3. Die Herzogin Hedwig.

Während das Lebensbild König Erichs manchmal sagenhaft und verschwommen erscheint, sind wir über die Fürstin Hedwig dank der Neustettiner Lokalforschung sehr eingehend unterrichtet. Daß Neustettin nicht zu einem unbedeutenden Landstädtchen, wie etwa seine Nachbarstädte Bärwalde und Ratzebur herabsank, sondern auch seinen älteren Rivalen Tempelburg heute weit hinter sich gelassen hat, verdankt es hauptsächlich einer Schöpfung jener Fürstin, dem Fürstin-Hedwig-Gymnasium, das 1890 sein 250jähriges Bestehen feiern konnte, Rektoren (Direktoren) und Lehrer an jener Anstalt haben seit altersher das Gedächtnis der hochherzigen Gründerin, deren Bild noch heute in der Aula hängt, pietätvoll gepflegt. Es seien hier nur die neueren Veröffentlichungen auf die ich mich hauptsächlich gründe, namhaft gemacht:

1. Prof. Th. Beyer, Festschrift zur Feier des 250jährigen Bestehens des Kgl. Fürstin-Hedwig Gymnasiums von Neustettin 1890.

2. Prof. E. Wille, Neue Bausteine zur Lokalgeschichte von Neustettin 1909.

3. Prof. Dr. K. Tümpel, Neustettin in 6 Jahrhunderte. Festschrift zur 600 jährigen Jubelfeier 1910,

Wer sich genauer über Herzogin Hedwig unterrichten will - ich kann an dieser Stelle nur in großen Zügen ihr Lebens- und Charakterbild entwerfen - sei auf diese verdienstvollen Arbeiten hingewiesen.

Wie Rügenwalde war auch Schloß und Amt Neustettin im 17. Jahrhundert der Sitz herzoglicher Hofhaltung. Hier residierte einige Jahre Herzog Ulrich, der später Rügenwalde bevorzugte. Ebenso war Neustettin Witwensitz und Leibgedinge der Herzoginnen Anna, Gemahlin Bogislavs XIII., und Hedwig, Gemahlin des Herzogs Ulrich, Bischofs von Kammin und Herrn des Amtes Bütow. Es war unter den pommerschen Herzögen Sitte, daß sie für ihre Witwen ein Amt mit Stadt und Schloß, das dem eingebrachten Heiratsgute, den "vom Bräutigam vertragsmäßig ausgesetzten Geldern und der Morgengabe entsprach", als Wittum festsetzten. Bekanntlich starb 1637 mit Bogislav XIV., dessen Witwe Elisabeth Amt und Schloß Rügenwalde erhielt, das noch vor kurzem so blühende Greifengeschlecht aus.

Die Herzogin Hedwig, geb. 19.2.1595, nach E. Wille S. 175, Tümpel behauptet 1596 S. 186, war eine Tochter des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Lüneburg und eine Schwester des durch den 30 jährigen Krieg wohlbekannten Tollen Christian, Bischofs von Halberstadt. Am 7.2.1619 fand ihre Vermählung mit Herzog Ulrich statt. Nach dem Ehevertrage vom 6. d. Mts. sollte sie von ihrem Bruder Friedrich Ulrich innerhalb eines Jahres 20 000 fl. als Heiratsgut erhalten und mit Kleinodien, Silbergeschirr und Kleidern standesgemäß ausgestattet werden, während ihr Herzog Ulrich eine Morgengabe von 300 Tlr, und ein Handgeld von 200 Tlr, jährlich verschrieb, 4000 fl. jährliche Einkünfte und als Leibgedinge das Amt Neustettin mit den Rechten und Pflichten, wie er es selbst besaß.

Herzog Ulrich hielt sich mit seiner Gemahlin und seinem ganzen Hofstaate jährlich längere Zeit in Neustettin auf, dessen Schloß er den großen Ulrichsbau anfügte. Er vergnügte sich mit Jagd und Fischerei im Streitzigsee, mit Scheibenschießen und Ringelstechen in der Reitbahn. Er wird geschildert als ein "fröhlicher und geselliger Mensch von milder Denkart und leutseligem Wesen, prachtliebend, nur im Trinken unmäßig, was ihn freilich nicht hinderte, bei seinen Untertanen Schwelgerei und Luxus durch strenge Vorschriften zu bekämpfen." Die Ehe sollte aber nicht lange dauern, schon am 31.10.1622 starb er an der Wassersucht (nach Cosmus von Simmer) wie man ja überhaupt den letzten pommerschen Herzögen vorwirft, durch Schwelgerei, Jähzorn und Trunksucht das Aussterben des Greifenstammes verschuldet zu haben. Die Beisetzung Ulrichs erfolgte in Stettin am 8.1.1623; dann reiste Hedwig über Köslin und Rügenwalde nach Neustettin, wo die Huldigung am 14.3.1623 stattfand.

Die Einkünfte der Herzogin bestanden 1623

1. Aus den Erträgen von 4 Vorwerken und 4 Schäfereien.

2. Aus der Pacht von den Amtsbauern und Lehnsmüllern und den Abgaben der Krüger,

3. Aus den Erträgen aus der Fischerei, 3 Ziegelschauern, den Hopfengärten und dem Immenhof in Gönne bei Bärwalde.

5. Aus Zollgeldern.

Bei ihrem Tode 1650 wurden diese Einkünfte auf 13 852 fl. veranschlagt, wovon aber für Verwaltung der Vorwerke, Löhne auf denselben etc. 2242 fl. abgingen, so daß für Unterhaltung des Hofstaates und zum eigenen Verbrauch 11610 fl. übrig blieben. Dazu kamen die Einkünfte Ländereien außerhalb des Neustettiner Amts, die Zinsen ihrer auch in Ländereien angelegten Mitgift von 20000 fl. und ziemlich hoch ausstehende Forderungen beim pommerschen Adel und in Lüneburg, Die Herzogin besaß also ein beträchtliches Vermögen und ansehnliche Einkünfte, wovon ihre Kostbarkeiten und Kleinodien wie auch ihre großen Geschenke ein beredtes Zeugnis ablegen.

Von Hause aus und durch Ihren Gemahl an einen glänzenden Hofhalt gewöhnt, zwangen sie die traurigen Zeiten des 30jährigen Krieges, unter dem Neustettin ebenso wie Rügenwalde furchtbar zu leiden hatte, zu mancherlei Einschränkungen; trotzdem war sie von einer großen Anzahl von Personen umgeben, deren Besoldung, Unterhalt und Deputat große Summen ausmachte. In einem Verzeichnis um 1650 werden 66 Personen als zu ihrem Hofhalte gehörig aufgeführt, darunter 1 Hauptmann, 1 Jägermeister, 1 Hofjunker, 1 Hofprediger, 1 Leibmedicus, 1 Gerichtsprotonotarius, 1 Rentmeister, 1 Sekretarins, 1 Küchenschreiber und Kellermeister, 1 Mundkoch, 1 Silberwärter, 1 Bäcker, Brauer, Goldschmied, Hofapotheker, Uhrmacher, Küchengärtner, Hofschlächter, Laquai, Kammerdiener, Jäger, Schütze, 2 Landreiter, 1 Leibkutscher, Vorreiter, Brauerknecht, Pförtner, Küchenjunge, Küper, Fischer, Hopfengärtner und der Lautenist. Dazu kommt das weibliche Personal, wobei uns "eine Zwergin" auffällt. In andern Verzeichnissen werden auch Hofschneider, Hoftöpfer, Hofmaler und Hoftischler erwähnt, dazu 1 Hausvogt, 1 Stubenheizer, 1 Immenwächter, 1 Scharfrichter u. a. Unsere heutigen Begriffe würden damit den Begriff einer sehr ansehnlichen Hofhaltung verbinden.

Die Herzogin hielt sich am liebsten auf ihrem Witwensitz auf, doch mußte sie auch wiederholt Reisen unternehmen, die sie auch nach Buckow und öfter an den Hof der Herzogin Elisabeth nach Rügenwalde führten.

Ihre ganze Witwenzeit stand unter dem Zeichen des großen Krieges: Teuerung durch Verschlechterung des Geldes, Mißernten, Bedrückungen, Erpressungen, Plünderungen ihrer Untertanen durch Kaiserliche, Schweden und Polen ("kümmelten auch etliche mit Schwedischem Drinken"). 1630 starben allein über 500 Personen in der Stadt an der Pest, in mehreren Dörfern starb die Bevölkerung aus, zweimal mußte die Herzogin auswärts Zuflucht suchen.

Als nach dem Tode Bogislavs XIV. 1637 die Herzogin keine Zinsen von den auf das Amt Zachan eingetragenen Geldern bekam und ebenso das Amt Neustettin fast gar keine Erträge liefern konnte, wollte sie sich für ihren Lebensabend sichern, auch einen minder gefahrvollen Wohnsitz als Neustettin damals sich verschaffen. Daher hat sie vielfache Unterhandlungen angeknüpft und zuerst ihren Oheim Christian IV. von Dänemark, dann ihre Schwesterkinder, dann den Herzog Augustus von Braunschweig-Lüneburg zu ihrem Erben bestimmt. Auch das Testament stieß sie 1650 noch um und ernannte nun letztwillig den Großen Kurfürsten zu ihrem Erben. Falls sie bei ihrem Tode ihr "Begräbnis" noch nicht fertig haben solle, möge der Kurfürst dies erbauen lassen, reiche Legate vermachte sie ihren treuen Dienern, und bestimmte 700 fl. zur Anfertigung ihres Sarges, zur Auskleidung ihrer Stube mit schwarzem Tuch und zur Herstellung Ihrer Grabstätte.

Am 26. Juni 1650 ist sie an den Pocken in der Nacht verschieden, nachdem ihr Hofprediger Bunck wegen ihrer "langwierigen Leibesschwachheit viele Nächte nacheinander allezeit bei ihr wachgewesen". Innerhalb von 3 Monaten nach ihrem Tode wollte sie standesgemäß, "doch ohne besonders großes Gepränge" in der Stadtkirche zu Neustettin in einer Kapelle beigesetzt werden. Infolge ihres plötzlichen Todes ordnete der Große Kurfürst die Erbauung einer würdigen Grabstätte an; vorläufig wurde sie im Neustettiner Schlosse, wahrscheinlich im schwarzen Saale, in einem zinnernen Sarge solange aufgestellt.

Wegen drohender Kriegsläufte befahl der Kurfürst 1654, die Leiche nach Rügenwalde überzuführen. Die Leitung der Beisetzungsfeierlichkeiten am 21.9.1654 lag in den Händen des Geheimrates Adam v. Podewils auf Krangen. Die Trauerrede hielt General-Superintendent Groffe. Der Armenkasten in Rügenwalde hatte eine reiche Einnahme von den Spenden der vornehmen Gäste, und 70 Ellen schwarzes Tuch, - mit denen die Kirchengestühle ausgeschlagen gewesen, wurden an die Armen verteilt.

Zur Erhaltung ihrer Ruhestätte hatte die Herzogin die Zinsen von 200 fl. in ihrem Testamente bestimmt, die nun jährlich nach Rügenwalde gezahlt werden mußten.

Weil die Fürstengruft durch eindringendes Grundwasser immer von neuem beschädigt wurde - die Särge standen öfter halb unter Wasser -, wurden diese auch dadurch arg in Mitleidenschaft gezogen, 1888 die Inschriften auf dem Sarge der Herzogin Hedwig, die nur ausgemalt waren, stark verwischt und der Sarg sehr zerfressen, so wurde durch F. O. Kersten in Berlin dies Prachtstück alter Zinngießerkunst wieder ergänzt und hergestellt. Besonders schön sind die als Ringhalter dienenden Löwenköpfe.

Im Anschluß an den kurzen Lebensabriß sei ein Charakterbild der edlen Fürstin entworfen, der Neustettin soviel verdankt. Gewiß war sie auch ein Mensch mit menschlichen Schwächen und Fehlern, allein auch die strengste Kritik hat ihr nur einen Mangel an Selbstbeherrschung und Versöhnlichkeit vorwerfen können: sie war eben nicht umsonst die Schwester des heißblütigen Tollen Christian. Wenn ihr Unehrlichkeit oder Saumseligkeit bei ihren Untergebenen entgegentrat oder wenn jemand wagte, in ihre Rechte einzugreifen, konnte sie sich zu leidenschaftlichen Worten und Taten hinreißen lassen, aus denen oft unversöhnlicher Groll entsprang. Das mußte nicht allein ihr Hofmeister Jakob Flemming erfahren, von dem sie sich übervorteilt glaubte, sondern auch der hochstehende Geheime Rat Joachim Glasenapp. Ihr ganzes Leben und Handeln weist aber auch soviel edle, verehrungswürdige Züge auf, daß man jene Kehrseite ganz vergißt über der Liebe und Verehrung, der sich ihr Andenken noch heute bei den Neustettinern erfreut.

Sie bot dem Volke in jenen Zeiten der Lauheit und des willkürlichen Glaubenswechsels ein Vorbild seltener Frömmigkeit. Im Ulrichsbau im Schlosse hatte sie eine eigene Kapelle einrichten lassen zu besonderen Gottesdiensten für sich und ihren Hof, hatte aber daneben auch in der Nikolaikirche ihr Gestühl auf dem Fürstenchor, in der Überlieferung wird sie als die Verfasserin des Liedes: "Auf, Zion, auf! Auf, Tochter, säume nicht" bezeichnet. Wahrscheinlich ist dies aber eine Verwechslung, wie sie auch an andern Liedern (Jesus meine Zuversicht) nachgewiesen ist. Von tiefempfundener Frömmigkeit spricht auch das Morgengebet für das von ihr gegründete Gymnasium, wie der ganze Ton ihrer Testamente.

Als deutsche Fürstin verlangte sie deutsche Predigt und deutsche geistliche Belehrung.

Vorbildlich ist auch ihre Sorge für eine geordnete Rechtspflege, selbst wohnte sie oft den Verhandlungen des Burggerichts bei. Ihr Stuhl, von dem aus sie den Verhandlungen folgte, trug die Inschrift: "Ich will des Herrn Zorn tragen, ich habe wider ihn gesündigt", Als das Stadtgericht nicht scharf genug gegen Verbrecher vorging, drohte sie es wieder einzuziehen und von neuem zu besetzen.

Vorbildlich war auch ihr ganzes Leben. Nach dem Tode ihres Gemahls hat sie die Witwentracht nicht wieder abgelegt. Aller Üppigkeit war sie feind. Selber kinderlos, nahm sie Hedwig Bonin als ihr Kind an und erwies allen ihren Dienern die mannigfachsten Unterstützungen, Daß dabei auch ihre Untertanen nicht zu kurz kamen, ist selbstverständlich. Für gebrechliche und kranke Leute des Amtes erbaute sie ein Armenhaus und stiftete die Zinsen von 2000 fl. zur gleichmäßigen Verteilung unter seine Insassen.

Ihre Hauptschöpfung ist aber das Fürstin-Hedwig-Gymnasium, gegründet mitten in den Kriegszeiten, am 15.10.1640. Selber stellte sie den Rektor und Konrektor an und besoldete sie, kaufte auch für beide Stellen je ein Haus und gewährte dafür volle Abgabenfreiheit. Damit diese, ihre Lieblingsgründung, nach ihrem Tode nicht unterginge, setzte sie ihr in ihrem Testamente hohe Legate aus. So konnte sie in Wahrheit von sich bekennen: "Wir haben unsers Orts Gott zu danken, daß Kirchen und Schulen in besserem flore sein, als sie niemalen gewesen, auch die liebe Justiz unverrückt allewege administriert worden."

Nie wird ihr Andenken in Neustettin untergehen.