7. Mittelalterliche Rechtspflege.

Im Stettiner Staatsarchiv liegen 2 umfangreiche Aktenstücke zusammen 961 Blätter aus dem 17. Jahrhundert die den Prozeß enthalten, den Zanow um seine Eigenschaft als Imediatstadt geführt hat. Der Prozeß zieht sich viele Jahre hin. Sich durch diese Massenansammlung von Klagen und Gegenklagen, Beweisen und Gegenbeweisen, Behauptungen, Zeugenverhören und Urteilen hindurchzuarbeiten, mag einem juristisch veranlagten Gemüt wohl ein besonderes Vergnügen bereiten, insbesondere die richterliche Latinität und schwer entzifferbare Handschriften; aber ein normaler Mensch verzagt dabei. Wenn ich nun trotz alledem mich hindurchgearbeitet habe, so geschah das nicht etwa des höchst langweiligen Prozesses halber, sondern wegen allerlei kulturgeschichtlich wertvoller Nachrichten, die sich darin zerstreut fanden.

Über den Immedietät-Prozeß will ich nur ganz kurz folgendes sagen. Als der Große Kurfürst nach 1648 vom Rügenwalder Amt Besitz ergriff, geriet Zanow mit der Regierung in Konflikt. Die Stadt verlangte Sitz und Stimme auf den Landtagen und die Kriminalgerichtsbarkeit. Beides wurde ihr 1653 und 1662 abgesprochen und sie für ein ,,Amtsstädtlein des Rügenwalder Amtes" erklärt. Aber schließlich errang die Stadt ein obsiegendes Urteil und erhielt den letzten Sitz unter den hinterpommerschen Städten auf den Landtagen. Um die Kriminalgerichtsbarkeit nachzuweisen, sind allerlei alte Prozeßakten beigefügt, in denen sie vom Zanower Rate ausgeübt worden ist, und diese Beigaben waren es, die mein unjuristisches Gemüt aufs lebhafteste anzogen. Ich werde hier nur eine Blütenlese daraus vorsetzen.

Am 2. Juli 1643 fand sich in Zanow ein Knabe ein, der angab, er heiße Nickel Weyling, stamme aus Danzig und sei von 3 Straßenräubern geschickt, um auszukunden, ob nicht Leute mit Geld auf den Danziger Dominik (ein Jahrmarkt, der mehrere Wochen andauerte) reisen würden, die sie dann überfallen und niedermachen wollten. Weil sie ihn aber zu sehr geschlagen hätten, wolle er nicht zu ihnen zurück. Er habe bei ihnen Menschenblut trinken müssen. Auch haben sie ihm ein "Pfeifchen von eines Kindes, welches einem schwangeren Weibe aus dem Leibe, so sie ermordet, geschnitten, Arme gemachet," gegeben. Damit sollte er ein Signal bei seiner Rückkehr an einer Stelle im Abtshäger Walde geben. Er habe die Pfeife aber verloren. Auch haben sie die Därme von dem ungebornen Kinde genommen und darin Diebslichte gemacht. Im Abtshäger Walde haben sie auch "einen Kerl umgebracht". Das hatte der Knabe bei einem Schlächter in Zanow erzählt, der es dem Rate berichtete, worauf der Weyling verhört wurde. In den Protokollen will der Junge erst nicht heraus mit der ganzen Wahrheit, weil er sich selber damit belastet. Das Ergebnis ist folgende Feststellung.

Nickel Weyling ist 16 Jahre alt, Sohn des Fourirers Valentin Weyling in Dantzke Münde. Vor 4 Jahren ist er seinem Vater davongelaufen und hat sich seit der Zeit mit 3 Straßenräubern und 2 Weibsbildern umhergetrieben bei Mährisch Neustadt und Stettin. Der eine Räuber, Hans genannt, sei ein Student, Sohn eines Predigers aus Danzig, mit roten Haaren, einem roten Koller und schwarzem Hute und einem Degen. Der zweite, Peter, Sohn eines Kürschners aus der Paradiesgasse in Danzig, ist ganz in Leder gekleidet; mit flachsenem Haar und 1 Zopf hat er eine breite Narbe an der Stirn und führt ein langes, 3 Finger breites Messer. Caspar, der dritte Räuber, stammt aus Elbing, führt ein Pistol und ein Hammerbeil. Auch haben sie Hacken und Spaten bei sich.

Als sie 3 Meilen von Stettin gewesen, habe ihm Hans ein blutig Hemde gegeben, damit er es waschen solle. Einige Tage darauf hat er wieder 2 blutige Weiber- und 1 blutiges Mannshemde waschen sollen. Als er sich weigerte, weil ihm ,,grauerte", bekam er eine Ohrfeige und mußte Menschenblut trinken, damit er das Grauen verlor, ihm ist aber übel danach geworden, "als wenn es ihm das Herze abstoßen wolle". Danach hat Hans in der Heide bei Stettin "bei Mondenschein ein schwanger Weib niedergeschossen, die Frucht ausgenommen, von dem Bregen ihm eine Messerspitze eingegeben. Die Därme hatten sie von dem Kinde auch genommen, und gedröget, selbige gemacht, daß es brennen und zu alle werde, wenn einer klopfet, daß er nicht aufwache". Am Rande steht die Bemerkung: "Von dem Knochen aus dem linken Ärmchen hatten sie die Pfeifen gemacht."

Bemerkung. Sonst findet sich in mittelalterlichen Strafprozessen, daß zu Diebslichtern die Finger ungeborener Kinder gebraucht wurden, weil sie nach dem Aberglauben unsichtbar machen sollten. Wie die Diebslichter gewonnen und gebraucht wurden, schildert Ernst Moritz Arndt ausführlich in Band II seiner Märchen und Jugenderinnerungen. Dort heißt es: "Ihr habt auch wohl von Diebslichtern gehört. Die sind fast ebenso wie der Raben-stein und wie andere unsichtbare Diebslaternen. Es ist aber greulich, zu erzählen, wie Diebslichter gewonnen werden. Sie sind die Finger von ungeborenen und unschuldigen Kindlein; denn die Finger von schon geborenen und getauften Kindern kann man nicht dazu gebrauchen. Und was für ungeborene Kindlein sind das? Und wie muß man die Lichter gewinnen? Wenn eine Diebin oder Mörderin sich selbst erhängt oder ersäuft hat oder gehängt oder geköpft worden ist, dann mußt du hingehen um die Mitternacht auf des Teufels Straßen mit Beschwörungen und Zaubereien und mußt ein Beil oder Messer nehmen, das von Henkershänden gebraucht ist, und damit den Bauch der armen Sünderin öffnen, das Kind herausnehmen und feine Finger abschneiden und zu dir stecken. Aber solches muß durchaus um die Mitternacht vollbracht werden und in vollkommenster Einsamkeit und Schweigsamkeit, so daß auch kein leisester Laut, ja kein Ach und kein Seufzer über die Lippen des Suchenden gehen darf.

So gewinnst du Lichter, die, wann du willst, brennen und, wie kurz sie auch sind, doch nimmer ausbrennen, sondern immer gleich lang bleiben. Diese Zauberlichter haben die sonderliche Natur und Eigenschaft, daß sie augenblicklich brennen, wie und wo ihr diebischer Inhaber nur denkt oder wünscht, daß sie brennen sollen, und ebenso geschwind als sein Wunsch und Gedanke erlöschen. Durch ihre Hilfe kann er in der dichtesten finstersten Nacht, wann und wo er will, alles sehen; sie leuchten aber nur für ihn und keinen andern, und er selbst bleibt unsichtbar, wenn sie auch alles andere hell machen. Dabei sitzt noch die Greulichkeit in ihnen, daß sie eine geheime Gewalt über den Schlaf haben und daß in den Zimmern, wo sie angezündet werden, der Schlafende so fest schnarcht, daß man zehn Donnerbüchsen über seinem Kopfe losknallen könnte und er doch nicht erwachte. Denke, wie lustig sich da stehlen und nehmen läßt!"

Dieser Glaube scheint allgemein verbreitet gewesen zu sein und sich weit bis ins vorige Jahrhundert hinein erhalten haben. Aus meiner Jugendzeit erinnere ich mich noch mancher Geschichte, in der von Diebslichtern die Rede war. Doch wieder zurück zu unserm Prozeß.

"Vor 8 Tagen haben sie im Cöslinschen Orte einen Bauern umgebracht, war in einem Grunde gelegen, da der Peter ihn durch den Kopf geschossen, der Hans aber das Rohr aus der Hand gerissen und dem Bauern, wie er gelegen, in den Kopf geschlagen, darauf denselben nackend ausgezogen, mit dem großen Messer den Kopf abgeschnitten, in dem Grunde eine Grube gemacht."

Kasper und Peter haben jeder ein Weib bei sich. "Der Hans habe auch ein Buch (Zauberbuch), wenn er darin lese, dann komme ein Haufen Reuter. Wie er einmal darin gelesen, da war ein großer Platz voll Reuter gekommen. Sie aber hatten nicht reden oder lachen müssen."

Der Junge war von den Räubern als Kundschafter gebraucht worden, wie sich allmählich herausstellte. So hatte er sich auch in Schlawe bei Ewald Massow in der Herberge eingefunden und demselben geklagt, er sei eine Waise, habe seit 2 Tagen nichts gegessen und gebrochen und flehentlich gebeten, ihn doch in Dienste zu nehmen. Das geschah aber nur, weil Massow eine große Ladung Wolle nach Danzig abführen wollte, wofür er "350 Schll. gelöset". Der Junge war nachher ausgerissen. Während die Räuber sich meist in den Wäldern aufhielten, mußte der Junge betteln in den Dörfern gehn. Wenn das zum zweitenmale in demselben Dorfe geschah, mußte er die Kleider umkehren, damit sie ihn nicht wiedererkennen sollten. Bei solchen Kundschaften habe ihm der Hans allzeit einen großen messingschen Ring mit einem Petschier Stein zum Schutze mitgegeben.

Die Protokolle wurden an den Schöppenstuhl Stettin geschickt, und der entschied:

"Daß der eingezogene Nickel Weyling über seine freiwillig zugestandenen Untaten in Güte nochmalen umständiglich und genau zu befragen, und da er ein mehreres nicht, denn er gutwillig ausgesaget, bekennen sollte, nach vorhergegangener harter territion und zwar in Ansein des Angstmannes und Vorlegung der zur Peinlichkeit gehörigen Instrumenten, alsdann der leidtlichen tortur und nicht weiter, nämlich mit zur Schnürung der an den Händen applizierenden Bänder und endlich erträglicher Anziehung der Beinschrauben zu belegen und vermittelst derselben wie und welcher Gestalt er zu den Räubern und Mördern geraten."

Das geschah denn auch, und als ,,der Angstmacher seine Instrumenten gezeiget, ihn auf die Folter gesetzet und etwas die Hände gebunden," da kam außer einem Kircheneinbruch noch allerlei zum Vorschein. Der Junge gab auch an, dem einen Ermordeten mehrere Schläge versetzt zu haben. Die Streifen nach seinen Spießgesellen blieben erfolglos.

Darauf erging unterm 12. September 1643 aus dem Fürstl. Hause Rügenwalde das Urteil, daß ob er wohl durchaus mit solchen unmenschlichen Untaten das Rad oder Schleifen verdient, aus fürstl. angeborner Gnade wegen seiner Minderjährigkeit verschonet und allein mit dem Schwerte zu strafen. Das geschah denn auch an demselben Tage in Rügenwalde, wohin er zur peinlichen Befragung gebracht; denn unter dem Todesurteil steht, wahrscheinlich von der Hand des Geistlichen: "eodem die executum. Finita publicatione hatt er endlich alles gestanden. Es war ihm herzlich leid. Vermahnet dabei die Stiefväter und Mütter, ihre Kinder besser zu halten, daß sie solchen Gang nicht gehen müssen."

Etwa eine Woche später traf ein Schreiben des Danziger Rates ein, daß es gelungen sei, die andern Straßenräuber dort festzunehmen. Am Ende ist noch eine Nachschrift des Hofpredigers Bylang, der zusammen mit dem Geistlichen Panthenius aus Petershagen den Verurteilten für den letzten Gang vorbereitet.

"interrogatus, ob er auch die Leute mitgeschlagen.
Ja, er habe mit einer Keule auf einen 3 Schläge, 2 auf die Brust und einen Schlag auf den Hals gegeben, sonsten, wo er beigewesen, habe er nicht geschlagen. Nachdem er Menschenblut getrunken, sei er, als wenn er anders geboren geworden. Er habe möglichst die Leute zu erschlagen gehabt. Auch haben ihm die andern geweiset, sieh so mußt du schlagen, auch habe er die Leute, welche er erschlagen, ausziehen müssen."

Es ist ein grauenhaftes Bild menschlicher Roheit und Vertiertheit aus der Zeit des 30 jährigen Krieges, das sich hier vor unsern Augen aufrollt. Möglich, daß in Danzig die Akten über die andern Unmenschen noch vorhanden sind.

2. "Wir armen unglückseligen Leute haben wohl Ursach rechtschaffen zu queruliren. Was mags uns aber helfen, wenn wir gleich tausendmal die Urteile inter casus tortuitos zählen wollten!,, So beginnt 1662 die 74 Folioseiten umfassende Beschwerdeschrift des Bürgermeisters und Rats der Stadt Zanow über die kurfürstl. Beamten zu Rügenwalde. Nicht weniger als 201 Punkte führen sie auf.

"Es ist ein Städtlein, Zanow genannt, im Pommern belegen", beginnt die auch sehr umfangreiche Rechtfertigung des Schloßhauptmanns, nachdem schon vor mehreren Jahren 32 Zeugen in Sachen der Immedietät Zanows in Rügenwalde vernommen. Es sind sehr interessante Streiflichter, die hier die mittelalterliche Rechtspflege beleuchten. Die Zeugen widersprechen sich manchmal, doch geht unzweifelhaft aus den Aussagen hervor, daß Zanow eine Richtstätte mit einem Galgen, Brandpfählen und "alten zerbrochenen Rädern" gehabt hat. Jochim Rahmeln aus Nemitz hat einmal "2 Missetäter hangen gesehen". Der Zanower Rat hat vorsorglich mehrere beglaubigte Todesurteile beigefügt.

1609 hatte Peter Lemm aus Zanow Straßenraub begangen und einen Rügenwalder Nadeler ermordet. Er wurde vom Rat eingezogen, nach Rügenwalde gebracht, hier peinlich verhört und zum Rade verurteilt, und zwar sollte die Strafe in Zanow selbst vollzogen und er vor seinem eigenen Hause zum Exempel aufs Rad geflochten werden. Auf inständiges Bitten wurde erlaubt, daß er außerhalb der Stadt "aufs Rad geleget und mit Zangen gezogen" wurde. Zum Tode durchs Rad sei auch angeführt:

"1522 wurde Jakob v. Kleist, erbgesessen auf Crolow, von Caspar Manteuffel in der herzoglichen Burg zu Bütow meuchlings erstochen. Der Meuchelmörder wurde deshalb im beisein aller Kleiste, die zu der Zeit lebten, zu Rügenwalde mit dem Rade von unten aufgerichtet.

Am 28. September 1622 wurde Chrill Dumke wegen begangenen Diebstahles und anderer groben Mißhandlungen peinlich gestrafet und andern zum Abscheu öffentlich am Galgen mit dem Strange und Ketten vom Leben zum Tode gerichtet. Ihm folgte mit derselben Strafe 2 Jahre später Ambrosius Schütten wegen begangenen Diebstahls. 1635 wieder wurde Jesse Lemme, weil sie Ehebruch getrieben und das Kind im Bette erstickt, mit dem Schwerte hingerichtet. Der Verführer mußte für 3 Jahre auf "abgeschworener Urpfehde Zanow verlassen". Und so geht es fort. Allein ich glaube, der Leser hat an diesen Proben genug, wenn ich noch verrate, daß von besonders schweren Verbrechern die Köpfe abgeschlagen und auf ragende Pfähle beim Schloß gesteckt wurden.

Wo der Scharfrichter in Rügenwalde gewohnet, läßt sich nicht mehr ermitteln. Für gewöhnlich wohnte er abseits der Stadt, ein solcher Platz ist aber auf keinem Stadtplan angegeben, man muß also schon annehmen, daß er an der Stadtmauer wohnte. Aus dem 17. Jahrhundert sind die Namen einiger Scharfrichter erhalten: Hans Prasser 1627, Jürgen Langeböse 1654, Michel Unger 1658, Wendel Schubert 1678-1686, Hans Caspar Anckermaun 1688-1690 und Hans Gerwien nach 1690. In den Jahren 1720-30 werden sogar 2 Scharfrichter aufgeführt, einer fürs Amt und einer für die Stadt; ob das schon früher so gewesen, weil ja auch 2 Galgen vorhanden waren, ließ sich nicht feststellen."

In St. A. P. I. Tit. 73 N. 4 wird über die Gebührnisse des Scharfrichters aus der Amtskasse 1620 berichtet:

"Dem Scharfrichter zu Rügenwalde jährlich: vier Schweine, wenn mast vorhanden frey zu lauffen, 1 Drombt Rogge, 6 fl zur Kleidung. Essen und Drinken, wenn er jemands rechtfertiget oder in die Stadt so viel Geldes zu langen, 1/2 fl. 1 Schffl. Roggen von jeder gefegnus (Gefängnis) und einem jedern heimlichen gemach zu reinigen.

1/2 fl wen er jemands mit der peine verhöret
1 fl 32 ßl wen er jemands enthaupt
1 fl 32 ßl wen er jemauds mit dem Rade todtet
1 fl 32 ßl wen er einen heucket
2 fl 24 ßl wen er jemands brennet
2 fl 24 ßl für vierteilen
1 fl für daz austreichen oder stupen Schlagen
32 ßl für ohren abschneiden
24 ßl für das verweisen des Landes
in allen Fällen dazu auch 12 ßl trinckgeldt.

Dieß wirtt ihm wegen M. g. h. wen er jemands rechtfertiget von den fl. Ambtleuten gelanget. Wen aber die pauren oder jemands frembdes einen rechtfertigen lassen, gehört Ihme von der personen 5 fl, Essen und trincken und sein trinckgeldt nach gestalt der Sachen, alß er einen rechtfertiget und todtet oder wie man mit gestalt der Sachen handeln könne und das todten und straffen werdig zurequiren."

Hier haben wir ein Verzeichnis der Strafen und Todesarten: peinlich verhören, enthaupten, rädern, henken, brennen, vierteilen, häupen, die Ohren abschneiden und des Landes verweisen. Gelegentlich werden auch noch andere genannt, So das Pfählen und Sacken. Wie es dabei im einzelnen zuging, das ist nichts für schwachnervige Leser, ich will nur einige kurze Erklärungen geben. (Über die peinliche Frage oder Tortur wird bei den Hexenprozessen im nächsten Bande ausführlich berichtet werden.)

Enthaupten und Hängen müssen als mildeste Todesstrafe angesehen werden. Das Enthaupten galt für eine gewisse Bevorzugung; denn das Hängen wurde als entehrend angesehen. Die Enthauptung geschah früher wohl fast ausnahmslos mit dem Schwerte, das Richtbeil findet sich erst später; bei der letzten Hinrichtung in Rügenwalde, bei der fünffachen Kindsmörderin Fik Göden 1814 ist nichts erwähnt. Richtschwerter finden sich in großer Anzahl im Stettiner Altertumsmuseum. Es sind breite, gerade, zweischneidige Klingen mit einem langen Griff, weil er mit beiden Händen angefaßt wurde. Mancher Aberglaube knüpft sich an sie. Wenn eine Hinrichtung bevorstand, so zeigte das Richtschwert es dem Henker schon vorher durch unruhiges Bewegen im Schranke an. Ebenfalls bewegte es sich, wenn jemand, sei es auch ein Kind, der dem Schwerte später verfiel, die Scharfrichterstube betrat. Der Scharfrichter konnte ihn dann von dem drohenden Schicksal erlösen, wenn er das Schwert nahm und den Hals des Betreffenden damit ritzte. Dann hatte eben das Schwert das Blut des Todgeweihten schon getrunken und war befriedigt. Das ist mir öfter erzählt worden.

Als schimpflichste Strafe galt das Rädern. Es wurde für Mordbrenner, Straßenräuber und Kirchenräuber augewandt. In alten Erzählungen findet man öfter den Zusatz: "lebendig aufs Rad geflochten". Der Ausdruck ist mir nicht recht verständlich. In der Beilage zur Kösliner Zeitung "Unsere Heimat" Nr. 13 1924 schreibt Hans Spielberg-Köslin darüber: "Die Strafe durch das Rad, das Rädern, vollzog man auf zweierlei Art. Entweder zerschlug man mit einem schweren Rade dem Verbrecher die Glieder von oben herab, und zwar zunächst mit einem Stoße gegen die Brust, der ihn meistens schon der Besinnung beraubte, weshalb man ihn den Gnadenstoß nannte, oder man begann das Rädern von unten herauf mit der Zerschmetterung der Unterschenkel und Unterarme, dann der Oberschenkel und Oberarme, worauf dann nach dem Bruststoße der Körper auf ein Rad gebunden wurde, das wagerecht auf einem Pfahle steckte." Noch vor etwa 100 Jahren soll der Kösliner Scharfrichter Fuchs, der 1836 im Amte war und 1885 starb, einige Straßenräuber, die im Gollen aufgegriffen waren, vor dem Neuen Tore in Köslin durch das Rad zum Tode befördert haben. Die letzte Hinrichtung durchs Rad "von unten auf" ist an dem Raubmörder Carl Gottlob Kober, einem Müllergesellen, am 26. Mai 1820 morgens zwischen 7 und 8 Uhr auf einer Anhöhe zwischen dem Amte Codram und Dannenberg auf einem 6 Fuß hohen Blutgerüste durch den Scharfrichter Meyer aus Treptow a. Rega vollzogen worden. Das Kösliner Rad wird noch heute im Märkischen Museum in Berlin aufbewahrt. In Köslin soll es noch einige alte Leute geben, die sich daran erinnern können, auf der alten Richtstätte Pfähle von Galgen und Rad gesehen zu haben. Von der letzten Hinrichtung in Rügenwalde durch den hiesigen Scharfrichter Berndt erzählte noch der jetzt auch verstorbene Ackerbürger Aschendorff. Sie fand auf dem Schindanger bei Rußhagen statt. Aschendorffs Vater kam gerade vom Zanower Jahrmarkte, als er vorbeifuhr. Er hatte sich so eingerichtet, um das mitansehen zu können. Nach vollzogener Hinrichtung stürzten viele herbei, um ihre Taschentücher ins Blut tauchen zu können. Sie glaubten, daß das Blut der Gerichteten das beste Mittel gegen mancherlei Krankheiten, besonders gegen Krämpfe sei. Die Stadt zahlte an Berndt für die Vollstreckung des Urteils 40 TIr. 13 Gr.

Vielleicht noch gräßlicher als das Rädern war das Vierteilen, wobei man die 4 Gliedmaßen des Verurteilten an 4 Pferde band, die dann mit Gewalt auseinandergetrieben wurden. Aber die Strafe des Rades war manchmal noch wie bei Peter Lemme in Zanow durch das ,,Zangen" verschärft, wobei einzelne Teile des Körpers, auch innere Organe, mit glühenden Zangen herausgerissen wurden. Frauen, besonders Kindsmörderinnen, wurden häufig gesäckt wie der Fall 1698 in Scheddin beweist. Die Frauen wurden in einen Sack gesteckt, dieser zugebunden und dann von der "Sackbrücke" vor den Preetzer Fichten heruntergestoßen. Kindsmörderinnen wurden auch wohl gepfählt, indem man ihren Körper mit Erde bedeckte und dann einen spitzen Pfahl hindurchtrieb. Da erscheint uns das "Verbrennen des Leibes mit Fleisch und Bein, Haut und Haar, zu Pulver und Asche", das die gewöhnliche Strafe für Hexen, Zauberer und Ketzer war, beinahe noch gelind.

Die Hinrichtungen geschahen öffentlich, weil sie durch furchtbare Grausamkeit abschreckend wirken sollten. Deshalb nahm man die Gehenkten nicht gleich herunter, ließ die Geräderten noch lange Zeit aufs Rad geflochten stehen zur Speise für Raben und Krähen und zum heilsamen Schrecken für die Bevölkerung. Heute denkt man darüber anders als in der "guten alten Zeit".