Fürstengruft zu Rügenwalde

 

1. Die Marienkirche in Rügenwalde

Über den alten Baudenkmälern waltet ein eigenartiges Schicksal. Fünf Feuersbrünste in schrecklicher Wiederkehr 1689, 1624, 1648, 1679 und 1722 suchten die Stadt heim, und dabei wurde der größte Teil der Stadtakten ein Raub der Flammen. Daher kennen wir auch nicht die Entstehungszeit der Kirche, die zu einer Gruppe gleichnamiger Kirchen in Belgard, Köslin, Schlawe und Stolp gehört, die in ihrem Grundrisse dem Kolberger Dom ähnlich sind aber niedrigere Seitenschiffe haben.

In ihren Formen erweist sie sich als ein gotischer Backsteinbau Norddeutschlands, eine dreischiffige Basilika mit polygonalem Chore und 60 Meter hohem Westturme. Ihre Bauzeit fällt danach ins 14. Jahrhundert. 1321 verleiht Bischof Conrad von Cammin an die Ritter Peter von Neuenburg, dessen Bruder Jasco und die Söhne des Laurenz das Patronat der Kirche. Sie ist also über 600 Jahre alt. Viermal wurde sie durch Brand verwüstet, so daß nur die Außenmauern und vielleicht die Gewölbe aus alter Zeit erhalten sind. Auf der Lubinschen Ansicht erscheint die Kirche mit ihrem achteckigen, heute viereckigen Turme stark verzeichnet.

An die beiden Turmseiten fügen sich in der Verlängerung der Seitenschiffe spätere mittelalterliche Anbauten an. Kirche und Anbauten sind mit schönen Sterngewölben überdeckt. An der Nordseite des Chores liegt die zweigeschossige Sakristei; beide Geschosse zeigen je 4 Kreuzgewölbe, die auf freistehenden Mittelsäulen ruhen. Das Obergeschoß enthält die so genannte Bibliothek und diente im Mittelalter als Schulraum. An der Südseite des Chores liegt die Schüttenkapelle, nach einem verdienstvollen Bürgermeister zur Zeit des 30 jährigen Krieges genannt, die als Raum für kleinere Versammlungen dient.

Die Kirche gewährte in katholischer Zeit mit ihren vielen Altären, Heiligenbildern und Staturen natürlich einen anderen Anblick als heute. Im Triumphbogen, der Mittelschiff vom Chor trennt, war eine große, aus Holz geschnitzte und bemalte Kreuzigungsgruppe angebracht, die heute hinter der Orgel im Turmraum liegt. Der Kruzifixe mit seinem dünnen Armen, großem Kopfe und starkem Nacken ist sehr verzeichnet. An dem Kreuzarmen finden sich am Ende die Symbole der Evangelisten; dagegen zeigen die Figuren des Johannes und der Maria edle Linienführung. Hier findet sich auch noch ein kleineres, besser ausgeführtes Kruzifix und alte Altarschranken. Einige kleinere Figuren im gotischen Stile: Anna Selbdritt, Antonins Eremita und Christophorus wie eine später geschnitzte Gethsemanegruppe, ein Tauftisch in Barockformen und ein Luthertisch werden heute im Kreismuseum aufbewahrt. An Altären werden vor der Reformation erwähnt: S. Barbarä, S. Jakobi, S. Mariä Magdalenä, S. Annä, S. Trinitatis, Corporis Christi, S. Kathrinä, des heiligem Kreuzes und unserer lieben Frau.

Bis zum Jahre 1897 gewährte die Kirche mit ihren weißgetünchten Wänden einen durchaus nüchternen Eindruck. In diesem Jahre wurde sie einer durchgreifenden Renovierung unterzogen. Der Direktor des Kunstgewerbemuseums Prof. Fr. Julius Lessing hatte für die Herstellung der Malerei Prof. Seehiger gewonnen, der seine Aufgabe meisterhaft löste. Dabei wurden auch drei alte Emporen, die Rats-, Fürsten- und Invalidenempore entfernt, die mit ihren häßlichen Vorbauten den einheitlichen Eindruck störten. Dafür entstand die lange Südempore.

Bei dieser Renovierung erhielt der schon früher erwähnte und in den Hochaltar eingelassene Silberaltar einen neuen Stand in einem feuersicheren Tresor an der Südseite des Chores. Es sei hier nur das Notwendigste über dies unschätzbare Kunstwerk aus der Renaissancezeit mitgeteilt. Der feingebildete, kunstverständige Herzog Philip II. (1608 bis 1618) gab dem "Goldschmied und Silbertreiber Johannes Körver" aus Braunschweig den Auftrag, ihm nach Kupferstichen von Hendrik Goltzius in Haarlem (1558-1617) die Passion Christi in Silberplatten nachzumachen. Goltzius‘-Stiche lehnen sich an Dürers große Passion an. Die Platten sind teils von Körver in Stettin selbst, teils von der Familie Leucker in Augsburg hergestellt. Daher stammen die verschiedenen Monogramme J. K. F. u. CL.-Caspar Lencker auf den Platten 8 Platten hatte Körver vollendet, als er 1607 starb. Der eigentliche Aufbau ist ein 3 Meter hohes und 1 1/2 Meter breites Ebenholzwerk im Barock mit 27 getriebenen Silberplatten. Die Mitte des Sockels zeigt die Taufe Christi und an den Seiten 11 Apostel und den triumphierenden Christus. Das Mittelstück stellt die heiligen drei Könige dar, um die sich auf 12 Tafeln die Passionsgeschichte gruppiert. Der Giebelaufsatz zeigt den König David mit der Harfe. Von Lencker sind 4 Passionsbilder: Gethsemane, Judaskuß, Kreuzigung und Grablegung. Nicht feststellbar ist bis zur Zeit die Autorschaft der Apostelfiguren, zweifelhaft die der 2 großen Hauptplatten. Zuerst war das Ganze von einem Flügelaltar umgeben, der sich heute auf der Bibliothek befindet. Die Flügel zeigen in sehr fein ausgeführter Malerei auf der Innenseite die Jungfrau Maria und die heilige Elisabeth, auf der Außenseite die Verkündigung und Geburt Christi nebst den 4 Evangelisten.

Der Hochaltar zeigt heute ein von Prof. Hausmann geschaffenes Gemälde, "Christus stillt den Sturm", flankiert von zwei Säulen, neben denen die Figuren von Petrus und Paulus stehen. Der Aufsatz ist ein Christusbild aus der alten Schloßkirche. Ein schmiedeeisernes Gitter nach dem Entwurf von Baurat Ludwig Böttger schließt die Fürstengruft dahinter mit ihren drei Särgen ab. Gedämpftes Licht fällt durch hohe Spitzbogenfenster mit Glasmalereien herein. Das mittelste ist ein Geschenk Kaiser Friedrichs. Am unteren Rande der Fenster fallen uns die Öffnungen eines mittelalterlichen Büßerganges in die Augen.

Vor dem Hochaltar erhebt sich der kleine Altar mit einem segnenden Christus, einem Geschenk der verstorbenen Frau Konsul John. Die südliche Chorseite zeigt in Überlebensgröße den Christophorus mit der Umschrift : "Dienet dem Herrn mit Freuden", während die Nordseite Nachricht von der letzten Renovierung gibt. Von der Decke hängen 4 Messingkronen herab, eine von Familie Schmidthals gestiftet. Die älteste von Martin Maes der Kanzel gegenüber, stammt von 1629. Sie zeigt in 3 Reihen je 8 Arme, unten einen Löwenkopf mit Ring, oben eine nackte bärtige Figur.

Die Kanzel ist ein wertvolles Ausstattungsstück im Barock. Sie soll in ihren Formen ein altes Hanseatenschiff, eine Kogge, zur Darstellung bringen. Sie ruht scheinbar auf einer kleinen Engelsfigur, über die sie sich stark ausbaucht. Besonders sei auf die Darstellung der h. Geschichte am unteren Rande der Kanzeltreppe aufmerksam gemacht: Sündenfall, Kain und Abel, Sündflut usw. Der Schalldeckel stellt den Berg Golgatha mit den Marterwerkzeugen dar. Reicher Figurenschmuck und altertümliche schmiedeeiserne Beschläge zieren die Tür zum Aufgang. An den Pfeilern zu beiden Seiten hängen zwei Holztafelgemälde, Jakobus und Thomas darstellend. An dem Pfeilern gegenüber erblicken wir Gemälde, drei Engel mit Judasbeutel, Marterpfahl und Leiter, ebenso noch an der Wand des Nordschiffes zwei Engel mit dem Schweißtuch der h. Veronika und dem Hahn des Petrus.

Der Orgelprospekt mit seinen schönen Renaissanceformen gehört dem Anfange des 18. Jahrhunderts an. Die Orgel selbst. wurde 1853 vollkommen neu von dem Orgelbaumeister Johann Friedrich Schulze zu Paulinzelle in Thüringen erbaut. Das alte Orgelwerk wurde nach Crangen verkauft. In alter Zeit wies der Prospekt noch zahlreiche Engelsfiguren auf, die sich beim Spiel bewegt haben sollen. Die Prüfung und Abnahme der Orgel erfolgte 1853 durch den als Balladenkomponisten, Meister des Orgelspiels und Bildner im geistlichen Gesange gleich hochgeschätzten Stettiner Musikdirektor und Organisten an St. Jakobi Dr. Carl Loewe. 1897 wurde die Orgel weiter in den Turm hineingebaut. In diesem Herbste ist die Orgel vollständig umgebaut worden durch die Firma Arno Vogt aus Liebenwerda. Das Werk ist setzt rein pneumatisch. Es enthält gegen 2000 Pfeifen und entspricht in seiner Anlage allen Forderungen der Neuzeit.

Auf der südlichen Empore befindet sich eine Gedenktafel mit den Namen von sechs Gefallenen 1815. Sie wird flankiert von zwei Fahnen aus dem Jahre 1814. Auf der Weißen finden wir die Widmung: "Den braven vaterländischen Kriegern bei .ihrer Rückkehr nach Rügenwalde am 14. August 1814 geweiht von dankbaren Freunden"; auf der Roten lesen wir: "Des Vaterlandes freiwilligen Verteidigern bei ihrer Rückkehr nach Rügenwalde am 28. Juli 1814 gewidmet von dankbaren Freunden." Die weiße zeigt in der Mitte ein schwarzes Kreuz, die rote in den Ecken Lorbeerranken. Das Andenken an die 23 Gefallenen aus den Jahren 1813 und 1814 hält eine Gedenktafel im Nordschiff neben dem Ofen fest. Daneben hängt eine andere, die die Namen von 14 Gefallenen aus den Jahren 1866, 1870 und 1871 aufzählt. Darüber ist eine Inschrift aus dem Jahre 1725, die auf die vier Brände Bezug nimmt, durch welche die Kirche teilweise zerstört wurde.

Der Fußboden der Kirche ist fast ganz unterwölbt. Wer es möglich machen konnte, ließ seine Angehörigen in der Kirche selbst bestatten. fünf Jahrhunderte häuften sich dort ihre Särge übereinander. Vornehme Familien hatten ihren Leichenstein, einige ausgemauerte Gewölbe. Im Chor wurden Bürgermeister und Geistliche gebührenfrei beigesetzt. Verstorbene Kinder ließen Eltern gern unter dem von ihnen benutzten Kirchenstuhl bestatten. In der Schüttenkapelle finden sich noch einige alte Grabplatten.

Das Gestühl unten zeigt gute Formen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Jede Gilde und Innung hatte Ihr besonderes Gestühl, das sie im Stande halten mußte. Besondere Erwähnung verdienen auch die Schmiedeeisernen Gehänge und Schlösser in den Seitengestühlen. Das alte Gestühl im Chore wurde bei Erneuerung der Fürstengruft erweitert.

Noch an kleineren Ausstattungsstücken seien genannt:

1. in der Bibliothek wertvolle ältere Werke in Pergament und Schweinsleder, deren teilweise schöne Einbände mit Beschlägen in der dumpfen und feuchten Luft leiden;

2. eine ebendort befindliche, der Gertrudkirche gehörige Truhe mit Decken und Stickereien;

3. zwei Taufschüsseln in Nürnberger Arbeit mit der Darstellung der Verkündigung und des Sündenfalls. Die zweite zeigt auf der Rückseite die Widmung: E. H. Z. S. P.-Elisabeth Herzogin zu Stettin Pommern, stammt also wahrscheinlich aus der Schloßkirche;

4. ein schmuckloser Kelch mit Patene von 1726.

Ein zweiter zeigt das eingravierte herzogliche Wappen. Daß der Turm mannigfachen Umbauten unterworfen gewesen ist, zeigt schon sein Äußeres: ein großes zugemauertes Fenster in der Westwand, ein aufgesetztes vierseitiges Zeltdach, das mit einem Dachreiter und welscher Haube abschließt. Die Uhr mit 4 seitigem Zifferblatt hat er erst seit 1906. Die frühere hatte nur ein Zifferblatt mit einem durchgehenden Stundenzeiger. Die neuen Zifferblätter haben einen Durchmesser von 3,20 m, die Ziffern selbst eine Höhe von 54 cm. Die drei an Stahldrahtseilen hängenden Gewichte sind 17, das sämtliche Metall etwa 70 Ctr. Schwer. Die Uhr ist ein Geschenk der verstorbenen Frau Konsul John und von der Turmuhrenfabrik C. F. Rochlitz in Berlin hergestellt.

Der Glockenstuhl trug im Mittelalter 6 Glocken, Seit 1722 wie heute nur 3, die auf des, f, as gestimmt waren. Die kleinste von 1727 hatte 0,91 m Durchmesser, Gewicht 430 kg. Der obere Rand zeigte die Umschrift: G. N. Conrad und Heinrich Scheel in Rügenwalde. Der Glockenmantel hatte drei Inschriften, von, denen die erste die Stifterin ergab

Katharina Elisabetha Schroederin

B. Matth. Ollermanns

vidua et haeredes

ob

donarium

1727.

Die mittlere Glocke war die größte, Durchm. 1,44 m, Höhe 1,15 m, Gewicht 1815 kg, am oberen Rande die Umschrift:

Durch Gottes Gnade gos mich Conrad u. Johann

Heinrich Scheel von Kolberg anno 1722.

Auch bei dieser gab die erste von den drei Mantelinschriften die Stifterin an:

B. past. et pracp. mag. Gottfr. Buchneri

vidua

Veronica Doroth. Drewecken

ob

donarium

Die dritte Glocke war 1893 erneuert worden, Gewicht 860 kg, Durchm. 1,12 m, Höhe 0,85 m.

Der obere Rand zeigte als Verzierung Weinblätter, darunter im Mantel auch drei Inschriften.

N 1551. Gegossen von Gustav Collier

in Zehlendorf 1893.

Weil die Glocken weder Altertums- noch besonderen künstlerischen Wert hatten, der Ton der 3. Glocke zudem unklar war, wurden sie abgeliefert. Es war am 30. Mai 1917, morgens von 7-7 1/2 Uhr, als sie zum letztenmale ihre ehernen Stimmen vom Turme herab über die Dächer und stillen Straßen erschallen ließen.

"Ihr habt so oft geklungen, wenn uns ein Liebstes schied,
Nun singt mit Engelszungen euch selbst ein letztes Lied,
Das Scheidelied vom Sterben für Volk und Vaterland!
Singt‘s und zerbrecht in Scherben, zerschmelzt in Opferbrand !"

Am 14. Juni war die von M. Plüntsch geleitete Glockenabnahme vollendet und nun trat an Stelle des Glockengeläutes ein von derselben Firma eingerichtetes "Ersatz-Hammerschlag-Geläut". Durch zwei Hämmer wurde gegen die Stunden- und Viertelstundenglocke geschlagen, zum erstenmale am 19. Juli 1917.

Ja, die Glocken oben im Turm, sie hatten zurück nicht bleiben wollen beim letzten Sturm, und jahrelang hämmerten schwere Eisenhämmer in Herz und Gewissen uns ein anderes Lied, das einst hinter verschlossenen Türen nach einer verschollenen Weise unsere Vorväter in der Franzosenzeit gesungen hatten:

Das ist die Not der schweren Zeit,
Das ist die schwere Zeit der Not,
Das ist die Zeit der schweren Not,
Das ist die schwere Not der Zeit.

Damals 1917 hofften wir, die Glocken kommen wieder, sie helfen uns zum Siege, sie stehen schöner auf, und der erste Glockenturm soll ein Dank- und Siegesgeläute werden. Aber es kam anders, als wir‘s gehofft. Wohl waren es Friedensglocken, aber keine Siegesglocken, die am 1. Ostersonntage 1922 zum ersten Male wieder ihre ehernen Stimmen über unsere Stadt erschallen ließen.

Machtvoll und erhebend klang die Weiherede des Oberpfarrers Nebel. Wie Vinetas Glocken dumpf und bang von der alten Wunderstadt künden, so läuten heute die Glocken über dem Trümmerfelde unserer Hoffnungen; aber doch sind es Osterglocken, Auferstehungsglocken. Hoffen sollen wir und nicht verzagen. Und wer die Glockensprache versteht, der hat in ihrem Klang wohl mehr als Klang verspürt. Wer glaubt, für den gilt: "Und was der Tod versprochen, das bricht das Leben nicht." Zu Gottes Lob und Preis sollen die Glocken klingen, zum Segen der Gemeinde sollen sie läuten, sie zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine versammeln und manch totes Herz zu seinem Gott zurückrufen.

Unvergeßlich wird im Gedächtnis mancher Zuhörer auch ein sich an die Weiherede anschließender Wechselgesang zwischen Glocken- und Menschenstimmen bleiben, den der Kirchenchor unter Leitung des Kantors Korb vortrug:

Die Glocken singen:

Horcht auf, ihr Menschenkinder,
Gottsucher und Gottfinder !
Wenn wir von nun an singen
Von allen heil‘gen hohen Dingen,
Die heimlich auch in euren Seelen schwingen,
Wir läuten unsere Weise
Dem ew‘gen Gott zum Preise.

Die Menschen singen:

Heil euch! Gesegnet euer heilig Singen !
froh will‘s aus unsern Seelen wiederklingen.
Wir schau‘n voll Dank empor.
Aus Herz und Erz ertöne unser Chor !

Glocken und Menschen vereint:

Du, Gott bist Kraft und Herrlichkeit !
Gelobt seist Du in Ewigkeit !

Als diese Worte verklungen waren, da wogten von oben her die mächtigen Tonwellen des neuen Geläutes durch die weiten Hallen in die Tiefe, weihevolle Stimmung hinein. - "Eine künftige Geschichtsforschung wird unsere Zeit viel größer ansehen, als sie uns Heutigen erscheint" - Die neuen Gußstahlglocken sind hergestellt von der Aktiengesellschaft Lauchhammer, Abteilung : Stahlwerk Torgau und fanden einstimmige höchste Anerkennung auf der Dresdener Ausstellung.

Glocke D, d=1,83 m, Gewicht 2750 kg
Glocke F, d=1,55 m, Gewicht 1500 kg
Glocke As, d=1,30 m, Gewicht 925 kg

Die letzte Glocke ist ein Geschenk des Herrn E. Küther. Die Glocken kosteten nach damahlgem Gelde 50000 Mk., wozu noch 1880 Mk. für Montage kamen. Rügenwalde dürfte jetzt eines der schönsten Geläute in ganz Pommern haben.

Früher befand sich im Kirchtum auch eine Stube für einen Turmwächter, einen Türmer, von dem es in der "Feuer-Ordnung" von 1748 heißt: "Der Thurmbläser fänget des Sommers von Ostern bis Michaelis um 10 Uhr Abends mit einer Hautbois ein Abend- oder Bußlied zu intonieren an, demnächst stosset er alle Stunden in ein Horn und continuiret damit bis 2 Uhr Morgens, alsdann danket er mit einem Morgenliede wieder ab." Im Winter dauerte sein Dienst von 9 bis 4 Uhr. Darüber gibt es die bekannte Sage von dem gestörten Kartenspiel im Marienturme. Überhaupt umrankt die Sage ebenso wie das Schloß auch die Mauern dieses ehrwürdigen Gebäudes: Sage vom dreibeinigen Roß und vom Tanzstein.

Auf beschwerlicher Leiter, zuletzt in vollständiger Dunkelheit unter dem Zeltdach, langen wir auf dem Dachreiter, der so genannten Achtkant an und haben nun einen weiten Überblick über die fruchtbaren Gefilde des Rügenwalder Amtes. Zu unsern Füßen schauen wir in das Gewirr der Straßen, Häuser und Höfe hinab und können Betrachtungen über die altertümliche Bauart mancher Häuser mit ihren spitzen Dächern anstellen.

Im Dachreiter hängen die beiden Glocken für die Turmuhr, von denen die obere durch Alter und Inschrift besonders merkwürdig und wertvoll ist. Sie ist von flacher Gestalt (Tellerglocke,) hat d=86 cm bei 48 cm h und zeigt am oberen Rande eine zweizeilige Inschrift.

Obere Zeile: Barnimus IV. Junior Dei Gratia Dux Stettini Pomeraniae eius nominis XI. Philippi I.
Untere Zeile: Filius me fieri Rugewold Anno MDXCVII.

Dieser Barnim XI., nach neuerer Zählung XII., regierte bis 1603 und war der 4. Sohn Philipps I. Diese Barnimglocke gibt die Stunden an und kann hier nicht ursprünglich aufgehängt gewesen sein, da das Turminnere nachmals durch Feuersbrunst zerstört wurde, wobei die Glocken schmolzen, wie ausdrücklich bezeugt wird. Wahrscheinlich stammt sie aus dem alten Schlosse.

Die darunter hängende Viertelstundenglocke hat dieselbe Form und Größenmaße. Die Inschrift auf Ihr lautet :

C. F. Rochlitz, Turmuhrenfabrik, Berlin
Groß & Sohn N. 1731, Stettin 1906.

Die welsche Haube über uns krönt ein Kreuz mit dem alten Schutzsymbol gegen den Teufel, einem Wetterhahn.

Um die Marienkirche lag früher ein Kirchhof, auf dem die ärmeren Leute ihre Angehörigen bestatteten. Er war von einer Glinde (Steinmauer) eingefaßt, durch die 3 Tore führten. 1806 wurde der Kirchhof nach dem Kopfberge verlegt. Ob die Leichensteine, die als Treppenstufen sich sowohl bei Kircheneingängen als auch bei Häusern in der unteren Langen Straße finden, von dem Kirchhofe oder aus der Kirche selbst stammen, läßt sich heute nicht mehr feststellen. In den Anlagen an der Nordseite der Kirche steht die Luther- und Melanchtoneiche, gepflanzt am 31.10.1817, an der Südseite wurde am 31.10.1917 die Bugenhagen- und Barnimeiche gesetzt.