Trude, Mutter, Hans-Helmut und ich zur feierlichen Begehung des Tages eine Flasche Sekt getrunken und darauf angestoßen, dass unserem Männlein ein gesundes, erfolgreiches und friedvolles Leben beschert sei.
Ein glücklicher, segenreicher Tag, der derbleibenden Erinnerung wert ist.


Sonntag, 10. September 1950

Christel Neuburg und Matthias waren an diesem Sonntagmorgen zu Gast. Es wurde fleißig getrunken.

Weinetiketten

Quod erat demonstrandum!

Georg-Günter trinkt mit Behagen Muttermilch. Er fühlt sich wohl zu Hause. Wir haben ein Wiegebuch angelegt, damit wir laufend überprüfen können, wie viel unser Sohn jeweils nach der Stillung bzw. von Woche zu Woche zugenommen hat. Heute wog er 3625 Gramm. Er ist dennoch um 25 Gramm leichter als bei der Geburt. Ein durchaus normaler Gewichtsverlust in der ersten Lebenswoche.


Montag, 11. September 1950

Habe die Lohnsteuerkarte umschreiben lassen, da ich auch in einer neuen Steuerstufe gelandet bin. Auch habe ich bei der Justizverwaltung Kinderzulage beantragt. Trude und ich haben heute Mittag mit dem Kinderwagen und unserem kleinen Mann dann den ersten Ausgang gehabt. Es ist dem Kleinen gut bekommen. Trude war allerdings sehr abgespannt.


Mittwoch, 13. September 1950

Onkel Felix ist tot.
Ein schwerer Verlust auch für mich, denn Onkel Felix war der Einzige der Familie Gilles, der mit mir in steter Verbindung stand und an meinem Geschick wärmsten Anteil nahm. Noch vor zwei Wochen war Onkel Felix bei uns zu Besuch und wir haben ihn mit Freuden aufgenommen. Wir ahnten nicht, dass es das letzte Mal sein sollte, dass wir mit ihm sprechen durften; dass er so bald schon darauf an den operativen Folgen einer heimtückischen Krankheit sterben sollte.
Ich bedaure den Tod aufrichtig und meine besten Wünsche begleiten meinen lieben Onkel Felix ins Jenseits.



Donnerstag, 14. September 1950

Habe seit gestern Urlaub; bis zum 30.9.1950.
Heute früh bin ich "mit Frau und Kind" in den Blücherpark gegangen. Die Urlaubsreise eines bescheidenen Familienvaters.


Freitag, 15. September 1950

Günter Faber, der Patenonkel von Georg-Günter, war abends zu besuch. Wir tranken eine Flasche Wermutwein, die das Milchgeschäft Simons anlässlich der Niederkunft Trudes gestiftet hatte.


Samstag, 16. September 1950

Die Nachricht vom Tode Onkel Felix's ging heute früh ein. Lange Erörterungen, ob ich nach Hermeskeil fahren soll. Aber ich käme zu spät; und das Fahrgeld ...
Es muss bei einem Kondolationsbrief an Tante Johanna bleiben.


Sonntag, 17. September 1950

Georg-Günter hat 205 Gramm seit letzten Sonntag zugenommen. Er wiegt nun 3830 Gramm. Wir haben unsere Freude an ihm. Er ist der Mittelpunkt unseres Alltags.


Montag, 18. September 1950

Ein Glückstag: Der Geldbriefträger brachte Geld. DM 160,-- von der Krankenkasse für Trudes Entbindung. Davon bezahlen wir mit 138,50 DM den Kinderwagen Georg-Günters.
Und dann brachte der Geldbriefträger noch völlig unerwartete DM 10,-- Gewinn aus der Funklotterie. Das muss gefeiert werden. Wir haben lukullisch nachmittags Kaffee getrunken. Auch Besuch war zur Stelle. Luise Ostermann und Frl. Gertrud Schückes. Eine Flasche Samos-Wein, die Frau Helfmeyer, eine Nachbarsfrau, gestiftet hatte, musste daran glauben.
Trude und ich waren auch in der Stadt und haben eine Schallplatte gekauft: Loers Ballade: Die Uhr und Tom der Reimer.
Von Matthias und Karin hatten wir am 7.9.50 zur Taufe des Kleinen die Schallplatte: Freischütz und von Weber: Hier im irdischen Jammertal und Die lustigen Weiber von Windsor und Nicolei, Als Büblein klein an der Mutterbrust, bekommen. Günter Faber schenkte die Platte: Heidenröslein und Guten Abend, gute Nacht.


Freitag, 20. September 1950

Habe für Trude zum morgigen Geburtstag einen Photoapparat, Voigtländer Bessa, gekauft. Jetzt können wir von unserem kleinen Männlein recht schöne Bilder aus seinen ersten Lebenstagen machen.


Samstag, 21. September 1950

Meine liebe Trude hat Geburtstag. Sie wird 23 Jahre alt und ist noch so und und ausgelassen wie ein "junges Blag". Der Photoapparat machte ihr sehr große Freude. Und der Wein auch. Leider konnte sie nicht "mithalten", denn sie muss daran denken, dass der kleine Mann alles trinkt, was sie selbst zu sich nimmt. Und Alkohol ist für ein so kleines Mägelchen noch nichts.
Besuch hatten wir natürlich auch. Es waren die Gebrüder Faber sowie Onkel Peter und Tante Traudchen. Es vergeht kein Tag mehr ohne Besuch.


Sonntag, 22. September 1950

Die ersten Bilder mit dem neuen Photoapparat:


Montag, 23. September 1950

Die Justizverwaltung hat eine monatliche Kindergeldzulage von DM 20,-- bewilligt.


Dienstag, 24. September 1950

Habe den Film "Via Mala" nach Knittels Roman gesehen. War beeindruckt.
Im Übrigen haben wir einige Sonntagsbildchen gemacht.



Samstag, 28. September 1950

Mumm war zu Besuch hier. Ein unterhaltsamer Nachmittag.


Sonntag, 29. September 1950

"Oma", die gerade von ihrer mehrmonatigen Besuchsreise zurückgekommen ist, hat uns besucht.


Montag, 30. September 1950

Am Vorabend zu unserem einjährigen Hochzeitstag habe ich Trude eine Schallplatte mit den beiden Beethoven'schen Violinkonzerten in F- und G-Dur geschenkt. Im Übrigen haben wir Familie Faber "zu alle Mann" zu Besuch gehabt und den Rest des 37er Weines vom 21.9.50 sowie eine 47er getrunken. Ein unterhaltsamer Abend mit viel Schallplattenmusik.


 

Oktober

Dienstag, 1. Oktober 1950

Hochzeitsgedenktag. Trude und ich sind ein Jahr verheiratet; wir wurden mit einem goldigen kleinen Menschlein belohnt und haben uns sehr lieb. Auf ins neue Ehejahr, zu dem wir mit Verträglichkeit, Frieden und Glückseligkeit nach Kräften beisteuern wollen. Ein Blumenstrauß: rote Rosen und eine weiße für unser Männlein.


Unser Männlein hat seit letzten Sonntag 205 Gramm zugenommen und wiegt jetzt 4150 Gramm.


Mittwoch, 2. Oktober 1950

Georg-Günter st heute einen Monat alt. Das Finanzamt Köln-Nord schickte mir DM 37,-- Lohnsteuer des Vorjahres zurück. Und die Krankenkasse von Trude ersetzte nachträglich noch DM 3,60 Fahrgeld. Jetzt sind wir wieder reich.
Heute vor zwei Jahren habe ich mein Referendarexamen bestanden.


Dienstag, 8. Oktober 1950

Den italienischen Film "Paisi" gesehen. Ein mitreißendes, erschütterndes Werk.


Mittwoch, 9. Oktober 1950

Georg-Günter wiegt 4345 Gramm und ist somit 195 Gramm schwerer als vorigen Sonntag. Trude kann weiter nähren und dem kleinen Wicht bekommt die Milch recht gut.


Donnerstag, 10. Oktober 1950

Einige Bilder von Hans-Helmut aus seiner diesjährigen Ferienzeit in der Eifel:

Schon mehrere Jahre ist Hans-Helmut in der Eifel bei Onkel Heinrich und Tante Käthchen in Ferien gewesen und es gefällt ihm immer wieder von Neuem sehr gut. Das Häuschen sowie die Landschaft dort haben einen romantischen ____. Ich teile darin auch ganz den Geschmack meines kleinen Herrn Schwagers.


Eleonore Fuchs, Tante Elis


Freitag, 11. Oktober 1950

Unser Georg-Günter hat, gerade knapp 1 1/2 Monate alt, eine Cousine bekommen.
Karin hat ein winziges 3050 Gramm schweres, 51 cm langes Mädchen zur Welt gebracht. Eugenie Gabriela soll sie heißen. Die Geburt verlief glatt. Mit diesem Brief (= Brief von Frau Theis) erhielten wir die frohe Botschaft.
Erhielt heute eine Vorladung von der Justizverwaltung in eigener Sache "zur Anhörung". Ein mulmiges Gefühl beschleicht mich.


Samstag, 12. Oktober 1950

Beim Verlassen des Hauses heute früh sehe ich als erstes meine Adoptivmutter. Nomen est Omen? Ob sie ...
angedroht hat sie mir schon längst irgend eine gehässige Anzeige bei der Justiz.


Montag, 14. Oktober 1950

Unser "dritter Mann", wie Georg-Günter schon vor seiner Geburt von Onkel Heinrich in der Eifel benannt wurde, ist heute 6 Wochen alt, und gesund und kräftig. Eine Flasche Hesterer Niederberg, 1937er, hat unsere guten Wünsche für die neue "Stage" im Leben unseres Sohnes besiegelt.
Abends kam Matthias und stiftete ein kleines Fläschchen Kümmel, um auf seine Eugenie anzustoßen.


Dienstag, 15. Oktober 1950

Heute wurde Eugenie-Gabriele getauft. Gestern habe ich meinen Vernehmungsdienst bei der Abt. 26 am Appellhofplatz beendet. Es war ein sehr interessanter Dienst.


Mittwoch, 16. Oktober 1950

Habe beim Grundbuchamt angefangen. Ein gemütlicher Richter.
Nachmittags war ich mit Trude bei Familie Theis. Dort haben wir die kleine Eugenie bewundert, ein niedliches paus- und rotbäckiges Fräulein. Über Kuchen und Kaffee verging schnell der Nachmittag. Doch bald mussten wir nach Hause, denn unser Sohn wartet auf seine Milch, die Trude ja mit sich herum trägt. Tante Lieschen ist zu Besuch gekommen.


Dienstag, 17. Oktober 1950

Nun weiß ich, warum ich bei der Justizverwaltung vorgeladen worden bin.
Meine Adoptivmutter hat sich bemüßigt gefühlt - wie konnte es anders sein?! - mich zu denunzieren. Sie hat in einer am 18. September 1950 geschriebenen Anzeige mich mehrerer Vergehen bezichtigt, die, wenn sie wahr sind, ausreichen würden, mich aus dem Justizdienst zu entfernen. Aber selbst, wenn sich herausstellt, dass die Beschuldigungen unwahr sind, so hat die Anzeige in jedem Falle die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Rahmen eines Dienststrafverfahrens zur Folge. Und bei dem derzeitigen Andrang von Referendaren angesichts der wenigen Referendarplanstellen dürfte sich eine Personalakte mit einem derartigen Inhalt in keinem Falle gut auswirken.
Ein wohl überlegter, boshafter, hinterhältiger Schritt einer herzlosen, hasserfüllten Denunziantin.


Welches Leid hat diese Frau mir schon in meinem Leben zugefügt ...!Sie hat wirklich den Ehrennamen "Mutter" nicht verdient. Für sie ist ein Mensch nur ein Kalkulationsposten in ihrer Geschäfts-Gewinn- oder Verlustliste. Bis heute hat diese Frau sich auch noch nicht um unser Männlein Georg-Günter gekümmert. Sie hat kein Herz, ist hinterhältig und kaltblütig, eben nur ein


Denunziant

Bei der heutigen Vernehmung habe ich ihr vorgehalten, dass sie beim Herrgott keine Vergebung finden werde, da sie selbst ihren Schuldigern auch nicht vergebe. Dieser Hinweis ließ sie kalt.
Auf mein Bemerken, dass den Hauptschaden dieses ihres Schritts unser Kindlein Georg-Günter, gerade 6 Wochen alt, zu tragen habe, antwortete sie: Das ginge sie nichts an, das Kind sei genau so schlecht wie Trude und ich.
Gott möge mir beistehen, dass ich diese Worte nie vergesse, so lange diese Frau lebt.


Mittwoch, 18. Oktober 1950

Tränen hat's gegeben. Die Aufregung über die Schandtat meiner Adoptivmutter ist zu groß und unfassbar.
Trude muss Beikost geben; unser Söhnchen hat Banane mit Milch gemischt gegessen.
Habe Herrn LG Rat Morkopp "den Fall" erzählt, nachdem ich gestern noch Herrn Dr. Römer informiert hatte. Beide haben versprochen mir zu helfen.


Donnerstag, 19. Oktober 1950

Und wieder einige Bildchen aus unserer Kamera:


Freitag, 20. Oktober 1950

Dr. Römer ist bei dem Dezernenten für die Referendarabteilung, Herrn Dr. Pira, vorstellig geworden. Ich muss mit meiner Entlassung rechnen; soll aber der strafweisen Entlassung durch ein eigenes Entlassungsgesuch zuvorkommen.


Samstag, 21. Oktober 1950

Ein ruht liebes Bildchen von unserem Sprössling.



Sonntag, 22. Oktober 1950

Und noch ein weiteres Bildchen; unser Männlein gibt uns Mut, die augenblicklich schweren Stunden zu überstehen.

Der kleine Mann hat nun folgendermaßen zugenommen:

17.9.1950 3830
Gramm
Zunahme
205
Gramm
24.9.1950 3945
"
"
115
"
1.10.1950 4150
"
"
205
"
8.10.1950 4345
"
"
195
"
15.10.1950 4575
"
"
230
"
22.10.1950 4775
"
"
200
"

Man merkt, dass der Kleine gut vorankommt. Er wächst zusehends und nimmt rundliche Form an. Nur schade, dass Trude fast keine Milch mehr für ihn hat. Die Aufregung war zu groß.


Montag, 23. Oktober 1950

Habe heute mit Herrn Rechtsanwalt Olle die Angelegenheit mit meiner Adoptivmutter besprochen. Er will sich für mich beim Vizepräsidenten Dr. Jansen verwenden.
Unser Kindchen hat heute zum ersten Mal gelacht.


Dienstag, 24. Oktober 1950

Habe heute für die Firma Engels, Drogengroßhandlung, für die ich nebenbei Rechtskorrespondenz erledige, in Zell an der Mosel einen Termin beim Amtsgericht wahrgenommen und danach Vetter Josef und Familie besucht. Wurde sehr herzlich empfangen und gut bewirtet.


geknipst am 1.5.1944

Habe bei dieser Gelegenheit im Weinkeller Kostproben vom "Federweißer" der diesjährigen Ernte genommen und mir den Entstehungsweg des Weins erklären lassen.


Mittwoch, 25. Oktober 1950

Erneute Rücksprache zwischen Dr. Pira und Dr. Römer auf nächste Woche vertröstet.


Donnerstag, 26. Oktober 1950

Unser Männlein schaut schon dem Treiben um es herum recht interessiert zu.
Haben mit ABC-Schecks in der Stadt Einkäufe gemacht. Teils für Weihnachten.


Freitag, 27. Oktober 1950

Liesel aus Nonnweiler hat uns geschrieben und zwei Bilder von ihren Zwillingen Doris und Eleonore geschickt:


6 Monate alt


10 Monate alt


Sonntag, 29. Oktober 1950

Habe den heutigen Sonntag dazu verwandt, etwas Ahnenforschung zu betreiben, bzw. die Vorbereitungen dazu zu treffen.


Montag, 30. Oktober 1950

Zwar geahnt, jedoch im Grunde unerwartet habe ich heute auf der Sparkasse erfahren, dass mein Gehalt nicht überwiesen worden ist.


Dienstag, 31. Oktober 1950

Die Oberjustizkasse bestätigt mir, dass mein Gehalt gesperrt sei. Jetzt beginnt eine karge Zeit.


 

November

Dienstag, 1. November 1950

Allerheiligen.
Trude, Hans-Helmut und ich waren auf dem Westfriedhof und haben Bukette an den Gräbern unserer Großeltern und meines Vaters niedergelegt.
Trude hat Georg-Günter heute zum ersten Mal abgehalten.


Mittwoch, 2. November 1950

Herr Dr. Pira hat Herrn Dr. Römer mitgeteilt, dass er Herrn A.G. Rat Schlechter, der das Adoptionsaufhebungsverfahren zu bearbeiten hatte, als Zeugen hören wird.
Trude hat endgültig keine Milch mehr. Die Aufregung der letzten Tage hat alle Milch weggenommen.


Samstag, 5. November 1950

29.10.1950 5000
Gramm
Zunahme
225
Gramm
5.11.1950 5085
"
"
85
"

Bedenklich! Ob es an der Nahrungsumstellung liegt.


Mittwoch, 8. November 1950

Inzwischen ist Herr A.G. Rat Schlechter von der Vormundschaftsabteilung in meiner Sache von Herrn OLG Rat Dr. Pira gehört worden und hat bekundet, dass meine Adoptivmutter eine boshafte und intrigante Frau ist.
Wie wird's nun weitergehen?


Donnerstag, 9. November 1950

Unser Männlein wiegt heute 5275 Gramm, Zunahme 180 Gramm.


Dienstag, 14. November 1950

Meine Adoptivmutter hat mich mit einem Schreiben beehrt; sie fordert die Zahlung von DM 1,63 Wassergeld und die Herausgabe eines Federbettes und Kopfkissens. Der passende Zeitpunkt, uns zum beginnenden Winter das Bettzeug zu nehmen. Wir haben's hinuntergegeben; nur kein Streit!


Mittwoch, 15. November 1950

Was für ein Glück, dass ich nebenbei bei Fa. Engels, Medro, arbeite und dort etwas Geld verdiene. Sonst sähe es sehr schlimm bei uns aus.


Samstag, 18. November 1950

Unser Männlein wiegt heute 5400 Gramm und hat demnach 125 Gramm zugenommen. Die Aufregungen der letzten Wochen beeinträchtigen sogar das Wachstum unseres lieben Kindes.
Was haben wir viel Freude mit unserem Kind. Es lacht und jauchzt, wenn wir mit ihm sprechen und ist immer guter Dinge. Ein Trost von nicht zu unterschätzender Bedeutung in dieser trostlosen Zeit. An unser Männlein kann meine Adoptivmutter, Gott sei Dank, nicht heran.


Freitag, 24. November 1950

Bin seit dem 15. November bei der Zwangsvollstreckung; habe einen ausgezeichneten Richter.


Samstag, 25. November 1950

Unser Männlein wiegt 5705 Gramm und hat somit diese Woche 305 Gramm zugenommen. Eine Rekordzunahme; ob das der Griesbrei tut, den Trude auf Anraten Mutters seit einigen Tagen dem Kleinen gibt?
Abends war ich mit Herrn A.G. Rat Lienen in einer Zusammenkunft der Anucale Granco-belgo-allemande. Meine Französischkenntnisse sind noch überraschend gut.


Sonntag, 26. November 1950

Die beste Flasche Wein ist gerade gut genug zu Mutters Geburtstag. Sie wird 51 Jahre alt. Ein schöner Sonntagnachmittag.


Montag, 27. November 1950

Herr Dr. Römer hat heute von Herrn Dr. Pira erfahren, dass meine Adoptivmutter noch nicht vernommen worden sei, weil Herr Dr. Pira keine Zeit dazu gehabt habe. Es werde wohl vor Weihnachten in meiner Sache nicht entschieden werden.
Schön und gut! Aber schon wegen der Gehaltseinbehaltung auf die Dauer ein unerträglicher Zustand.
Eine Versicherung bietet jungen Referendaren eine Stelle als Schadensregulierungsbeamter. Ob ich mich bewerben soll? Denn vielleicht ist meine Hoffnung, bei der Justiz bleiben zu können, doch vergeblich.
Bei Herrn Drogisten Bergmann habe ich wegen des auf den Photoapparat zu zahlenden Restbetrages Stundung erbitten müssen. Ein peinlicher Schritt; aber leider Gottes unvermeidlich. Und ich wollte die Voigtländer Bessa so gerne in eine Retina I umtauschen.


 

Dezember

Freitag, 1. Dezember 1950

Herr Rechtsbeistand Royer, der meine Adoptivmutter im Prozess gegen mich vertreten hatte, teilte mir mit, dass meine Adoptivmutter Mitte Oktober (9.10.50) einen sehr ungehörigen Brief an den seinerzeitigen Prozessrichter geschrieben habe. Ich habe daraufhin den Brief in den Akten eingesehen. Wirklich ein Meisterstück satanischer Boshaftigkeit. Die seinerzeitige Vergleichsverhandlung wird als "Kuhhandel" bezeichnet. Ich selbst werde auf das Gröbste angegriffen mit dem Ziel, mich zu diffamieren und beruflich unmöglich zu machen.
Nun werde ich mit dem Schritt, meine Adoptivmutter wegen meines Pflichtteilanspruchs zu verklagen, nicht länger mehr zögern. Meine Adoptivmutter hat wirklich keinerlei Rücksicht verdient.


Samstag, 2. Dezember 1950

Habe Herrn Dr. Römer informiert; er wird Abschrift des Briefs meiner Adoptivmutter an Herrn Dr. Pira weiterleiten, mit Kommentar.
Heute wird unser Söhnchen Georg-Günter 3 Monate und gleichzeitig 13 Wochen alt. Und er ist ein prächtiger Kerl geworden. Viel Freude macht uns, wenn unser Männlein uns lacht.


Sonntag, 3. Dezember 1950

Georg-Günter wiegt 5885 Gramm; er hat 180 Gramm zugenommen.
1. Adventsonntag. Habe gestern für Hans-Helmut 1 Transformator gekauft. Eine schöne Weihnachtsüberraschung wird das geben.


Montag, 4. Dezember 1950

Wurde heute wieder in meiner Disziplinarangelegenheit vernommen, nachdem zuvor Frau Schiele ausgesagt hatte. Man eröffnete mir, dass das Verfahren aller Wahrscheinlichkeit wegen Verjährung eingestellt und im Übrigen mit einer Missbilligung enden werde. Hoffentlich bald; denn noch länger ohne Geld bedeutet eine Katastrophe für unseren Haushalt.


Dienstag, 5. Dezember 1950

Bei der Zwangsvollstreckungsabteilung habe ich recht viel zu tun. Mein Richter ist erkältet und schiebt alle Arbeit, soweit möglich, auf mich ab.


Sonntag, 10. Dezember 1950

Habe heute, den ganzen Sonntag, gearbeitet. Akten fürs Gericht und für Fa. Engels waren zu bearbeiten. Trude ist sehr stark erkältet. Aber unser Männlein ist brav und munter; es lacht und jauchzt und schaut uns allen recht interessiert zu mit seinen großen Augen, hat aber in der letzten Woche nur 105 Gramm zugenommen. Dabei sieht es aber prächtig aus.
Heute vor einem Jahr starb Opa Braß.


Sonntag, 17. Dezember 1950

Eine weitere Woche weniger auf dem Weg zum Weihnachtsfest. Große Erwartungen in Kinderaugen; bei uns Erwachsenen ist es - leider, leider, nur noch die schwache Hoffnung auf Besserung der politischen Lage. Mehr wagen wir von dieser verworrenen Zeit nicht mehr zu erhoffen.
Habe mich entschlossen, den Machenschaften meiner Adoptivmutter ein Contra entgegenzusetzen und habe sie auf Aufzahlung des Pflichtteils und Feststellung, dass meine Erbeinsetzung zu Recht besteht, verklagt.
Ich bedaure diesen Schritt außerordentlich; aber immer die Faust in der Tasche verdirbt den Charakter und lässt einen vor sich selbst als Schwächling erscheinen. Und Güte bringt Frau Schiele nicht zur Besinnung.
Unser Männlein ist ein goldiges Kerlchen. Er lacht immerzu und freut sich königlich, wenn wir mit ihm sprechen. Nur nimmt er nicht sonderlich zu, obwohl er prächtig aussieht. Ein Hoffnungs- und Freudenlicht in unserem etwas bedrängten Dasein.


Montag, 18. Dezember 1950

Heute hat Hans-Helmut Sperrholz und Leisten gekauft. Ich habe sodann abends mit dem Schreinern eines Märklinbau-Holzkastens begonnen. Mit Begeisterung bin ich dabei.


Dienstag, 19. Dezember 1950

Der Kasten für Hans-Helmut geht gut voran. Heute Nachmittag bin ich mit Trude und unserem Männlein zur Säuglingsfürsorge in der Volksschule Platenstraße gegangen. Dort wurde unser Männlein für gut und genügend entwickelt gefunden.
Da ich im Flur inmitten vieler Kinderwagen warten musste, habe ich Muße, mich umzuschauen. Mi Genugtuung und Stolz habe ich feststellen können, dass der Wagen unseres Kindchens das solideste Aussehen hat. Vor allem aber fiel mir auf, dass unser Wagen der einzige war, der mit einem handgearbeiteten Deckchen ausgestattet war, Man sieht, dass Trude ihr Kindchen mit aller Liebe erwartet und ihre ganzen Fertigkeiten in den Dienst der Versorgung unseres Kindchens gestellt hat. Ich habe allen Grund, auf Trude recht stolz zu sein.


Mittwoch, 20. Dezember 1950

Habe für Hans-Helmut einen Märklin-Elektromotor gekauft, den Trude und ich ihm zu Weihnachten schenken werden.
Abends brachte ich den Holzkasten für Hans-Helmut zu Onkel Peter in die Chamissostraße, damit er ihn lackiere.


Donnerstag, 21. Dezember 1950

Jahrgedächtnis für Opa Braß.
Anschließend machte ich eine Stunde Dienst bei der Zwangsversteigerung.


Freitag, 22. Dezember 1950

Ein Glück, dass ich nebenbei noch bei Fa. Engels arbeite und wöchentlich 25,-- DM erhalte; denn ohne das wären wir sehr arm und wüssten nicht, wovon die Teller füllen.


Samstag, 23. Dezember 1950

Habe eine bereits anbezahlte Schallplatte "Das Weihnachtslied" und "Kaukasisches Gebet und Tanz", gesungen von den Don Kosaken, abgeholt, die ich morgen Mutter und Trude schenken werde.
Dann habe ich bei Onkel Peter den Märklin-Holzkasten geholt; er ist sehr schjön geworden.
Den Baum habe ich zurecht gesägt und in den Christbaumständer eingeschraubt usw. Es ist vieles vor Weihnachten zu tun. Und Trude strickt seit Tagen mit allem Eifer, denn sie will zum Heiligen Abend noch eine Strickweste fertig bekommen. Auch Mutter ist bei der gleichen Arbeit. Gleich werde ich den Märklin-Baukasten einräumen und noch das Album für mein Männlein ausfüllen. Heute ist auch eine Kiste Wein aus Zell gekommen und nachmittags haben wir eine Flasche Zeller Jungfernberg 1950er aufgemacht und uns gut munden lassen. Jetzt ist für die alkoholische Untermauerung des Festes gesorgt.
Und nun noch eine Nacht ...


Sonntag, 24. Dezember 1950

Dieser Engel in unserem Wohnzimmer war Zeuge unserer Festesfreude und unseres Frohgefühls.


Beim Brand im Gürzenich von
Opa Matthias Brahs gerettet
und ihm als Dank geschenkt worden

Und dieser erfreute uns zu diesem schönen Fest, das wir unter einem silbergeschmückten Weihnachtsbaum erlebten, mit seinem herrlichen Aroma. Der Tisch war reich gedeckt, trotz der finanziellen Schwierigkeiten, die wir zur Zeit durchleben müssen. An alle hat das Christkind gedacht. Am meisten aber an unseren kleinen Hans-Helmut, der einen Märklin-Transformator, einen Märklin-Elektromotor und viele Märklin-Ersatzeinzelteile von Großmutter und Matthias und Karin bekam. Ich bekam vom Christkind einen vornehmen Schal, eine noch vornehmere Krawatte und so notwendige Unterwäsche. Trude hatte sich eine blaue Wolljacke gestrickt, erhielt ein Paar Strümpfe und eine Schachtel Pralinen. Mutter war ebenfalls fleißig und strickte sich eine erikafarbene Jacke, sodann bekam sie eine Glasschüssel, Unterwäsche und 2 Paar Strümpfe sowie eine Schachtel Pralinen.
Wirklich ein reich gedeckter Tisch. Das Glück verlässt uns trotz allem nicht.
Unser Männlein bekam ein Paar, das erste Paar Schühchen, rosafarben, und einen Gummihund zum Aufblasen, der beim geringsten Druck quietscht.
Hans-Helmut erhielt noch, das darf ich nicht vergessen, einen stabilen Holzkasten mit Etagen und Fächern für seine Märklinteile. Den Kasten hatte ich vorher geschreinert und Onkel Peter, der Bruder Mutters, verfertigte einen schönen Anstrich. Und zur klassischen Unterhaltung spielten wir eine neue Schallplatte: Ein Weihnachtslied und ein Kaukasisches Gebet, von den Don Kosaken gesungen. Hans-Helmut und ich beschlossen den Abend, nachdem wir alle zuvor noch ausgezeichnet schmeckende Rouladen gegessen hatten, mit dem Bau eines Krans.


Montag, 25. Dezember 1950

Viel Weihnachtsbesuch. Karin und Matthias, Onkel Peter, die Gebrüder Faber. Alle mit Festtagsminen; ich empfange sie im schwarzen Anzug. Es herrscht eine Festtagsstimmung, wie ich sie nie zuvor empfunden habe; vielleicht ausgelöst durch den Stolz, mit dem Trude und ich unseren lieben Georg-Günter rund reichen können. Allerdings war er heute sehr unruhig und verkehrt, die Zähne machen ihm zu schaffen. Deshalb ließ sich unser Männlein heute auch gar nicht fotografieren.


Dienstag, 26. Dezember 1950

Großmutter ist bei uns zu Besuch. Abends sind Richard und Günter Faber bei uns; wir wollen einen netten Abend bei Bowle und Kerzenglanz verbringen. Zuvor muss ich noch berichten, dass Günter Faber dem kleinen Männlein ein silbernes Kinderbesteck mit Märchenmotiven geschenkt hat und mit einem Begleitschreiben, welches die Liebe Günters zu Günter so recht beleuchtet. Das Schreiben ist im Männlein-Album eingeklebt.
Und dann haben wir noch eine Menge Bilder von Georg-Günter und der Familie unter dem Weihnachtsbaum aufgenommen.
Jedoch zuvor einige Bilder vom 2. Dezember und nach diesen in der Küche aufgenommenen Fotos die vorerwähnten Weihnachtsbilder.


geknipst am 2.12.50 in der Küche

Weihnachten unterm Weihnachtsbaum

Mit einem ausgezeichneten 1949er Wein "Zeller schwarze Katz" haben wir die Weihnachtsbowle angesetzt; Apfelsinen und Zucker kamen hinzu.
Und mit 2 Flaschen 1950er Wein "Zeller Jungfernberg" machten wir die Bowlenglocke voll, und wieder leer; in guter Stimmung begleiteten Trude und ich die Gebrüder Faber nach Hause. Eine Schneeballschlacht um 2 Uhr früh beendete einen gemütlichen Abend.


Sonntag, 31. Dezember 1950

Wir trinken das alte Jahr hinaus; auf ein gleich gutes zu trinken ist wohl das Beste. Denn das Jahr 1950 wahrte unserem Lande den Frieden. Und der Wunsch nach Frieden wurde noch nie so aufrichtig gehegt wie heute um Mitternacht. Das alte Jahr brachte uns viel viel Schönes, das Schönste wohl war unser Männlein, das der Herrgott uns bescherte.
Und Böses war nicht viel, vielleicht die schlimmen Nachstellungen meiner Adoptivmutter. Aber Schwamm drüber:


Auf ein friedliches, segenreiches
1951