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Textauszug
Rezensionsauszug
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Textauszug (ohne Fussnoten):

Teil 1: Staat oder Markt. Diskussionsgrundlagen

B. Überlegungen aus verfassungspolitischer Sicht

Im folgenden werden einige verfassungsrechtliche und gesellschaftspolitische Aspekte angesprochen, die in der aktuellen, zuweilen kurzatmigen Diskussion über Innere Sicherheit, Polizei und das private Sicherheitsgewerbe in Europa unterzugehen drohen. Auch wenn die Überlegungen sich im wesentlichen auf das deutsche Verfassungsverständnis beziehen, lassen sich doch viele Problembereiche auf die Situation in anderen europäischen Ländern übertragen. Darin liegt der Zweck dieser Darstellung. Keinesfalls geht es darum, die in einem Land gewonnenen Erkenntnisse auf andere Länder übertragen zu wollen.

Es gilt zu verdeutlichen, in welcher Weise die Sicherheitsangelegenheiten sich in der öffentlichen Diskussion von den verfassungstheoretischen Ursprüngen entfernt haben. Durch Verschiebung der Diskussionsschwerpunkte geht das Gespür für die grundlegenden Verfassungsmotive (Gewaltmonopol als freiwillig vereinbartes und demokratisch kontrolliertes Ideal) verloren. Von hier bis zu den eindeutig marktwirtschaftlich entlehnten Effizienzkriterien zur Beurteilung und Bewertung von Sicherheitsfragen ist es ein folgerichtiger Schritt. Dies muß auch die ansonsten durchaus berechtigte Diskussion um die Modernisierung des Staates im Hinblick auf eine Neudefinition öffentlicher und privater Aufgaben berücksichtigen, will sie nicht lediglich ein Beitrag zur Effizienzdiskussion sein. Wenn ausschließlich fiskalische, markttheoretische, wettbewerbsorientierte und nur in diesem Sinne qualitätskonzentrierte Argumente die Debatte bestimmen, droht der Verlust von politischer Gestaltungsmöglichkeit.

Dies gilt auch und in besonderer Weise für den Bereich öffentliche Sicherheit. Man kann von einem Paradigmenwechsel sprechen. Indem Sicherheit nicht mehr nur als Staatszweck und öffentliches Gut angesehen wird, sondern zu einem marktrelevanten Gut konvertiert, ist seine ´Erledigung´ auch nicht mehr einzig durch die ehemals alleinzuständigen Staatsorgane selbstverständlich. Der Paradigmenwechsel bedeutet bereits jetzt eine "partielle Auflösung des klassischen staatlichen Gewaltmonopols durch eine neue Arbeitsteilung zwischen Staat und Private im Sinne einer verstärkten Eigen- und Mitverantwortung für die Gefahrenabwehr. Der Staat geht zunehmend dazu über, Bürger und Unternehmen an ihre Verantwortung zur Eigensicherung und zur Eigenüberwachung zu erinnern." (Stober, Rolf) Die alten bipolaren Konzepte von Staat (=öffentlich) und Gesellschaft (=privat) erfassen nicht mehr die Wirklichkeit. Sie wird längst bestimmt von einem kontinuierlichen Übergang der öffentlichen Sphäre in die private und umgekehrt. Auch hiervon ist der Bereich Sicherheit nicht ausgenommen. Indem sich beispielsweise der Schwerpunkt sicherheitsrelevanter Aktivitäten in Innenstädten, Einkaufszentren, Bahnhöfen u.ä. immer mehr von der Verfolgung bereits geschehener Taten zur Be- und Überwachung wandelt, steht auch die Aufgabenbeschreibung zwischen Polizei und privaten Sicherheitsanbietern vor einer neuen Herausforderung. Es gilt festzustellen: der Grad der Privatisierung von Sicherheitsangelegenheiten ist beträchtlich fortgeschritten. Ein Zurück zu `alten Zeiten´ ist unmöglich. Nicht ob privatisiert werden soll, steht zur Debatte, sondern wie ist die Situation zu gestalten ist. Dabei gilt es einerseits, nicht hinter rechtsstaatliche Errungenschaften zurückzufallen und andererseits, dem Paradigmenwechsel gerecht zu werden.

Solche Einsichten lassen sich nicht in starren Diskussionsfronten gewinnen. Sie werden einerseits allzuoft geprägt von denjenigen markt- und Privatisierungsbefürwortern, deren Profitinteresse nicht deutlich wird, und den standespolitischen Behaaren auf der anderen Seite.

Gibt es ein Menschenrecht auf Sicherheit?

"Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person." In Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10.12.1948 kommt eine spezifische Erfahrung gesellschaftlicher Realität zum Ausdruck: es gibt keine Freiheit ohne Sicherheit! Doch aus der Zusammengehörigkeit beider Begriffe ergibt sich keine Gleichwertigkeit. "In dubio pro libertate" lautet statt dessen der Grundsatz praktischer Verfassungspolitik.

Dieser Grundsatz dominiert in der Verfassungsgeschichte der meisten liberal-demokratischen Gesellschaften. Die Menschenrechte bzw. Grundrechte dienen vor allem dem Schutz des Einzelnen vor Eingriffen des Staates ("Staatsabwehrdoktrin"). Demgegenüber ist die Sicherheit eine "Sache des einfachen Gesetzes: des Polizei- und Ordnungsrechts, des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts." (Isensee, Josef) Ein "Staatszweck Sicherheit", so man ihn benennen wolle, "unterscheidet sich vom Staatszweck Freiheit durch seine dienende Funktion." (Kniesel, Michael). Ein Grundrecht auf Sicherheit wäre in jedem Fall ein Eingriffsrecht des Staates. Der Widerspruch ist unaufhebbar.

Sicherheit ist in dieser Perspektive eine Angelegenheit des Zusammenlebens unterhalb der idealtypischen Staatsverfassungen. Infolgedessen ergibt sich nicht die Frage nach verfassungsrechtlich garantierten subjektiven Schutzrechten, welchen entsprechende Pflichten des Staates entsprechen würden.

Diese Sichtweise geht von einem geklärten Sicherheitsbegriff aus, dessen beide Bestandteile private Sicherheit und öffentliche Sicherheit ihren jeweiligen Raum behaupten. Einen Anspruch auf Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit (und Ordnung) hat danach sehr wohl jeder Bürger. Mehr noch: Ohne Gewährleistung derselben gäbe es keine verfassungsrechtlich legitimierte Gesellschaft.

Diese Erkenntnis ist Teil der politischen Ideengeschichte seit der Aufklärung. Ihre praktische Konsequenz ist das staatliche Gewaltmonopol. Indem sich Bürger und Staat darauf einigen, respektieren sie die Einsicht in die Tatsache, daß Sicherheit überhaupt erst die Voraussetzung für die Möglichkeit von Freiheit ist. Diese Konstruktion institutionalisiert die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Indem in einer freiwilligen Vereinbarung zwischen dem Staat und seinen Bürgern der Staat die öffentliche Sicherheit gewährleistet, somit das naturrechtliche Recht des Stärkeren eindämmt zum Wohle der Schwächeren, schafft er die Voraussetzungen für die Freiheitsideale und -ideen des Individuums. So entsteht erst der Zustand, in dem die Bürger ihre Grundrechte wahrnehmen können. Eben in diesem Sinne kann Sicherheit als Staatsaufgabe gesehen werden. Sie ist grundrechtlich motiviert, "weil sie wahrgenommen wird, um Grundrechte zu schützen." (Kniesel, Michael) Infolgedessen ist Sicherheit eine Staatsaufgabe von hohem verfassungsrechtlichen Rang, "in seiner Kernsubstanz unantastbar und wegen seiner Friedenssicherungsfunktion einer Privatisierung nicht zugänglich." (Stober, Rolf)

Unter diesen Voraussetzungen ist das subjektive Recht auf positive Schutzmaßnahmen des Staates gekoppelt an ein übergeordnetes Grundrecht. So ist etwa das Eigentum als "Institution der Verfassungsordnung" (Isensee) schutzpflichtig. Ein Anspruch auf polizeiliches Einschreiten, mithin der Aktivierung des Gewaltmonopols, entsteht durch die Verletzung der Grundrechtssphäre, die durch das Eigentum entstanden war. "Insoweit besteht ein Recht des Einzelnen auf Schutz durch Strafverfolgung." (Robbers, Gerhard)

Das solchermaßen sich ergebende subjektive Schutzrecht bedarf der Glaubwürdigkeit staatlicher Verfolgungsmaßnahmen. Sie müssen einmal dem Schutzbedürfnis gerecht werden, zum anderen im Rahmen des Opportunitätsprinzips auch den Ansprüchen eines demokratischen Rechtsstaats gerecht werden.

Hier ist nicht von einem statischen und unveränderlichem Verhältnis auszugehen. Das Opportunitätsprinzip im Polizei- und Ordnungsrecht ist vielmehr mit den grundgesetzlich bestimmten Rahmenbedingungen vereinbar. Die Frage ist also nicht, ob es zu einer Vereinbarung kommen muß, sondern wie diese Vereinbarung zu gestalten ist.

In dem Maße, wie diese Vereinbarung zuungunsten der subjektiven Schutzrechte ausfällt, leidet die Glaubwürdigkeit des staatlichen Gewaltmonopols. Aus Sicht der Bürger bedeutet dies: der Staat zieht sich in der Sicherheitsfrage zurück. Die Folge: "Die grundrechtliche Freiheit wird entwertet, wenn sie nicht ein Fundament in der Sicherheit findet." (Isensee, Josef)

Sicherheit und Freiheit bedingen sich in dialektischer Weise. Das heißt aber auch: "Dieselben Grundrechte, aus denen die staatlichen Schutzpflichten hervorgehen, geben dem Grundrechtsträger das Recht, sich und andere zu schützen, wenn der Staat als Garant der Sicherheit ausfällt." (Isensee, Josef)

(...)

Innere Sicherheit: ein politischer Begriff

In der politischen Diskussion spielt der Begriff "Innere Sicherheit" eine zunehmend bedeutsamere Rolle. Dies gilt für die Bundesrepublik, kann aber auch übertragen werden auf die europäische Diskussion. Weil auf diesem Feld letztlich die Kompetenz der Polizei und das Vertrauen der Bürger in diesselbe zur Debatte steht, gelten die folgenden Anmerkungen der politischen Instrumentalisierungsgefahr, der letztlich auch die Polizei zum Opfer fallen kann.

Zunächst gilt, was bereits weiter oben ausgeführt wurde. Die Bürger sind bereit der Polizei in Sicherheitsfragen einen Vertrauensvorschuß einzuräumen. In Bezug auf die europäische Integration läßt sich feststellen, "daß die polizeiliche Zusammenarbeit aus Sicht der Bürger tatsächlich eine neue und wichtige "Säule" der europäischen Integration werden sollte."(Murck, Manfred) Dieser Einschätzung der Bürger entspricht noch nicht die politische Umsetzung. Polizeiliche Angelegenheiten sind einstweilen noch nationale Angelegenheiten. Die Europäische Union ist einstweilen noch ein Staatenbund und kein Bundesstaat.

Dennoch ergibt sich aus dem Vertrauensvorschuß der Bürger eine ganz neue Legitimationsgrundlage für den europäischen Einigungsprozeß. Ist dies einerseits eine Chance, so erwächst andererseits doch auch eine große Verantwortung: die Verpflichtung zu Transparenz und demokratischer Einbindung des polizeilichen Handelns.

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Innere Sicherheit ist diese Verantwortung nicht immer zu spüren. Problematisch ist der Begriff Innere Sicherheit dann, wenn er zum Politikersatz wird. Beispielhaft sei hier das sogenannte "operative Strafrecht" genannt. Gemeint ist nicht die normale Gefahrenvorsorge, die zum Aufgabenbereich polizeilichen Handelns gehört, sondern die Vorfeldverlagerung von Straftatbeständen. So ist nicht mehr die tatsächliche Strafhandlung strafrechtlich relevant, sondern bereits das abstrakte Gefährdungsdelikt, die eigentlich straflose Vorbereitungshandlung. Mit dieser Vorfeldverlagerung wird auch das polizeiliche Handeln beeinflußt. "Das Strafrecht wandert systemwidrig in das Polizeirecht ein"(Kniesel, Michael). Durch die Vorfeldverlagerung des Strafrechts wird eine entschlossene und zupackende Handlungsfähigkeit demonstriert, die einer verunsicherten Öffentlichkeit als Problemlösungskompetenz verkauft werden soll. Diese Art von Politikersatz lädt gesellschaftspolitische Versäumnisse bei Polizei und Justiz ab. `Löst´ dann die Polizei diese Probleme nicht, läßt sich leicht eine Überbelastung der Polizei konstatieren. So zwingt die Politik der Polizei einen Rechtfertigungszwang auf, der Ressourcen bindet.

Darüberhinaus bedingt die Vorfeldverlagerung aber noch ein grundsätzlicheres Problem, das sich im übrigen auch auf europäische Dimension übertragen läßt (Europol-Diskussion): Einen solchen "Präventionsstaat kann der Bürger nicht mehr durch rechtmäßiges Verhalten auf Distanz halten." (Kniesel, Michael) Erneut stehen sich Freiheit und Sicherheit als Gegensätze gegenüber.

Mit dem Begriff "Innere Sicherheit" wird eine Vereinheitlichung von Zielsetzungen intendiert, die verfassungsrechtlich einem Trennungsgebot unterliegen:

a) der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung, für die der Verfassungsschutz zuständig ist,

b) die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit im Aufgabenbereich der Polizei,

c) die Strafverfolgung durch Polizei und Staatsanwaltschaft.

In der Praxis bedeutet dies zum Beispiel, daß nachrichtendienstliche Strukturen zur Kriminalitätsbekämpfung (z.B. Überwachung der Organisierten Kriminalität in Bayern) herangezogen werden, und umgekehrt durch die Vorfeldverlagerung polizeilichen Handelns die Polizei mit nachrichtendienstlichen Kompetenzen ausgestattet wird. Kurzum: Die Polizei ist "vernachrichtendienstlicht worden und die Nachrichtendienste sind verpolizeilicht worden." (Kniesel, Michael)

In dieser Weise wird der Eindruck erweckt, als gäbe es eine "Funktionsidentität der Sicherheitsbehörden" (Kniesel, Michael). Der Begriff suggeriert Einheitlichkeit, wo eigentlich das Trennungsgebot zwischen Polizei und Verfassungsschutz gilt.
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Rezensionsauszug aus:

Die Kriminalprävention (Zeitschrift des Europäischen Zentrums für Kriminalprävention ), 1/2000 (4. Jg.), S. 39/40.

(...)

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, Einteilung und Untertitel sind hilfreich und verständnisleitend, Literatursammlung, Fragebogenmuster sowie Fußnoten zeugen von breit angelegter Herangehensweise an die Thematik. Das spiegelt sich auch in den Ausarbeitungen selbst (fast kunstvoll knapp und präzise der erste Teil) wieder:

Der erste Teil beschreibt Aufgabenfelder privater Sicherheitsdienste, deren Verfaßtheit, den Bezug zum staatlichen Sicherheitsmonopol, bindet Erkenntnisse unterschiedlicher Bürgerbefragungen zum subjektiven Sicherheitsgefühl/zur Opferwerdung ein und setzt sich letztlich mit dem Begriff "innere Sicherheit" auseinander.

Sachlich, bewertungsfrei, kompetent und - bei der Fülle der Themenbereiche - wohltuend knapp setzen sich die Autoren mit Literatur, rechtlichem Kontext, der Lebenswirklichkeit sowie den damit zusammenhängenden Untersuchungsergebnissen auseinander. Das ist nicht nur lesens-, sondern auch in dieser Betrachtungsform lernenswert.

Der zweite Teil ist "Länderberichte" getitelt. Für die EU Mitgliedsländer wird die verfassungsmäßige und rechtliche Einbindung von Sicherheitsunternehmen, deren Aufgabenwahrnehmung und Mitarbeiter systematisiert dargestellt.

Selbstverständlich sind die tatsächlichen und rechtlichen Bezüge zu polizeilichem/staatlichem Handeln ebenso dargestellt wie länderspezifische Besonderheiten oder Trends/Entwicklungen.

(...)

Der dritte Teil zieht Schlußfolgerungen und gibt Empfehlungen.

Das - ebenfalls sprachlich und inhaltlich kurz und präzise dargestellte - Resumée ist stringent auf die zuvor gewonnenen Erkenntnisse zurückzuführen, sachlich, nicht parteinehmend tendenziös. Die Unterscheidung von Gewalt- und Sicherheitsmonopol mit praktischen und rechtlichen, damit politikpostulierenden Konsequenzen ist schlüssig. Die systematisierende Einteilung der privaten Sicherheitsdienstleistungen mit dem Ziel der Forderung unterschiedlicher Qualifizierungen ist sachgerecht.

Die Erwartung aus Titel und Arbeitsthema wird übererfüllt, eine methodisch und inhaltlich zielführende Arbeit, die viel Information liefert, wenig Zeit beansprucht und als Einstiegsnachschlagewerk voll tauglich ist.

(Klaus Stüllenberg, Vorsitzender des Kuratoriums Stiftung Kriminalprävention, Münster-Hiltrup)

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