4. Die Schloßmühle

In der Gründungsakte der Stadt vom 21. Mai 1312 heißt es in deutscher Übersetzung:

"Außerdem sollen genannte Besitzer an unsrer Wipper eine neue Mühle mit 2 Rädern, wo sie gerade wollen, anlegen; von dieser Mühle sollen sie von der Stunde an, wo sie zum ersten Male mit der neu erbauten Mühle zu mahlen anfangen, bis zum Ende desselben Jahres an uns keine Angaben zahlen, von dann an aber jedes Jahr von jedem Rade 10 Drömte von Getreide der Mühle, die mit Lübischem Maß zu messen sind, ohne weiteres an unsere Familie (der Swenzonen) abgeben. Wenn die Besetzer in Zukunft mehrere Räder nötig haben, so sollen sie auf die Weise, die wir vorhin erwähnten, ein ganzes abgabenfreies Jahr haben und ebenso von jedem zugefügten Rad in jedem Jahr 10 Drömt des oben erwähnten Getreides abgeben. Wenn aber Lachse zufällig über unsere Wehr springen und sie, sowie Fische jeglicher Art in dem Wasser, das die Mühlen treibt oder in der Strömung, die man Schleusen nennt, gegriffen werden, sollen sie die Besetzer auf jeden Fall für sich behalten."

Aus dieser Urkunde ersieht man, daß schon vorher eine Mühle und ein Lachswehr vorhanden waren, die Mühle wahrscheinlich in sehr baufälligem Zustande.

Nach Kleinpaul "Die Ortsnamen im Deutschen", sollen schon im 4. Jahrh. n. Chr. in der römischen Provinz Germanien Wassermühlen bestanden haben. Dann wird von einem Recken des Dietrich von Bern erzählt, daß er an einen Fluß kam, an dem eine Mühle stand. Jedenfalls kannten also schon die alten Germanen neben ihren Handmühlen auch Wassermühlen, und diese wurden oft der Ausgangspunkt von Niederlassungen. Der Umstand, daß man gerade bei Mühle und Schloß, die an der Wipper ja zusammenstoßen, germanische Bronzen im Wasser fand, gibt wenigstens zu denken. Soviel können wir wohl als sicher annehmen, daß schon bei der 1. Stadtgründung 1270 auch eine Mühle angelegt wurde.

In den ostelbischen Kolonialstädten war das Bürgerrecht der deutschen Bürger immer an Grundbesitz geknüpft. Jede neue Siedlung setzt also eine Mühle voraus. Weil die Landesherrn das Hoheitsrecht über alle Gewässer hatten, pflegten sie ihr Mühlenregal, die Überweisung von Zwangs-Mahlgästen, um sehr hohen Zins an fürstliche Müller zu verpachten und behielten es sich meist bei Stadtgründungen vor. Nur den Klöstern war gestattet, sich Mühlen zu bauen (nicht allgemein geltend). Es ist also nicht Zufall, daß Schloß und Mühle dicht nebeneinander liegen, wir finden das auch in Stolp, Neustettin und Lauenburg. Auch hier in Rügenwalde behielten sich die Swenzonen die Mühlenabgabe vor.

Wie wir schon im 1. Abschnitt sahen, kauften die Herzöge die von den Besetzern neu erbaute Mühle 1352, nachdem die Hoheitsrechte der Swenzonen schon vorher an sie übergegangen waren. Die Besetzer hatten sie schon früher an die Familie Behr verkauft, sicherlich sehr zum Ärger der Stadt; denn jede suchte vor allem Mauer-, Markt- und Mühlenrecht zu erwerben. Dadurch war die Mühle in fürstlichen Besitz gekommen und wurde 5 Jahrhunderte hindurch eine nie versiegende Quelle von Ärgernissen. Die Stadt besaß ja auch noch eine eigene kleine Windmühle bei Grupenhagen, die aber 1 Meile entfernt lag und kaum für die Bürger in Betracht kam, daher waren diese auf die Schloßmühle angewiesen. Weil die Amtsbauern wegen ihrer Feldarbeit nicht warten sollten, mußten die Bürger hinter ihnen zurückstehen. Wenn ein Bürger einem Amtsbauern etwas schuldig war, dann brauchte der es nur dem Schloßhauptmann zu melden, und der legte gleich Beschlag auf das Korn, das der säumige Rügenwalder zur Mühle brachte. Zeigte man den Schloßmüller wegen Nachlässigkeit beim Hauptmann an, so war dieser gewöhnlich auf dem Ohre taub; kurz, es gab Anlaß zu unaufhörlichen Ärgernissen.

Der auffallend hohe Kaufpreis von 1500 Mark in damaliger Zeit erklärt sich aus den großen Gerechtsamen der Schloßmühle. Als Mahlgäste waren derselben nach Brüggemann beigelegt: "Die Einwohner der Stadt Rügenwalde mit der ganzen Consumtion, die königl. Amtsdörfer Altenhagen, Barzwitz, Böbbelin, Dörfentin, Damshagen, Jershöft, Kopahn, Köpnitz, Neuenhagen, Palzwitz, Rützenhagen, Scheddin, Schönenberg, Schlawin, Preetz, Vitte und Zillmitz, die Vorwerke Drosedow und Petershagen, wie auch die Rügenwaldeschen Eigentumsdörfer Rußhagen, Suckow und Zizow."

Am 5. August 1627 brannte sie durch Unachtsamkeit der fürstlichen Mühlenknechte zum größten Teil nieder, wobei viele Personen beschädigt wurden. Um die ungeheuren Lasten des 30 jährigen Krieges tragen zu können, bekam der Rat die Erlaubnis, von jedem Scheffel Korn, der gemahlen wurde, den Stadtschilling zu erheben.

1648 werden als Gebäude aufgeführt: Das 1. Zimmer (Haus), die große Mühlenstube und das 2. Mühlenzimmer. Die Mühle hatte 5 Mahlgänge. Auch gehörten dazu zwei Wind- oder Freischleusen und ein kleines Lachshaus auf dem Lachsbrink aus ausgemauertem Fachwerk. Sie lag also ziemlich an der Stelle der heutigen. Davor war ein alter Prangerpfahl aufgestellt. Es wird nämlich beim Mühleninventar ein altes Halseisen aufgeführt, "weil die Säule oder Pfeiler hat müssen abgenommen werden". Der Schloßmühle gegenüber "auf der andern Schloßbrücken nach der Stadt werts hinter dem Mühlenhause" lag die Kanzlei, noch zu meiner Zeit als Wohnhaus benutzt.

Nach dem Reskript vom 22.2.1748 sollten sämtliche Königl. Amtsmühlen an Erbpächter ausgetan werden. Der damalige Pächter Daniel Runge erstand sie gegen 910 Rtlr. jährlich, so war aus der Königl. Schloßmühle eine E r b p a c h t m ü h 1 e geworden. Es folgte der 7jährige Krieg, Runge starb und hinterließ eine Witwe mit 1 Sohne, die Mühle lag ganz darnieder. Die Witwe heiratete den damaligen Mühlenmeister Martin Grantzow, der die Mühle unter denselben Bedingungen am 14. April 1769 antrat.

Der noch erhaltene Erbpacht-Kontrakt (Köslin, Rügenwalde Depot N. II T. 4) ist mit seinen 20 § sehr umfangreich, aber für Kenntnis der Mühlen-Gerechtsame unentbehrlich. Seine wichtigsten sind folgende: "Der ,,Erbkäufer" bekommt das erforderliche Holz für die Mühleneinrichtung unentgeltlich, das die Amtsbauern zu allen Zeiten anfahren müssen. Bei neuen Wasserbauten müssen sie die Handdienste leisten, dagegen hat der Müller die Gebäude in Stand zu halten. Er bekommt jedes Jahr das unentbehrliche Nutz- und Schirrholz unentgeltlich verabfolgt und angefahren, dazu als Brennholz 8 Faden angewiesen. Die Aufräumung des Mühlengrabens erfolgt unentgeltlich von den Mahlgästen, die ebenso die Mahlsteine anfahren müssen. Für den Gaststall zur Unterbringung der Pferde der Mahlgäste wird das Eichenholz unentgeltlich geliefert und angefahren. Der Müller ist von der Accise befreit, für Bierbrauen im Hause hat er jährlich aber 4 Rtlr. zu zahlen. Wenn Zwangsmahlgäste auf andern Mühlen mahlen, müssen sie dem Schloßmüller die ausfallenden Metzen doppelt ersetzen. Eine Erbpachtermäßigung tritt bei Unglücksfällen ein oder wenn die Garnison fortgenommen wird. Der Erbpächter und seine Erben dürfen die Mühle an einen tüchtigen Müller weiter verpachten oder verkaufen, jedoch bei einer Veräußerung an Fremde behält sich Se. K. Majestät das nähere Recht vor."

Zur Herbeischaffung der schweren Eichenblöcke auf den schlechten Wegen und wenig tragfähigen Wagen waren nicht selten gegen 100 Pferde erforderlich und zur Reinigung des Schloßgrabens auch eine große Zahl von Mannschaften, was wieder Anlaß zu neuen Reibereien gab.

Am 19. Mai 1824 kaufen die Mühlenbesitzer Stengelschen Eheleute das Grundstück nebst der neuen Mühle eigentümlich für 6000 Tlr. So war aus der Erbpachtmühle eine Eigentumsmühle geworden. Die neue Mühle war die schon lange eingerichtete Schneidemühle. Von Stengel erwarb die Mühle 1839 Ernst Gerth, dessen Namen sie noch heute trägt. Der endgültige Kaufkontrakt vom 22.10.1841 ist wieder sehr ausführlich. Uns interessiert hier nur, daß alle Mühlengerechtsame aufgehoben sind. Die Mühle befindet sich heute noch im Besitze der Nachkommen des Ernst Gerth.

1883 brannte die Schloßmühle gänzlich nieder. Darüber findet sich in den Akten ein Bericht, der eines humoristischen Beigeschmackes nicht entbehrt.

Rügenwalde, den 7. August 1883.

Der Königl. Regierung berichte ich folgendes gehorsamst. In der letztverflossenen Nacht um ½ 12 Uhr brach in der, der Witwe Gerth gehörigen Mühle am Nordende des Lachsbrinks nahe dem Königl. Schlosse gelegenen Schneidemühle Feuer aus, das in kurzer Zeit derart um sich griff, daß das Wohn- und Mühlengebäude, das Stallgebäude und der Kornspeicher sämtlich der Witwe Gerth gehörig in Flammen standen und auch total niederbrannten. Von den unmittelbar an das erwähnte Etablissement stoßenden fiscalischen Gebäuden, Schleusen und Bohlwerken ist, sowie sich das bis jetzt übersehen läßt, mit Ausnahme der Warnungstafel am Eingange der Lachsbrinks, welche neu geweißt und beschrieben werden muß, nichts beschädigt. Auch die Schleusenwerke der Gerth‘schen Mühle sind im Wesentlichen erhalten, so daß die Regulierung des Wasserstandes ohne irgend welche Störung weiter ausgeübt werden kann. Beiläufig füge ich noch gehorsamst hinzu, daß die Witwe Gerth versichert hat und das Vieh und das Mobilar ausnahmslos gerettet sind. Die Hitze war eine so intensive, daß die Schleuse K und auch das Schloß in hoher Gefahr schwebten. Nur durch das ununterbrochene Begießen der Schleuse resp. Bespritzen des Schlosses, in welchem die Fensteröffnungen nur mit Brettern ausgefüllt sind, wurden diese Baulichkeiten vor dem Verbrennen gerettet....

Von den alten Mühlengebäuden steht heute nur noch der alte Gaststall. Die alte Loh- und Walkmühle ist mit der Schloßmühle vereinigt. In den letzten Jahren hat die 1883 wieder aufgebaute Mühle umfangreiche Erweiterungen erfahren. 1893 wurde eine Elektrizitätsanlage geschaffen, die auch heute noch, inzwischen ausgebaut, für unsere Stadt die einzige elektrische Licht- und Kraftquelle geblieben ist. Die Partie am Schloßgraben mit der sich aus terrassenartig vom Graben aufsteigenden schönen Gartenanlagen erhebenden Villa gehört mit zu den schönsten unserer Stadt.

Gebäude außerhalb der Schloßinsel.

Zu dem Schlosse gehörte außerdem:

1. Die Ziegelscheune, die heutige Stadtziegelei. Sie ist einst von Buckow hierher verlegt worden. 1648 standen hier 1 Wohnhaus mit 2 Stuben und 1 schlechten Backofen, 1 Ziegelofen, 1 Kalkofen und 1 Trockenscheune mit 17 Dielen und 2230 Ziegelbrettern.

2. Karthause bei der großen Freiheit. Sie war 1648 mit einem guten Hakelwerk umgeben. Durch einen Torweg gelangte man auf einer hölzernen Brücke über einen Graben, der einen Garten von 47 Ruten Länge und 42 Ruten Breite umschloß. "In dem Garten seindt viel Obst- und andere Bäume." Von den Klostergebäuden stand noch ein "altes Hauß von zehn Bundt" unten gemauert, oben und unten gewölbet, aber sehr verlassen und verfallen."

Auch in der Stadt wohnten Schloßbeamte in Häusern, die eigens für sie erbaut waren. So schenkte die Fürstin Elisabeth 1650 dem Hauptmann v. Krockow das Riensberg-Wendt‘sche Haus an dem Anfange der Münder Straße, dessen edle, teilweise noch erhaltene Renaissance-Formen auf eine Bauzeit Anfang des 17. Jahrhunderts deuten und von dem aus ein unterirdischer Gang zum Schlosse geführt haben soll. Am Kanal sieht man am Otto‘schen Hause eine eingemauerte Laurentiusfigur mit dem Rost und der Jahreszahl 1648, die man vor 70 Jahren beim Ausschachten der Fundamente fand. Der auf dem Rost gebratene heilige Laurentius war der Patron der Köche. Vielleicht wohnte hier der Schloßkoch.