9. Aus den Glanztagen des Schlosses

a) Dr. Eilhard Lubin in Rügenwalde.

Der Kunstverständige Herzog Philipp II., gest. 1618, wollte nach dem Vorgange anderer Fürsten ein allgemeines Werk über Pommern anfertigen lassen, das eine Landesbeschreibung, eine Landkarte, Genealogie des Greifenhauses, Pommersche Städtebilder und Wappen der Pommerschen Adelsgeschlechter enthalten sollte Er wandte sich zu dem Zwecke 1610 an den gelehrten und vielseitigen Theologieprofessor Dr. Eilhard Lubinus (aus Lübben gebürtig) in Rostock, der schon eine Karte der Insel Rügen herausgegeben hatte, also in dergleichen Sachen geübt war. Lubin nahm an. Darauf fragte der Herzog bei seinem Vetter Philipp Julius von Pommern-Wolgast an, ob nicht auch sein Landesteil aufgenommen werden solle, damit ganz Pommern auf der Karte vereinigt sei. Dieser erklärte sich dazu bereit.

Lubin hatte schon Westpommern bereits und überall die notwendigen observationes (Beobachtungen, Vermessungen und Berechnungen) gemacht. Am 19. August 1612 trat er mit einem ungenannten technischen Begleiter seine Reise durch Ostpommern an, die bis zum 13. Oktober dauerte und auf welcher er in 156 Stationen 5793 Observationen ausführte. Die Ausführung der Städtebilder und Wappen hatte Philipp II. dem Maler Hans Wolfart übertragen, den er auch seinen Brüdern empfahl. Die Ausführung der Karte wurde einem Kupferstecher (Hondius) in Amsterdam übertragen. Leider erlebte Philipp II. die völlige Fertigstellung der Karte nicht; denn erst im November 1618 konnte Lubinius die ersten Exemplare dem Herzog Philipp Julius überreichen. Auch Herzog Bogislaw in Rügenwalde erhielt einige, für seine Arbeit und seine Ausgaben wurde Lubin von der Stettinschen Regierung mit 555 f1. entschädigt, ebensoviel erhielt er wohl von Philipp Julius; in Rügenwalde wurde ihm bei Überreichung der Karten "ein Ansehnliches verehrt".

Diese Karte ist die erste ausführliche von Pommern und blieb die beste ungefähr 150 Jahre hindurch, bis sie unter Friedrich dem Großen durch die Schulenburgsche abgelöst wurde. Für jene Zeit bedeutet sie geradezu ein Meisterwerk. Die eigentliche Karte wird umrahmt von 49 Stadtansichten und über 300 kleinen Wappen pommerscher Familien. Das Flußsystem ist mit peinlicher Sorgfalt eingetragen; aber es ist kein Unterschied zwischen wichtigen und unwichtigen Wasseradern gemacht. Wälder, Moore und Sümpfe sind zum ersten Male angedeutet. Auch zeigt die Karte noch manche Ortschaften, die heute bereits verschwunden sind.

Über die Reise selbst hat der Begleiter einen ausführlichen Bericht verfaßt. Im allgemeinen sind beide des Lobes voll über die gastfreie Aufnahme, die sie überall gefunden; nur einige Male wird geklagt, insbesondere auch über Stolp, wo es erst eines strengen Befehls der Herzogin Erdmuth bedurfte, damit der Rat die Pferde stellte. Von da fuhren sie über Lubuha, Kulsow, Lantow, Wusterwitz, Schlawe, Peest nach Muddel. Die beiden folgenden Tagesberichte lauten in der damaligen Schreibweise:

"26. Septemb. Sind wir von Muddel nach Rugenwalde gereißet, und unterwegen 4 Stationes gehalten

1. bei Muddel 24 loca observirt
2. bei Schlackow 53
3. bei Catzin 35
4. bei Rugenwalde 24

Diesen Mittagk sind wir zu Catzin im Kruge geblieben, und kegen den Abend zu Rugenwalde angekommen, habe zu hoffe umb fuhr angehalten, die auch alßbalt bestellet worden. Sind, in Abwesenheit der Jungen Herschafft, so nach Colberg verreiset gewesen, von den heim gebliebenen zur Abendmalzeit nach hofe erfördert, da wir dan stattlich und zum Überfluß traktieret worden, und allen freundlichen willen gespurett."

In Rügenwalde hatte der damals noch nicht regierende letzte Pommernherzog Bogislaw XIV., ein jüngerer Bruder Philipps II., mit seiner Gemahlin Elisabeth von Schleswig-Holstein, einer Schwester der verwitweten Fürstin Anna in Neustettin, seine Hofhaltung.

"27. Septemb. haben wir erstlich zu Hofe das Mittags Mall halten müssen, da dan abermals nicht uns allein, sondern auch unserem flaschenfutter viel guths wiederfahren. Sind also nach Büssow verreißet, unterwegen eine Station gehalten bei Petershagen und 19 loca observiret. Zu Büssow off der Jungherschaft ackerhoff sind wir kegen Abend gerne angenommen, haben einen guthen Wirth und Herberge gehabtt nach aller notturfft."

Betrachten wir nun die einzige Gesamtansicht der Stadt Rügenwalde aus alter Zeit einmal genauer. Zunächst fällt uns die saubere Zeichnung und die geschickte Anordnung auf: Im Vordergrunde die Wippervorstadt, in der Mitte der Strom, im Hintergrunde die vieltürmige Hansestadt. In der Vorstadt fällt uns zuerst die alte St. Jürgenkapelle auf, die in ihrer Bauart unverändert auf unsere Tage überkommen ist, nur ist sie von einer Glinde umgeben. Die übrigen Gebäude gehören den Hospitälern St. Jürgen und St. Spiritus und dem Beguinenhofe an.

Über die Wipper führt eine Plankenbrücke, die durch einen drehbaren Querbaum abgesperrt werden kann. Der Fluß selbst weist eine ungewöhnliche Breite auf. Er war früher breiter als heute; denn einzelne Teile der flachen "Kuhwipper" sind erst im vorigen Jahrhundert zugeschüttet. Trotzdem müssen wir annehmen, daß sie stark verzeichnet ist.

Die Stadt selbst im Hintergrunde macht einen weit stattlicheren Eindruck als heute. Sie hatte als Hansestadt und herzogliche Residenz einen erfreulichen Aufschwung genommen. In den 300 Jahren seit ihrer Neugründung hatte sie nur ein größeres Unglück getroffen, der erste große Brand von 1589, dessen folgen aber leicht von dem aufblühenden Mitglied der Hanse überwunden wurden. Die Stadtmauer ist wohl erhalten. Außer den Stadttoren sehen wir links die Erbs-, Wende- und Klapperpurt zum Strome führen. Das Wippertor, als Zingel-Gefängnis gebraucht, zeigt einen vielgliedrigen Aufbau. Das Steintor, damals Hohes Tor genannt, trug seinen Namen mit Recht. Rechts das Herzogsschloß zeigt sich in seiner Glanzzeit. Es ist die einzige Abbildung, die wir davon besitzen. Dicht am Wasser ragt der prächtige Wipperflügel in die Höhe, daneben die altertümliche Schloßmühle mit ihren hohen unterschlächtigen Mühlenrädern. Der Torflügel trägt ein drittes Stockwerk. Der Bergfriet mit seiner doppelten Kuppel ist dagegen wieder verzeichnet, wie sein heutiges Mauerwerk noch dartut. Rechts davon sehen wir im Hintergrunde die Wohnungen der Schloßbeamten zwischen grünen Bäumen. Hier müßte man eigentlich die durch eine Torbude gesicherte Schloßbrücke erblicken können.

Zwischen Schloß und Hohem Tor ragt der Turm von St. Gertrud in die Höhe. Ursprünglich erhob sich über dem l2 seitigen Unterbau eine 6 seitige Laterne mit Schallöchern für die Glocke. Zu Beginn des 30 jährigen Krieges ist die Kirche in ihrem oberen Teile wahrscheinlich durch Blitz teilweise zerstört; denn 1623 wird ihre Glocke den Einwohnern der Hospitäler zum Läuten der Betstunden überwiesen. Das heutige Zeltdach mit dem riesigen schindelgedeckten Dachreiter ist ein Notbehelf späterer Zeit.

Links vom Wippertor sehen wir aus dem Dächergewirr den Turm des alten Rathauses und des Scharrens, der städtischen Verkaufshalle, emporragen. Ob sie der Wirklichkeit entsprechen, können wir heute nicht mehr beurteilen, da andere Zeichnungen fehlen; aber die stattliche Marienkirche ist wenigstens in ihrem Turme wieder stark verzeichnet Von den Straßenzügen können wir uns nach den Dächern ebenfalls kein Bild machen. Die letzteren scheinen ziemlich willkürlich in das Stadtbild hineingezeichnet zu fein, um den Raum zu füllen. Am äußersten Ende links sehen wir den kleinen Turm von St. Nikolai, der einzige Beweis, daß die Kirche zu Anfang des 30 jährigen Krieges noch stand. Welches Schicksal sie ferner gehabt, ist unbekannt. Wenn das Stadtbild in einzelnen Teilen auch stark verzeichnet ist, so gibt es doch einen annähernd richtigen Eindruck wieder."

Vom Hohen Tore lugte am Abend des 26. September anno 1612 der Wächter ins Weichbild der Stadt. Die Zugbrücke, die über den Stadtgraben zum Walle führte, war niedergelassen, auch die zweite über den folgenden Graben zum Damm nach dem Kopfberge, der damals viel höher war und nicht den Chaussee-Einschnitt aufwies. Die meisten Bürger waren von ihrer Feldarbeit schon heimgekehrt. Da sah er einen Wagen noch langsam schwerfällig näher kommen. Darauf saßen außer dem bekannten Belowschen Kutscher von Muddel noch 2 unbekannte Männer, von denen der eine durch Haltung, Wort und Gebärden den Geistlichen verriet. Er zeigte einen vom Herzoge selbst unterschriebenen Reisepaß vor, worauf der Wagen ungehindert die holprige, ungepflasterte Lange Straße passieren konnte, um am Hause des alten Kaufmann Hoeppner Halt zu machen.

Darauf wandte sich der vornehmere von beiden, der gelehrte Professor Dr. Eilhardt Lubinus, zum herzoglichen Schlosse, wo ihn an Stelle des abwesenden Herzogs Bogislaw der mannhafte und trinkfrohe Schloßhauptmann Denz Münchow empfing. Er versprach ihm neues Gespann für morgen und lud den Lubinus und seinen Begleiter zum Abendmahle ein; denn solch einen gelehrten Herrn, der von Rostock bis Danzig das halbe deutsche Reich bereise, den müsse man warm halten, damit man erfahre, wie es in der Welt zugehe. Der Herr sagte zu, und schnell schickte Münchow seine Knechte aus, um seinen Freunden in der Stadt von der Ankunft des Professors Bescheid zu geben und sie gleichfalls für den Abend einzuladen. "Und wie gewöhnlich im Brötesaal."

Nach Sonnenuntergang, da trafen sie denn alle ein, die damaligen Honoratioren unserer Stadt: Die Bürgermeister und Ratmannen Abraham Witzlaff, Johann Krüne und Christoph Vanselow, der Präpositus Andreas Grantzin, der 2. Prediger Johann Titelius, der Rektor und Magister Simon, der Kuntor Henning Schmidt, der Rentmeister Zizelski und was an Hofjunkern augenblicklich da war. Auf der durch Windlichter erleuchteten Wendeltreppe stiegen sie zum Brötesaal empor. Im Vorraum stand neben einem riesigen Kachelofen der grüne Tisch für den Herzog und seine Ehrengäste, heute unbesetzt. Die Wände des Saales waren einfach mit Kalkfarbe gestrichen. Von ihnen hoben sich wirkungsvoll 14 große Hirschköpfe mit Geweihen ab. Von den Deckenbalken hingen Kronleuchter aus Hirschgeweihen herab. An der äußeren Saalwand waren Nischen eingebaut, in denen rotgestrichene Tische standen. Zwei lange Tafeln mit Bänken daran zogen sich durch den ganzen Saal hin. Vier große Bogenstellungen eröffneten den Zublick in die anschließende Musikantenkammer.

Die neugierige Frau Schloßhauptmann hatte ihrerseits ihre Bekannten eingeladen, um auch etwas von dem gelehrten Gaste zu profitieren. Da saßen nun die Frauen in den Nischen, spannen und lauschten auf das Gespräch der Männer. Doch das wollte nicht recht in fluß kommen; erst galt‘s Ehre einzulegen bei der Frau Hauptmann durch Vertilgen der in schier unerschöpflichen Menge auf den Tafeln angehäuften Eßvorräte. Da sah man neben dem Wildschweinkopf, Rebhühner und ersten Gänsebraten, Wildenten und Krammetsvögel, gewaltige Flundern und Aale. Die Krone der Tafel aber bildeten heute die leckeren, ungewöhnlich großen Grabowkrebse. Dazu gabs gewürztes Bier und Wein.

Gewaltige Biermengen für den fürstlichen Hof wurden alljährlich in der Schloßbrauerei, der heutigen landwirtschaftlichen Winterschule, aus ungedorrtem Malz gebraut; der umfangreiche Hopfenkeller lag im Wipperflügel. Daneben wurde aber auch viel ausgeführt, und Rügenwalder Bier erfreute sich besonders in Danzig und weiter hinauf großer Beliebtheit. Dazu wurde Stolpe‘sches Dickbier geschenkt, zu dessen Bereitung 4 Scheffel Malz für eine Tonne erforderlich waren, und das man solange kochen ließ, bis es eher einer Medizin als einem Getränke glich.

Allmählich aber mußte die größte Essenslust den gewaltigen Vorräten gegenüber erlahmen, und eine lebhafte Unterhaltung entspann sich über die Erfahrungen der Gäste auf ihrer Reise. Der vielgelehrte Herr Professor war etwas zurückhaltend mit seinen persönlichen Erlebnissen und Urteilen über seine bisherigen Wirte, besprach aber dafür allerhand naturwissenschaftliche Fragen. So erzählte er von einem unterirdischen Flusse bei Wurchow, Kreis Neustettin:

"Bei Wurchow haben wir einen flus gesehen, der oben seinen gangk halt, fleußt darnach woll 100 schrit unter der Erde wegk, kümbt wieder herfür und fleußt ferner, oberher kahn man gehen, so sind auch ziembliche ellernbaume darüber aufgewachsen, die Pauren fangen gute Fische darunter, ist recht tief."

Als sie in Leba Vermessungen machten, "ist der Burgermeister mit etlichen Ratsherren zu uns kommen, haben einen großen Patenstuell mit sich gebracht und den Doktor drauf sitzen lassen. Wie wir wiederumb in die Herberge kommen, ist uns der Burgermeister gefolget und uns mit etlichen Aalen verehret."

Dann erzählte er, wie er in Schmolzin den lapidem sabubosum gefunden, der als "ein Dornpusch mit vielen Zweigen aus dem Sande wechsett. Er soll gleiche Wirkung bey Menschen und auch bey Pferden haben, es komme ihnen ohn, was da wolle."

Während sich über diese Beobachtungen des gelehrten Lubinus zwischen ihm, dem Präpositus, Prediger, Rektor und Kantor ein lebhafter Streit entspann, ging es an der anderen Tafel lustiger und lärmender her. Hier hatte der witzige, ein klein wenig boshafte Begleiter das große Wort und hielt mit spöttischen Bemerkungen über geizige Wirte nicht zurück. Soeben hatten die Stolper und Schlawer Ratmannen ihren Teil bekommen, und lautes Gelächter dröhnte, als er fortfuhr: "Aber die schlimmsten sind doch die Neuenstettinschen. Am 3. September kegen den Abend sind wir zu New Stettin ankommen, und furm Schlos ins burgkgerichts Notarii behausung zur Herberge eingekehret. Ob wir uns auch woll zu Hofe angegeben und mit den Dokumenten legitimieret, und umb fuhr angehalten, hat mahn uns doch, wie wir nur umb eine Kahune Hofbier bitten ließen, die ledige Kanne heruntergeschicket. Wir hatten gerne ein mall Hofbier trincken mugen."

Fürstin Anna in Neustettin scheint ihrer Verwandten Fürstin Elisabeth hier darin also nichts nachgegeben zu haben.

Auch Treblin hatte er in schlechtem Andenken. "Sind kegen den Abend zu Treblin ankommen, und Stenzell Putkahmer umb .Nachtlager ansprechen wollen, er war aber noch in der Jagtt, und die Frau gab Soviell zu verstehen, das Sie uns nicht haben wollte, kehrten derwegen in den andern hoff." . Also noch eine Frau nach Art der Fürstin Anna! Der Ritter Stenzel war sehr ungehalten, durch den Geiz seiner Hausehren in üblen Ruf zu kommen und schickte ihnen einen Boten mit einem Briefe nach Bütow nach, "darin er sich entschuldigett, das seine Frawe uns nicht hat haben wollen, bittet uff der rugkreise zu ihm einzukehren", was die beiden wohlweislich nicht taten.

Dagegen lobte der muntere Gesellschafter aber auch freigebige Wirte und pries vor allem Christoph Mildenitz auf Ribbekart: "Den Mittagk sind wir zu Heidebreke im Kruge gewesen, und kegen den Abend zu Ribbekart angelangett, uns bei Hauß Mildenitz angegeben, von demselben woll empfangen und traktieret worden. Wie solches geschehen, haben wir bei dem Verwalter Christoph Mildenitz das Frühstück nehmen müssen, welches endelich in ein mittagk mall degeneriret, sind stattlich traktiret worden, und hat uns der Verwalter grosse Wilkomm mit Wein uff unser guedigen Herschoft gesundheitt zugetrunken, unsere Pferde und Wogen uff seinem Hoffe verschlossen, das wir bleiben mußten. Haben am Abend noch einen starken Abendtisch aushalten müssen."

Schon mehrmals hatten die Lichter erneuert werden müssen, die Frau Schloßhauptmann mit ihren Gästen hatte sich längst zurückgezogen, immer sah der Burgwächter noch Lichtschein aus den Fenstern dringen, hörte Lärm und Becherklang. Es war ziemlich spät, als man sich endlich trennte. Der Hauptmann nahm allen scheidenden das feierliche Versprechen ab, morgen zum Mittagsmahle wieder zu erscheinen. Daß es ebenso reichlich ausfiel, beweist der anfangs angeführte Reisebericht.

So übte man damals im Rügenwalder Schlosse Gastfreundschaft. Sic transit gloria mundil.

 

b) Bogislaw X.

Bogislaw X. bleibt für uns Pommern die anziehendste Gestalt aus dem Greifengeschlecht. Ein Kranz von sagenhaften Erzählungen umwob schon bei Lebzeiten sein Haupt, und das dichtende Gemüt des Volkes erfand in der folge neue hinzu. Thomas Kantzow hat sie gesammelt und dem Volke als wahr überliefert. Von ihm schrieben sie andere Chronisten ab; so gingen sie später in die Lesebücher über und werden noch heute von vielen geglaubt. Der kritischen Forschung halten diese sagenhaften Begebenheiten nicht stand.

Über seine Jugend ist wenig bekannt. Nur soviel steht fest, daß er eine Zeitlang am polnischen Hofe, "vielleicht unter Leitung des berühmten Geschichtsforschers Dlugoß erzogen wurde und in voller Eintracht mit seiner Mutter die Regierung antrat." (Wehrmann 1, 226.) So leid es uns tut, den durch Paul Heyses gleichnamiges Schauspiel berühmten Amtsbauern Hans Lange ausscheiden zu müssen, nachweisen läßt sich dessen Person nicht. Man könnte höchstens die überaus lebendige Tradition für ihn ins Treffen führen. Die Kirchenbücher in Lanzig beginnen erst mit dem 17. Jahrhundert. Der historische Balken mit der berühmten Inschrift gehört späterer Zeit an. Die Buchstabenformen zeigen die für‘s 17. Jahrhundert charakteristischen Formen. Das ursprüngliche Lange-Haus ist zudem abgebrannt. Die gußeiserne Tafel hat 1836 Friedrich Wilhelm IV. anbringen lassen. Er weilte in Rügenwaldermünde im Bade und hatte bei Gelegenheit eines Ausfluges nach Lanzig den berühmten Balken gesehen. (Nach einer Mitteilung, die mir von Frau Doherr, einer früheren Besitzerin des Friedrich Wilhelm-Bades gemacht wurde.) 1648 wird im Inventarium der Bauernhöfe Tewes Lange in Lanzig angeführt.

. Lassen wir diesen Hans-Lange-Streit auf sich beruhen! Jedenfalls hat aber Bogislaw X. einen großen Teil seiner Jugend in Rügenwalde zugebracht und hat sich auch später hier häufig aufgehalten, wofür genügend Urkunden vorliegen.

Als er 1474 die Regierung antrat, war der größte Teil des herzoglichen Besitzes durch Verkauf oder Verpfändnng verloren gegangen. Der Herzog hatte keine feste Residenz, sondern hielt bald in diesem, bald in jenem Schlosse Hof. Bekannt ist, wie 1475 die Kösliner gleich nach Seinem Regierungsantritte ihn in Zanow gefangen nahmen. Am 6.4.1476 war er in Rügenwalde und bestätigte die Privilegien der Stadt. Einen Monat darauf war er wieder hier. Es handelte sich um die Auseinandersetzung mit seiner Mutter, der Herzogin-Witwe Sophie, mit der er in Streit über ihr Leibgedinge geraten war. Die Sage läßt ja alles Licht auf den Sohn und auf die Mutter nur Schatten fallen. Der Streit war 1475 durch Vermittelung des Danziger Rates vorläufig beigelegt, entbrannte aber im Mai 1476 bei seinem hiersein von neuem. Er wirft seiner Mutter Verschwendung und Verschleuderung der Kleinodien seines Vaters vor; gemeint ist der Schatz des Königs Erich und seines Vaters, des Herzogs Erich II. Sie dagegen forderte ein größeres Einkommen. Drei Jahre darauf ging er mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit gegen sie vor und forderte von ihr die Herausgabe des fürstlichen Schatzes. Befreundete Fürsten legten sich ins Mittel und brachten am 18.3.1483 in Rügenwalde einen Vergleich zwischen Mutter und Sohn zustande; aber der Streit brach bald wieder von neuem aus. Die Herzogin Sophie verließ darauf Rügenwalde, das ihr als Leibgedinge zugefallen war, und suchte beim Polenkönige Zuflucht. Das rücksichtslose Vorgehen des Herzogs fand allgemeine Mißbilligung, und ihm selbst war ihr Aufenthalt am polnischen Hofe aus mehreren Gründen unangenehm.

Durch polnische Räte und Danziger Abgesandte kam am 13.11.1485 abermals ein Vergleich zustande. Die Herzogin erhielt Einkünfte und Hebungen im Stolper und Schlawer Lande und nahm ihren dauernden Wohnsitz in Stolp. Fortan herrschte ein friedliches Verhältnis zwischen beiden, und Bogislaw besuchte seine Mutter öfter. 1497 starb hier in Stolp die stolze Fürstin, auf deren Bild soviel Schatten fällt, von der man sogar erzählt, daß sie einen Sohn vergiftet und Bogislaw dasselbe Schicksal zugedacht habe, auch in sträflichem Umgange mit dem Rügenwalder Schloßhauptmann gelebt. Mag die Fürstin viele Fehler gehabt haben; ihr Schicksal kann nur unser Mitgefühl erregen, denn in der Hauptsache ist sie doch nur ein Opfer der kalt berechnenden, allein auf den Nutzen ausgehenden Politik ihres Sohnes geworden.

Auch Sein Verhältnis zu feiner ersten Gemahlin wirft einen dunklen Schatten auf sein Bild. Am 21.9. 1477 hatte er sich mit Margarete von Brandenburg, der Tochter des Kurfürsten Friedrich II. vermählt. Anfangs war das Verhältnis gut. Aber die Ehe blieb kinderlos. 1478 war Bogislaw nach dem Tode seines Oheims Alleinherrscher in Pommern geworden und fast schien es, als ob der Grimnitzer Erbvertrag nach seinem Tode in Kraft treten würde und Pommern an Brandenburg fallen. Da ließ er seine Gemahlin seinen Unmut offen fühlen und wandte sich von ihr ab. Auch in diesem Falle haben die pommerschen Chronisten schwer gesündigt und alle Schuld auf die Gemahlin geschoben, ihr auch ehebrecherischen Umgang vorgeworfen und von dunklen Plänen der Brandenburger gesprochen. Einsam und verlassen starb die Herzogin 1489 in Wolgast. Da scheute er sich nicht, in einem förmlichen Gerichtsverfahren sie noch 1498 des Ehebruchs zu beschuldigen, nur damit er nicht ihre Mitgift herauszugeben brauchte. Erklärlich wird uns dies, wenn wir an seinen Haß gegen Brandenburg und die Rücksichtslosigkeit denken, mit der er seinen Plänen nachging. Dies ist vielleicht der dunkelste Schatten auf seinem Bilde.

Aber wo viel Schatten ist, da muß auch viel Licht sein, und daran fehlte es gottlob nicht im Leben Bogislaws, den seine Untertanen nicht mit Unrecht den Großen nannten. Wirkliche Liebe verband ihn mit seiner zweiten Gemahlin, der polnischen Königstochter Anna. Am 2.2.1491 fand die Vermählung mit der 14 jährigen Prinzessin in Stettin mit großer Pracht statt, und mit größerem Glanze umgab der Fürst seine bis dahin einfache Haushaltung. Unsere Stadt schenkte der jungen Fürstin einen vergoldeten silbernen Becher. Er verschrieb seiner jungen Gemahlin Schloß und Amt Rügenwalde als einen Teil ihres Leibgedinges. Die Ehe wurde noch glücklicher durch die Geburt von 5 Söhnen und 3 Töchtern. Durch glückliche Heiraten wurde das Greifengeschlecht mit angesehenen deutschen Fürstengeschlechtern verschwägert.

Oft und gern hielt sich Herzogin Anna in Rügenwalde auf. Hier residierte sie während der Pilgerfahrt ihres Gemahls, die ihn 1497 und 1498 über ein Jahr von Pommern fern hielt. Die Pommern haben einen dichten Kranz von Sogen um diese Fahrt gewoben. Eine Anzahl von Briefen, die er auf dieser Fahrt an feine Gemahlin richtete, legen Zeugnis ab von dem glücklichen Verhältnis, das zwischen beiden bestand. So Schrieb er von Rom am 31. Dezember 1497: "Darnende vele dusent guder nacht, als ein Schip von handertdusent lasten rosenbledern dragen mach, und so mennich sandes korne, als in dem Mehre is, und so mennich drape Waters also tho Rugenwalde dorch de Schluse lopt." (Klempin, Diplom. Beiträge S. 541.) Am 15. September des Jahres hatte hier die Fürstin den großen Sturm erlebt. Was für Schaden diese Sturmflut hier angerichtet, darüber sind wir durch das gleichzeitige Gedicht "Von dem groten Storme in Pommern" gut unterrichtet. Der Vorliebe des Herzogs für Rügenwalde verdankt unsere Stadt manche günstige Entscheidung. Mit dem Kloster Buckow bestanden seit längerer Zeit Grenzstreitigkeiten. Böblinische Klosteruntertanen hatten sich auf städtischem Grund und Boden am Ausflusse der Trah, der Lychow, dem heutigen Toten Wasser, angesiedelt, trieben Fischerei, wollten aber keine Abgaben an die Stadt zahlen. Abt Theodorich und der Rügenwalder Rat riefen die Entscheidung des Herzogs an. In eigener Person besichtigte er die Grenze und ließ sie aufs neue durch eingegrabene Zeichen und aufgesetzte Steine festlegen. Die Lychow sollte fortan die Scheide bilden, das Kloster mußte die einmal angesiedelten Böbliner in den städtischen Fischerkaten belassen.

Doch die Streitigkeiten mit Buckow hörten nicht auf. Das Kloster war stark verschuldet und trieb eigenen Handel zur See, in der Nähe von Eventin hatten sie sich eine eigene Schiffswerft erbaut. Die Schiffe fuhren vom Buckowschen See durch die Trah und Lychow zur Ostsee und holten Tuche, Salz, Stockfisch, Klappholz, Tonnen, Häute und Talg. Natürlich mußten ihre Untertanen auf den Abteidörfern vom Kloster kaufen, wodurch die Rügenwalder Kaufleute großen Schaden hatten. Sie beschwerten sich über den Abt Valentin, und der Herzog entschied hier 1508 dahin: Das Kloster sei nicht auf weltlichen Handel gegründet, daher solle es sich bei 1000 fl Strafe dessen enthalten, aber seine landwirtschaftlichen Erzeugnisse verkaufen und zur eigenen Notdurft Waren einkaufen dürfen.

Ebenso günstig fiel zu gleicher Zeit die Entscheidung des Herzogs in dem Streite der Rügenwalder mit den Fischern der Amtsdörfer Jershöft und Vitte für unsere Stadt aus.. Er verordnete, "dat desulnen unse Bur macht scholen hebben, meth erer whare, de se ahn vischen warnen (werben), thor Sehuert segelen, ock andere whare tho behuff erer huser und nicht furder wederumb bringen mögen, auer frömbde whare in ere schuthen thonemened edder kopmanschop mit erer ware an folte, wande, bere und anders mit eren binabaren und Sust ahn anderen orden thodriuende, des scholen sie tsck entholden, wo idt geschege, scholen .sie die ware verloren hebben, ock scholen sie ihn die heuen mit lopen, idt were dheime sacke, dat se dat van ungewedders und nodt wegen nicht beteren noch wandeten kondthen. "

Auch im Reformationsjahr 1517 weilte Bogislaw im Schlosse zu Rügenwalde. Er soll damals Johann Bugenhagen hierher berufen und ihm den Auftrag zur Abfassung seiner Pomerania gegeben haben.

Am Ende feines Lebens soll Bogislaw sich einem ausschweifenden und unwürdigen Lebenswandel hingegeben haben. In seinen letzten Jahren machte sich das Räuberunwesen wieder breit, auch bei uns an der alten Heerstraße über Köslin und Schlawe. Es ist aber zweifelhaft, ob die Schuld daran allein der Herzog trägt; denn gerade in seinen letzten Jahren sehen wir ihn in rastloser Tätigkeit in seinem Lande und im Auslande. Er war wohl nicht imstande, dem Unwesen zu steuern. In der bewegten Reformationszeit, am 5.10.1523 starb Bogislaw und wurde in der St. Ottenkirche zu Stettin beigesetzt. Unzweifelhaft ist er der bedeutendste Fürst aus dem Greifengeschlecht. Sein Andenken lebt hier in der "Bogislawstraße" weiter fort.

 

c) Barnim XI.

1523-1573. (Geboren 1501, gestorben 1573.)

Kantzow urteilt über ihn: "Ere Anfang und ock de meiste Titens Regiments was fast mühesam und swar." 1518-1519 studierte er in Wittenberg und nahm 1519 als Zuhörer an der Leipziger Disputation teil. Zur Regierung gekommen, zieht er energisch gegen die Raubritter in Hinterpommern, die auch an der mittleren Grabow ihre Schlupfwinkel hatten, und zerstört viele Raubnester. Nach altem Herkommen übernahm er mit feinem Bruder Georg 1., die andern 3 Brüder waren inzwischen gestorben, die Regierung. Das Verhältnis zwischen den Brüdern war anfänglich gut, verschlechterte sich aber bald. Ein Teil des Adels soll gegen seinen Bruder, der der tüchtigere der beiden Fürsten war, aufgehetzt haben, so daß er 1530 die Teilung des Landes und der Herrschaft forderte. Georg weigerte sich, darauf einzugehen, weil dadurch Pommerns Macht verringert und eine doppelte Hofhaltung dem Lande unnötig schwere Kosten verursachen werde. Barnim soll sich darauf ingrimmig von seinem Bruder zurückgezogen haben, als dieser plötzlich in der Nacht zum 10. Mai 1531 starb. Georgs Sohn, dem Herzog Philipp 1., gegenüber beharrte Barnim auf der Teilung, die am 21.10.1532 zu Wolgast erfolgte. Pommern bestand nun wieder aus den beiden Herzogtümern Pommern-Stettin, das Barnim durchs Los zufiel, und Pommern-Wolgast unter Philipp I.

An der Drechselbank fand Barnim mehr Gefallen als an der Regierung und noch sind Proben seiner Handfertigkeiten erhalten. Der Adel gab ihm darum den Beinamen der Spillendreher und höhnte beim Tode Georgs:

"Der Einäugige ist nun tot,
Mit dem Spillendreher hats keine Not"

Gemeinsam mit seinem Neffen führte er 1534 die Reformation in Pommern ein und nahm Johann Bugenhagen nach Verabschiedung des Landtages als Gast mit auf das Schloß nach Rügenwalde, der hier seine pommersche Kirchenordnung verfaßte und in Rügenwalde die Reformation persönlich einführte.

Mit seinem Neffen trat er auch dem Schmalkaldischen Bunde bei, den er durch Entsendung von Hilfsvölkern unterstützte. Mit genauer Not entging er dem Schicksale des Sächsischen Kurfürsten und hessischen Landgrafen. Die ganze übrige Zeit seiner Regierung ist mit Streitigkeiten mit Polen, Mecklenburg und Brandenburg erfüllt. Viel Ungemach brachte der nordische siebenjährige Krieg von 1563-1570, so daß er freiwillig der Regierung entsagte. Von einigen Chronisten wird ihm trotz seines nicht einwandfreien Lebenswandels der Beiname "Der fromme" zugelegt. Mit Seinem Vater Bogislaw X. teilte er die Vorliebe für Rügenwalde. Am 8.1.1524 war er gemeinsam mit seinem Bruder in der Stadt und bestätigte ihre Privilegien. Im Juli 1534 lädt er von Rügenwalde seinen Neffen Philipp I. zu einer Zusammenkunft nach Cammin ein.

Im Februar 1539 leitet er hier die Kirchenvisitation.

1556 legt er bei dem Schlosse einen Ackerhof an, die Domäne Schloßhof, wozu die bei der Stadt gelegenen Ländereien Marienkron und zwei auf der Feldmark gelegene Hufen mit Wiesen und Zubehör des wegen Untreue entlassenen Rentmeisters Jürgen Knuth geschlagen werden.

Oft hielt er monatelang sein Hoflager in Rügenwalde ab, so während des Winters 1557-1558. Der Winter zeichnete sich durch zwei große Stürme aus, die vom 11. bis 13. Januar und am 8. Februar wüteten. "Das Wasser soll ellenhoch an der Stadtmauer gestanden haben, in die Speicher bei der Wipper gedrungen sein und auf der Münde achtzehn . Wohngebäude zerstört haben." Die Einwohner kletterten zu ihrer Rettung auf Bäume. Barnim nahm sich der Stadt sehr an, auch bei andern Gelegenheiten.

1561 stand er dem Rat das Recht zu‘ im Stadtwalde zu jagen, mit Ausnahme der Schonzeit von Ostern bis Jacobi. Die Hasenjagd auf dem Stadtfelde behielt er sich aber vor.

Im nordischen siebenjährigen Kriege kämpfte die Stadt auf der Seite Schwedens gegen Dänemark und zog großen Vorteil daraus, mußte das aber später schwer büßen durch einen Überfall der dänischen Flotte, wobei die Münde ganz zerstört wurde. Barnim ließ es an seiner Unterstützung auch diesmal nicht fehlen. Er hatte sogar die Absicht, Rügenwalder Bürger zu werden.

Der Rat wußte das zu würdigen und handelte nach dem Grundsatz: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. So brachten die Abgeordneten der Stadt zum Landtage Ostern 1551 dem Herzoge nach Stettin ein stattliches Roß als Geschenk mit. Als der Herzog 1552 den König Sigismund von Polen in Danzig mit großem Gefolge besuchte, da begleiteten ihn auch Trabanten unserer Stadt unter Führung von Peter Bonin.

 

d) Johann Friedrich.

1569-1600. (1569-1573 in Rügenwalde.)

Barnim XI. hatte zu Gunsten seiner 5 Großneffen auf die Regierung verzichtet 1569. Es war vereinbart worden, daß Johann Friedrich, seit 1556 Bischof von Cammin, zusammen mit Barnim XII. Pommern-Stettin, Ernst Ludwig und Bogislaw XIII. Wolgast erhalten Sollten. Kasimir IX. Sollte nach dem Tode Barnims XI. Bischof werden.

"Barnim und Bogislaw wurden aber nicht zur Mitregierung berufen, sondern ihren Brüdern als apanagierte Prinzen mit möglichem Nachfolgerechte zugewiesen."

Barnim XII. erhielt als Abfindung Stadt und Amt Rügenwalde, die Abtei Buckow, das Land Bütow und die Stadt Zanow, mußte sich aber vorläufig bis zum Tode seines Großoheims mit Bütow allein begnügen. "Den apanagierten Prinzen standen in ihrem Gebiete vollkommene landesherrliche Hoheitsrechte zu, jedoch unter Vorbehalt der Einheit des Herzogtums nach außen hin, in landständischer Beziehung und inbetreff der Zuständigkeit der Hofgerichte."

Johann Friedrich schrieb 1571 einen Landtag nach Rügenwalde aus, und die Stadt beherbergte vom 5. bis 10. Februar in ihren Mauern eine glänzende Versammlung, die Abgeordneten des ganzen Pommernlandes. Der Herzog mit seinen Räten war anwesend. Mehrere Streitigkeiten der Stadt mit dem umwohnenden Adel, den Amtsdörfern und den Landstädten Pollnow und Rummelsburg wurden beigelegt.

Auch im Sommer und Herbste 1571 weilte der Herzog hier im Schlosse und huldigte dem Waidwerke. Die Herzöge hatten in den umfangreichen Wäldern des Amtes besondere Jagdhäuser erbaut, so in Buckow, Malchow, Altwieck und Järshagen. Bei Altwieck führt noch heute ein Berg den Namen "Trauerberg"‘ weil in dem Jagdschloß auf ihm ein pommerscher Herzog die Nachricht vom Tode feiner Gemahlin erhalten haben soll. In anderen Dörfern, z. B. in Zizow, waren bestimmte Bauernhöfe verpflichtet, den Herzog mit seinem Gefolge aufzunehmen und das herzogliche Tafelgerät aufzubewahren. Darum genossen sie manche Freiheiten. Bei einer Jagd im Walde bei Järshagen trug sich ein Vorfall zu, bei dem der Fürst höchste Gerechtigkeitsliebe offenbarte und der noch heute im Gedächtnis des Volkes weiterlebt. (Sagensammlung Nr. 90.)

Vermählt war Johann Friedrich mit der schönen Erdmute, Tochter des Brandenburgers Johann Georg. Trotzdem diese erst 8 Jahre alt war, fand die Eheberedung am 5. Juni 1569 statt, um ein besseres Verhältnis zwischen Brandenburg und Pommern anzubahnen. Die feierliche Vermählung wurde 8 Jahre später am 17.2.1577 in Stettin in dem seit 2 Jahren neu erbauten und stattlich hergerichteten Schlosse mit großer Pracht gefeiert. Überhaupt war die Regierung ihres Gemahls sehr prachtliebend und verschwenderisch und stürzte das Land in große Schuldenlast. Mit den Ständen lag er beständig in Streit, da sie nicht die Mittel bewilligen wollten. Mitten im fröhlichen Fastnachtstreiben erkrankte der Herzog plötzlich in Wolgast und verschied am 9.2.1600 ohne Leibeserben zu hinterlassen. Er war "eine stolze, eigenwillige Fürstennatur voll Tatkraft und Energie", die aber in dem fortwährenden Kampfe mit den Ständen manchmal erlahmten. Üble Nachrede über seine Verschwendung und Untätigkeit und über die Mißwirtschaft seiner Günstlinge folgte ihm nach. Trotzdem er seine Gaben nicht voll ausnutzte, ist er doch einer der bedeutendsten Herrscher aus dem Greifengeschlecht.

Seiner Gemahlin war das Stolper Schloß als Leibgedinge zugeteilt worden. Über zwanzig Jahre bis zum 13.11.1623 hat die schöne und stolze Fürstin hier Hof gehalten und viel Gutes geschaffen. Es war damals in den letzten Jahrzehnten vor dem 30 jährigen Kriege eine Zeit der Pracht und des Glanzes in Pommern. "Schlittenfahrten, Jagden, Bankette, Maskeraden, Ringelrennen und Abendtänze waren an der Tagesordnung." Da hat dann die Fürstin oft mit Geldmangel zu kämpfen gehabt.

Erdmute starb kinderlos. Schuld daran sollte die Gemahlin des herzoglichen Jägermeisters Melchior von Dobschütz sein, die sie durch Zaubergüsse unfruchtbar gemacht haben sollte. Nach schrecklichen Qualen wurde sie 1587 vor den Toren Stettins mit Zangen gerissen, hingerichtet und verbrannt. So wurden von 1585-1592 in Neustettin nicht weniger als 250 Menschen verbrannt.

 

e) Barnim XII.

Bis 1603. (1573-1602 in Rügenwalde.)

Mit dem Tode Barnims XI. kam 1573 sein Großneffe Barnim XII. in den Besitz seiner ganzen Apanage. Er hielt sich anfänglich nur vorübergehend in Rügenwalde auf, weil er unvermählt war und häufig Reisen unternahm. Er bestätigte am 25.2.1575 die Privilegien der Stadt und gab ihr am 15.3. d. Js. das Recht, mit rotem Wachse zu siegeln. Zwischen ihm und der Stadt herrschte das beste Einvernehmen. Still und friedlich hat er in den folgenden Jahren hier Hof gehalten und zum Segen der Stadt seine kleine Herrschaft verwaltet. Er war ein sparsamer Haushalter, wovon ein Einnahme- und Ausgabebuch aus den Jahren 1600-1603 zeugt. Dazu war er duldsam in dieser Zeit des Gegensatzes zwischen Lutherischen und Reformierten. Die Reformierten wurden damals in Norddeutschland ärger gehaßt als die Katholiken. "Unvergessen blieb es, daß einst das Schwert eines Scharfrichters die traurige Devise geschminkt hatte "cave Cabviniane = hüte dich, Kalvinist." (Hanucke.) Wohltuend berührt es daher, daß Barnim "einen als heimlichen Kalvinisten arg angefeindeten Prediger Joachim Friseus (S. 113) berufen ließ."

Zeugnis von dem guten Einvernehmen zwischen ihm und der Stadt legt das Gastmahl ab, das die Stadt ihm zu Ehren 1576 gab, wobei die Kaufleutegilde das Geld bezahlte. Er ließ auch dem Rat seine Jagdgeräte und nahm auch sonst an den Ereignissen in der Stadt Anteil, wie er dann mit seiner Gemahlin auch den verstorbenen Kämmerer Jakob Wollin zu Grabe geleitete. Nach seiner Vermählung 1582 mit Anna Maria von Brandenburg hatte er im Schlosse seinen dauernden Aufenthalt. 1584 verlegte er die fürstliche Ziegelei von Buckow nach Rügenwalde. Der Rat räumte ihm den Platz der heutigen Stadtziegelei ein, behielt sich aber das Recht an Grund und Boden vor, wenn die Ziegelei aufgehoben würde. Der Herzog dagegen versprach, niemandem auf der Ziegelei Zuflucht zu gewähren. Der Rat dürfe auch Verhaftungen dort vornehmen. 1598 verleiht er dem Gewerk der Leinweber Bannrechte für die Amtsdörfer in einem Umkreise von einer Meile.

Selber sparsam, verlangte er in der Stadtverwaltung auch Sparsamkeit und schlug allerlei Maßregeln vor, damit die Schulden der Stadt getilgt würden, mehr für Befestigung und Wehrhaftigkeit der Stadt geschähe und Mittel für das Studium der Bürgerkinder übrig blieben.

Unter ihm wurde Rügenwalde am 4.7.1589 von dem ersten schrecklichen Brande heimgesucht. Die Marienkirche, ein großer Teil der Stadt und eine Anzahl von Scheunen vor dem Wippertore brannten nieder. Allein die Stadt war reich und konnte den Verlust verschmerzen. Wo es nottat, hat Barnim sicher geholfen, wenigstens verwandte er sich für die Stadt bei einigen ihrer Gläubiger.

Unter seiner 27 jährigen Regierung herrschte in Rügenwalde Friede und Wohlfahrt, und das Bedauern war allgemein, als er 1602 nach Stettin zog, um hier die Herrschaft zu übernehmen, deren Last er nicht gewachsen war. Schon am 1.9.1603 erlag er einer schweren Krankheit, nachdem er kurz vorher seinen Bruder und Nachfolger Kasimir IX. in Rügenwalde noch besucht hatte. Auch er hinterließ keine Erben.

 

f) Herzog Kasimir IX.

1602-1605 in Rügenwalde.

Seitdem die Reformation in Pommern eingeführt worden war, waren die Camminer Bischöfe meist jüngere Prinzen des Greifengeschlechts, die ihre Residenz in das Kösliner Schloß verlegten. Es war ein stattliches Gebäude, das dem Umfange des Bistums entsprach. Der bischöfliche Sprengel umfaßte ein Gebiet etwa so groß wie Braunschweig. Durch seine Lage und Bodenbeschaffenheit war es reich gesegnet. An der Küste ragten mit ihren hohen Türmen Cammin, Kolberg und Köslin empor. Binnenwärts lag die fruchtbare, reich bewässerte Küstenebene. Der Süden und Westen bot unerschöpfliche Jagdgründe.

Am längsten, nämlich 28 Jahre, bekleidete Herzog Kasimir die bischöfliche Würde von 1574-1602. Als 7. Sohn wurde er 1657 dem Herzog Philipp von Wolgast geboren. Bibelkenntnis und lateinische Sprache waren die Hauptziele feiner Erziehung. Mit 17 Jahren hielt er seinen feierlichen Einzug als Bischof in Kolberg und Kammin, umgeben von 500 Rittern und Reisigen. Ein evangelischer Bischof ist eigentlich in Deutschland ein Unding, und so betrachtete er sich neben seinen zwei Brüdern in Stettin und Wolgast als den 3. Herzog im Pommernlande. Daraus erwuchsen ihm mancherlei Verdrießlichkeiten, denn die beiden andern wollten ihn nur als vornehmsten Landstand gelten lassen. Um sich von dem mancherlei Ärger zu erholen, unternahm er 1578 eine 9 monatige Reise ins Ausland, besah sich eingehend Rom und spielte auch den Zuschauer im niederländischen Kriegstheater.

Gleich nach seiner Rückkehr geriet er in Streitigkeiten mit Kolberg wegen des dortigen Jungfrauenklosters, das er als seine Domäne betrachtete, sich dort einquartierte, um mit feinen Junkern im Siederland Strandhafen und Wildenten zu jagen. So wurden einmal in fünf Tagen 2 1/2 faß Butter zum Braten und Schmoren verbraucht, und neben dem Wein 13 Tonnen Bier verzapft. Wo man einst die Haure und die Milch der Himmelskönigin verehrt hatte, da fanden jetzt wüste Zechgelage statt. Die erbosten Kolberger wandten sich beschwerdeführend an den Kaiser, aber umsonst, der "Gesellige", wie der Bischof genannt wurde, erhielt Recht.

In seiner ganzen Erscheinung sah er eigentlich wenig bischöflich aus. Er war nicht groß, aber stark und untersetzt, daß er wohl einen Drescher hätte abgeben können, dazu hatte er eine blaßgelbliche Gesichtsfarbe, das Anzeichen eines Magen- und Nierenleidens. Sein Steckenpferd war die Fischerei, der er seine Gesundheit zum Opfer brachte. "Im Lederwams mit der Fischerkappe auf dem Kopfe fuhr er hinaus auf die See oder hantierte im Winter auf den gefrorenen Binnenwassern mit den großen Fanggarnen, daß es kein Berufsfischer ihm an Ausdauer und Eifer gleichtun konnte." Auf seinen zahlreichen Jagdhäusern vertiefte er sich abends in alte Historienbücher, schlug die Zither oder veranstaltete Gelage. Am meisten gefiel es ihm im Schloß zu Kasimirsburg, das er aus den Steinen der berühmten Wallfahrtskirche auf dem Gollen hatte erbauen lassen. Im Zechen stand er seinen Mann, besonders im Kolberger Bier und Met. Wie er bei den Kolbergern gehaßt war, so wurde er von den Köslinern verehrt; es kam ihm garnicht darauf an, einfache Bürger mit Weib und Kind zu fröhlichem Schmaus und Tanz aufs Schloß zu laden. Dabei war er ein bibelfester Mann, der mancher Kirche Zuwendungen machte; alles in allem würden wir unser Urteil in die Worte zusammenfassen: ein wunderlicher Heiliger.

Neuen Ärger mit den Kolbergern brachte die Korn-ausfuhr im Hungerjahr 1596. Kasimirs Reizbarkeit war durch eine Pockenkrankheit, die ihn nicht gerade verschönt hatte, aufs äußerste gesteigert. Magen- und Nierenschmerzen stellten sich ein. Er beschloß, eine Badereise nach Teplitz zu machen, Ein langer Wagenzug setzte sich von Kasimirsburg in Bewegung: Voran 3 Reisige, dann die Leibkutsche mit 6 Pferden, der 3 Wagen mit Junkern und Bedienten und 2 Wagen mit Gepäck und Küchengeräten folgten.

Vierzehn Tage dauerte die beschwerliche Reise, in die fünf Ruhetage eingeschoben waren. Aber Genesung brachte sie nicht. Vor Schmerzen winselte er oft wie ein Kranich oder girrte wie eine Taube, daß es einen Heiden hätte mögen erbarmen müssen. Seine stete Krankheit erweckte den Wunsch nach weiblicher Pflege. Er nahm Katharine Froreich, die Schwester seines Rentmeisters, als Pflegerin zu sich und verlangte von seinen Verwandten, daß sie wie seine Gemahlin behandelt würde, worüber diese höchlich aufgebracht waren.. Die Regierung überließ er ganz dem allmächtigen Schloßhauptmann des Baster Amtes Joachim Damitz, einem adligen Bastarde, mit dem er sogar Duzbrüderschaft machte.

Im Sommer des Jahres 1600 besserte sich sein Zustand. Mit seinem Gaste Johann Karl von Braunschweig war er sogar nach Kolberg gefahren und war auf dem Rathause aufs ehrenvollste empfangen und aufs reichlichste bewirtet worden. In ausgelassener Stimmung ließ er die Kolberger Barbiere aufs Rathaus kommen und die Ratsherrn und hinzugeholten Bürger einseifen und ihnen die Bärte abnehmen. Aber diese Unmäßigkeit rächte sich schwer. Sein Leiden stellte sich mit größerer Heftigkeit wieder ein. Er beschloß, wieder eine Badereise zu machen, diesmal nach Karlsbad. Aber ein Aufenthalt von 10 Wochen brachte keinen Erfolg.

Sein Zustand wurde so unerträglich, daß er 1602 mit seinen Brüdern ein Abkommen traf und ihnen das Bistum gegen das stillere Amt und Schloß Rügenwalde abtrat. Man feierte vielleicht gerade den glücklichen Abschluß des Vertrages, als die unheimliche Nachricht gebracht wurde, daß Joachim Damitz sich mit einem Brotmesser die Pulsadern aufgeschnitten habe. Vor 2 Monaten hatte man ihn in das unheimliche Verließ des Kösliner Schlosses geworfen, weil man ihm grobe Veruntreuungen und Rechtsbeugung nachgewiesen hatte. Damitz wurde am Leben erhalten, aber nur um einem schrecklichen Schicksale entgegenzugehen. Als Kasimir fortgezogen war, da sah man eines Tages den früher allmächtigen Günstling gefesselt an Händen und Füßen, totenbleich mit Tüchern um die Schnittwunden des Halses auf einem Ackerwagen nach Bütow ins Schloß überführen. Dort hängte man ihn 3 Jahre später, als er Verrat mit den Polen auspann, an den Galgen.

Am 22.11.1602 bestätigte Kasimir in Rügenwalde die Privilegien der Stadt. Wenig Ehre brachte es ihm, daß er Matthias Plantkow und Titus Götzke, die führer des Volksaufstandes 1601 in Kolberg, noch nachträglich in hinterlistiger Weise aufgreifen, nach Rügenwalde aufs Schloß bringen und hier "ihnen hernacher, da sie ziemlich durch den Henker geängstiget worden, auff Urtheil und Recht die Köpfe an Pfele stekken" ließ.

Auch in Rügenwalde konnte Kasimir von seiner Leidenschaft zur Angelei nicht lassen. Der Ausfluß des Vietzker Sees, die Glawnitz, ist noch heute durch ihren Fischreichtum, besonders durch ihren Aalfang berühmt. Man denke an den Aalkaten. Damals waren seine Fischmengen einfach unglaublich. An diesem Flusse, wo heute Neuenhagen liegt, erbaute er sich ein Haus, um nur dem Fischfange zu leben. Das verschlimmerte sein Leiden bald so sehr, daß er dem Hofprediger auftrug, nicht mehr für ein langes Leben des Fürsten, sondern nur für ein sanftes seliges Ende zu bitten. Er wohnte jetzt nur noch im Rügenwalder Schlosse, wo ihn sein Bruder Barnim besuchte, der sich auf der Reise den Tod holte. Kasimir verzichtete darauf, ihm als Herzog von Pommern-Stettin zu folgen, nur im Stettiner Erbbegräbnis wollte er beigesetzt werden.

Mit der Krankheit wuchs seine Frömmigkeit. In der Marienkirche stiftete er das kunstreiche Predigergestühl. Aber bald konnte er die Kirche nicht mehr besuchen, die Prediger mußten an sein Krankenbett kommen. Eine kurze Besserung veranlaßte ihn, noch einmal seine geliebten Fischereigründe bei Buckow und dann bei Neuenhagen zu besuchen. Hier in Neuenhagen trat das Ende ein, das er mit Fassung erwartete. Seine Umgebung tröstete ihn mit Bibelworten und dem Sterbegesang.

Kurz vor seiner Todesstunde langte sein Neffe Herzog Georg an, mit dem er noch einige Worte wechselte.

Seine Leiche wurde von Neueuhagen nach Rügenwalde gebracht, hier einbalsamiert und 4 Wochen in einem kühlen Kellergewölbe zurückbehalten. Am 13. Juni setzte sich dann der Leichenzug in Bewegung, dem Herzog Georg mit seinen Junkern und dem Hofstaate Kasimirs folgte. Sechs schwarz behangene Pferde zogen den Wagen. Der Sarg war auch mit einem schwarzen Tuche bedeckt, in das ein weißes Kreuz eingestickt war, feierlich wurde er in den Städten eingeholt, um am 20. Juni in Stettin beigesetzt zu werden. Zwanzig Adlige trugen den Sarg, 11 andere die Fahnen der pommerschen Gesamtlande. Als höchstes Verdienst stellte der Hofprediger in seiner Leichenpredigt hin, "daß er die schleichende Rotte der Kalvinisten gehaßt, verfolgt und bestraft habe".

 

g) Bogislaw XIV.

Bis 1637. (in Rügenwalde 1606-1620.)

Als Bogislaw XIII. 1603 die Regierung in Stettin übernahm, da setzte man große Hoffnungen auf ihn. Wegen seines Pflichtgefühls und seiner Sorge um das Wohl seiner Untertanen war er im Herzogtum Wolgast, das er solange verwaltet hatte, allgemein beliebt. Leider starb er nach dreijähriger Regierung am 7.3.1606. Nach seinem Tode läutete man in Rügenwalde 21 Tage lang mit allen Glocken 2 Pulse. Er hinterließ 5 stattliche Söhne, die sich im Herbste1606 durch einen Vergleich so in die Erbschaft teilten, daß das Amt Rügenwalde mit Buckow den beiden Brüdern Bogislaw XIV. und Georg III. zufiel mit der Verpflichtung, dem jüngsten Bruder Ulrich ein Jahrgeld zu zahlen.

Beide Brüder waren unvermählt. Sie nahmen auf dem Schlosse Wohnung und bestätigten der Stadt am 23.4.1608 ihre Privilegien. Beide waren jung und lebenslustig. Der Hofhalt mußte für 2 Herzöge entsprechend vergrößert werden. Er bestand aus dem Hauptmann, der zugleich Hofmarschall war, dem Stallmeister, Kämmerer, Sekretarius, Hagemeister, Untermarschall, Jägermeister, fünf Edelknaben und einer großen Anzahl niederer Diener. Dazu waren noch zu Speisen 5 Leute des Hauptmanns, der Rentmeister mit 2 Leuten und die übrigen Beamten und Diener des Amtes. Die Einnahmen des Amtes betrugen ungefähr 15000 Gulden, wovon für die Verwaltung 4200 Gulden bar abgingen und 2300 Gulden außerdem an Ulrich gezahlt werden mußten. Da blieb für die beiden Brüder nicht allzu viel übrig, und wir können uns nicht wundern, daß sie in Schulden bei den Rügenwalder Kaufleuten gerieten.

Dazu unternahm der jüngere Georg, ein fröhlicher Gesell bei Hörner- und Becherklang auf der Jagd und bei Gelagen, eine zweijährige Reise. 1611 verlor er beim Abfeuern einer Karrenbüchse sein linkes Auge.

Die beiden Brüder lebten in herzlicher Eintracht, was aus dem noch vorhandenen Briefwechsel hervorgeht. Die Briefe sind teils aus Rügenwalde, teils aus Buckow und Malchow datiert und an Herzog Franz, der seit 1602 das Bistum Cammin verwaltete und außerdem das Amt Bütow erhalten hatte, gerichtet. Da wird Franz zur Martinsgans nach Rügenwalde eingeladen, ein andermal zur Jagd, ein drittesmal wird er zusammen mit Erdmute gebeten, da werden Lachse geschenkt, um eine Koppel Jagdhunde gebeten usw. Die beiden waren leidenschaftliche Jäger. Besonders Georg bevorzugte die ausgedehnten Forsten um Buckow. Da stand noch mitten im Walde bis vor dreißig Jahren die mächtige Fürsteneiche, der Treffpunkt zur Jagd für den umwohnenden Adel, bei Wandhagen die ebenso gewaltige sagenumwobene Totschlagseiche.

Ein fröhliches Leben und Treiben herrschte im Schlosse, in dem fast ständiger Besuch war. Unter der weithinragenden Schloßlinde gegenüber dem Rentamt versammelte sich das Jagdgefolge zur Reiherbeize, Hirsch- oder Saujagd oder es galt den Wolf zu fangen, den Dachs zu graben oder dem Lachs- oder Aalfang zuzuschauen. Der Wildgarten, der heutige Stadtpark, herbergte allerlei gefangenes Wildgetier. An Stelle der Turniere war seit etwa 1570 das Ringelstechen getreten. Es galt, im rasenden Lauf vom Rosse herab an Seilen hängende Ringe mit der Lanze herunterzuholen. Waren Jagd und ritterliche Übungen vorbei oder herrschte trübes Wetter, dann widerhallten der Brötesaal und das grüne Losament von Gesang und scherzhafter Rede, von Becherklang und derben Späßen. Da treten auch die berüchtigten pommerschen Trinksitten mit ihrem Bullen- und Kleeblattrinken, dem Fuchs flessen, der Parlenke, der KurIemurlepuff, dem blanken Hasen, dem Stengelein und wie sie alle heißen mögen, in ihr Recht. Und waren die Herrschaften etwa nicht zu Hause, wurde der Gast doch ebenso gastfrei aufgenommen, wie das Beispiel des Dr. Eilhard Lubinus beweist.

Sicherlich ist anzunehmen, daß bei der Lebenslust und dem Frohsinn der jungen Fürsten auch die lieben und getreuen Ratmannen und die übrigen ehrwürdigen Honoratioren unserer lieben Stadt Rügenwalde teilgenommen haben. Im Winter wechselten Schlittenfahrten, Mummenschanz und Fastnachtsspiele miteinander ab, die Fürsten hatten in ihren Hofjunkern ja stets getreue Helfer.

Aber auch Rat und Bürger wollten nicht zurückstehen, und so entstand ein edler Wetteifer, der das Verhältnis zwischen Schloß und Stadt geradezu herzlich machte. Auf Pfingsten 1612 hatte der Rat die beiden Fürsten zu Gaste auf das prächtige Rathaus gebeten. Es ging so hoch her, daß die Kämmerei und die Kaufleutegilde für Wein und Konfekt vom Apotheker je 150 Mark bezahlen mußten. Als der Bürgermeister Mitzlaff mit Katharine Hofemann Hochzeit machte, war Herzog Georg auch dabei.

Natürlich blieben auch Reibereien nicht aus; denn manchmal gingen die Interessen von Schloß und Stadt stracks gegeneinander, besonders in der Ausübung der Jagdgerechtigkeit, die der Rat auf städtischem Grund und Boden für sich in Anspruch nahm, mit Ausnahme der Jagd auf Hochwild. Besonders kriegerisch zeigten sich bei einem Übergriffe, den Edelknaben sich hatten zuschulden kommen lassen, die Rügenwalder Schneider. Sie gaben eine schriftliche, sehr geharnischte Erklärung ab. "Wenn ein Geselle sich niederließe, müsse er Seitengewehr und Rohr aufweisen; sie wollten ihre Rohre nicht an der Wand hängen lassen, sondern gebrauchen, damit sie sich im Ernstfalle darauf verstünden, sie bäten daher, die Sache mit Rechte fortzusetzen."

Ein andermal hatte der Hof mit Genehmigung des Rates auf der großen Freiheit eine Vogelstange zu Schießübungen aufgestellt, aber ohne Genehmigung auch einen Schießstand und ein Häuschen errichten lassen, und bei den Übungen pfiffen den Leuten auf der Bleiche die Kugeln um die Köpfe und durch die Kleider. Sehr lästig wurde es auch empfunden, daß die Bürger die Abfuhre der fremden Gäste leisten mußten. Aber das waren nur vorübergehende Trübungen.

Ganz besonders hoch muß es am 19.2.1615 in Rügenwalde hergegangen sein. An diesem Tage fand hier die Vermählung Bogislaws mit Elisabeth von Schleswig-Holstein statt. Zur Ausrüstung borgte er sich unter anderem von Joachim von Carnitz 1000 Taler.

Allmählich aber beginnt sich der Himmel zu trüben. Am 17.3.1617 starb unvermählt der allzeit heitere Georg zu Buckow, wohin er sich seit der Vermählung seines Bruders zurückgezogen hatte. Bis vor 25 Jahren wurde in der Kirche sein Bild neben dem seines Bruders aufbewahrt.

Ihm folgte am 3.2.1618 ebenfalls kinderlos der kunstsinnige, wie wenige seines Geschlechtes beliebte Philpp II. in Stettin. Die Regierung übernahm Herzog Franz, der bis dahin in Köslin und auch in Bütow in Saus und Braus Hof gehalten. Auch er war kinderlos wie Herzog Ulrich in Neustettin und Bogislaw in Rügenwalde. Heute würden wir der ganzen Lebensweise der Pommerschen Herzöge die Schuld an ihrem Aussterben zuschreiben, damals mußte der Hexenglaube zur Erklärung herhalten. Sidonie von Borcke, ein Stiftsfräulein zu Marienfließ, die sich durch unvorsichtige und böswillige Reden verdächtig und durch Zänkerei und Klatschsucht unbeliebt gemacht hatte, sollte die Schuldige sein. Sie wurde gefänglich eingezogen, lange gefoltert und endlich bei Stettin im August 1620 hingerichtet und ihr Leichnam verbrannt, trotzdem Herzog Franz ebenso wie ihre Richter von ihrer Unschuld überzeugt waren.

Aber das Verhängnis nahm trotzdem seinen Lauf. Noch in demselben Jahre folgte ihr Herzog Franz nach kaum dreijähriger Regierung und wieder nach kaum zwei Jahren der Bischof Ulrich. Von allen fünf Söhnen Bogislaws XIII. war nur noch Bogislaw XIV. übrig, der seit 1620 die Regierung in Stettin übernommen hatte. Nachdem auch noch 1625 sein Vetter Philipp Julius in Wolgast kinderlos ins Grab gesunken war, vereinigte nunmehr Bogislaw XIV. noch einmal ganz Pommern in seiner Hand, nachdem es fast 100 Jahre geteilt gewesen war.

Ihm war ein tragisches Schicksal beschieden. Er sah den Untergang seines Geschlechts sich vollenden, und auch sein Land schien dem Untergange geweiht, ein Spielball in der Hand fremder Mächte, als er, der letzte seines Stammes, 1637 die Augen Schloß.

 

h. Auf fröhlicher Jagd.

Es lebe, was auf Erden
Stolziert in grüner Tracht,
Die Wälder und die Felder,
Der Jäger und die Jagd!

Es war in den ersten Tagen des Novembers 1610. Noch hatte jener große Krieg nicht begonnen, der so viel Elend über Stadt und Amt Rügenwalde bringen sollte. Seit langen Jahren erfreute man sich, Grenzstreitigkeiten mit Polen ausgenommen, in Hinterpommern des Friedens. Lustig flatterten vom hohen Turme des alten Schlosses die Pommerschen Farben im Winde, denn die beiden Herzöge Bogislaw XIV. und Georg III. waren anwesend. Die aufgehende Sonne verhieß einen guten Tag. Es war so richtig ein Morgen, bei dem einem wackeren Weidmann das Herz im Leibe lacht, und zur fröhlichen Jagd wollten die beiden hohen Herrn mit ihrem Gaste, dem Herzog Johann Adolf von Schleswig- Holstein, auch den Tag benutzen. Soeben nahmen sie in der geräumigen Eßstube des hohen Südstockes den gewürzten Frühtrunk ein. Diener waren beschäftigt, die Überreste des reichlichen Frühmahles auf dem schweren Eichentische zu entfernen. Im hohen Kamine flackerte ein lustiges Feuer, genährt von derben Eichenklötzen.

Herzog Georg, ein hochgewachsener, schlanker Gesell, dem Fröhlichkeit aus den Augen lachte, war auf den Rundgang getreten, der sich an der Wipper und dem Lachswehr hinzog. Ein zierlich geschnitztes und bunt bemaltes Gitterwerk schloß ihn nach dem Strome hin ab. Der Herzog hatte schon, ebenso wie sein Bruder, grüne Jagdkleiduug an, darüber einen grünen, mit kostbarem Pelz gefütterten Mantel. An der Seite hing das Jagdhorn. Er wollte noch einmal nach dem Wetter sehen. Vom Schloßhofe her erklang Rüdengebell und lautes Stampfen und Wiehern der ungeduldigen Rosse. Dort hatte das zahlreiche Jagdgefolge unter Leitung des Jägermeisters Steinkeller beim großen Pommerschen Wappen Aufstellung genommen.

"Ich glaube, wir können zufrieden sein. Es verspricht eine herrliche Jagd zu werden." Damit trat er wieder ins Gemach zurück. Die drei eilten auf den Schloßhof hinunter, wo sie mit dem üblichen Jägergruß auf Jagdhörnern empfangen wurden und ihre Rosse bestiegen. Dann gings durch das geöffnete Tor des Schloßturmes der Jagd, der Sonne entgegen.

Vorsorglich waren überall Boten vorausgeschickt und Erkundigungen über den besten Wildstand eingezogen worden. Die Jagd sollte mehrere Tage dauern; denn die Fürsten planten, ihren Bruder Franz, den Kamminer, mit seiner jungen Gemahlin zur Martinsgans in den nächsten Wochen einzuladen, und da mußte für hinreichenden Vorrat an dem nötigen Wildbret gesorgt werden. Dazu boten die ausgedehnten Amtswälder die schönste Gelegenheit, hatte doch das Rügenwalder Amt unter den Pommerschen Ämtern den größten Waldbestand, über 40000 Morgen gehörten zu den sieben Revieren.

Zuerst wollte man dem Buckower Revier einen Besuch abstatten, und so ging‘s denn die altbekannte Landstraße dahin fröhlich entlang über die Holzbrücke bei den Schwemmkuhlen an dem Schindanger bei Rußhagen vorbei. Dort waren noch die Spuren des letzten Gerichts zu sehen. Einen Fahrenden aus dem Neustettinschen hatte man aufgegriffen, der einem Mühlenmeister in der Mühlenstraße das Vieh verhext hatte, daß es nicht fressen wollte und zwei Schweine gestorben waren. Das war aus Rache geschehen, weil er beim Betteln abgewiesen worden. Die Nachbarin hatte gehört, wie er vor der Hoftür allerlei gotteslästerliche Reden geführt hatte, und an demselben Tage hatte das Vieh nicht mehr fressen wollen. Nun, ihm war sein Recht geworden. Dort lagen noch die Teile des Pfahles, an dem man ihn verbrannt hatte.

Wo heute bei Rußhagen und Damshagen sich wohlangebaute Äcker und Wiesen hinziehen, da gabs damals Elfenbrüche, in denen nur saure und harte Riedgräser wuchsen. Dazu Laubwald mit Eichen und Buchen, seltener Birken; Kiefern und Tannen werden auch später nicht genannt. Wie kleine Inseln ragten die beiden Dörfer mit ihren Lehmkaten und Strohdächern aus dem bunten Herbstlaub hervor. Die Zugänge waren zum Schutze gegen die Wölfe vorsorglich durch Gatter verwahrt.

Beim Anblicke der Damshäger Strohdächer fiel dem allzeit lustigen Amtsschreiber Hagemeister, den man aus einem besonderen Grunde heute auch mitgenommen hatte, eine kuriose Geschichte ein, die ihm der Damshäger Schulze vor einigen Tagen erzählt hatte, und die er nun nicht für sich behalten konnte. Dort ernährte sich schlecht und recht ein Kossäth, der, weil sein Acker nicht soviel eintrug, auch bei Festlichkeiten aufspielte. So war er neulich zu einer Hochzeit nach Koppshagen gewesen und ziemlich Spät heimgekehrt. Unterwegs fällt er in die Wolfsgrube beim Hohlen Grund. Die hatte sich aber ebenso unfreiwillig schon ein großer, "griser Hund" (Wolf) als Herberg auserkoren. Wolf und Musikant hatten sich aber aus Angst gegenseitig nichts getan. Schließlich hatte der Damshäger mit dem Mut der Verzweiflung sein Horn ergriffen und geblasen, was ihm die Verzweiflung eingab, Schauerlich-schön begleitet vom Geheul des Wolfes, der nicht so kunstverständig war, um den Genuß recht zu würdigen. Der Damshäger Förster, den der Lärm herbeigelockt, hatte dann beide ans ihrer Not erlöst, indem er dem Wolfe das Lebenslicht ausblies. Damit stimmte die lustige Schreiberseele das alte Jägerlied an:

"Es blies ein Jäger wohl in sein Horn,
Und was er blies, das ging verlorn,
Soll all mein Blasen verloren, verloren sein,
Ei, so wollt‘ ich nimmermehr ein Jäger sein.
Er stach sein Messer wohl unter grünen Zweig,
Ein schwarzbraunes Mädchen sprang da hervor sogleich.
Ach schwarzbraunes Mädchen, entspringe du mir nicht,
Denn ich hab so große Hunde, die greifen, greifen dich.
Ja deine großen Hunde, die tun mir ja nichts,
Denn sie wissen meine hohen Sprünge ja nicht.
Ja, deine hohen Sprünge, die wissen sie ja wohl
Denn sie wissen, daß du heute noch sterben sollst.
Und so ich heute sterbe, so bin ich morgen tot,
So begraben sie mich unter die Rosen rot
Wohl unter die Rosen, wohl unter grünen Klee,
Denn da verderb ich nun und nimmermehr.
Es wuchsen drei Lilien aus ihrem schönen Grab,
Da kam ein stolzer Reiter, der wollt sie brechen ab.
Ach Reiter, ach Reiter, laß er die Lilien stehn,
Die soll ja mein Herzallerliebster noch einmal sehn."

Alle waren nach und nach in die bekannte Melodie eingefallen und weithin schallte das Jägerlied, von Jagdhörnern begleitet. "Na, den Schreiber juckt‘s mal wieder," meinte der Junker Gerd Kleist. "Er denkt wohl wieder an die Schöne Ev‘ am Markte."

"Was ist‘s mit der ?" fragte neugierig Herzog Georg, der auch kräftig mitgesungen hatte.

"Na, dem ist‘s neulich abends schlecht bekommen. Er wollte der Schönen Ev‘, der Tochter des reichen Tuchmachers Lentzkow am Markte, ein Ständchen bringen, weil er sich in ihre blauen Augen zu tief vergafft. Leider hatte er das falsche Fenster getroffen, und die erboste zukünftige Schwiegermutter goß etwas auf ihn herab, was er nicht - mit Verlaub zu Sagen - gern hatte."

Alle lachten und hänselten den Schreiber, bis einer anfing, "das Lied von Heinriche Konrade, dem Schreiber im Korb" zu singen:

"Es ging ein Schreiber spazieren aus,
Wohl an dem Markt, da steht ein Haus.
Er sprach : "Gott grüß euch‘ Jungfrau fein,
Wollt ihr wohl meine Liebste sein ?"
Sie sprach : "Mein Liebster sollst nicht sein,
Du setzt dich dann ins Körbelein."
Dem Schreiber gefiel der Korb nicht wohl,
Er durft ihm nicht getrauen wohl,
Der Schreiber wollt gen Himmel fahr’n,
Da hatt‘ er weder Roß noch Wag‘n.
Sie zog ihn auf bis an das Dach,
Ins Teufels Nam‘ fiel er wieder herab.
Er fiel so hart auf seine Lend,
Er sprach : "Daß dich der Teufel schänd !"
"Pfui dich, Pfui dich, du böse Haut!
Ich hätt dir das nicht zugetraut."
Der Schreiber gäb ein Gulden drum,
Daß man das Liedlein nimmer Sung.
Heinriche, Konrade, der Schreiber im Korb."
 

Unter diesen und anderen noch derberen Späßen war der Jagdzug über die Doberawoda und Ginsnitza bis auf die Sandhöhe von Preetz gelangt, auf der einige Wachholderbüsche und armselige Kuffeln ihr kümmerliches Dasein fristeten. Doch Bogislaw hielt hier an und wandte sein Roß. Die Sonne war hochgekommen. Ihr Schein grüßte von den hohen Türmen von Rügenwalde, und überall sah man zwischen den Wiesen und Gebüschen Gehöfte hervorlugen. Von der Grabow her grüßten Zerawe, vom heiligen Berg (Fuchsberg) Suckow und dicht vor ihnen Coribe. In vielen Armen durchfloß die Grabow das Wiesengelände. Helle Freude glänzte auf seinem Gesicht, als er sich an seinen Gast wandte. "Fürwahr ein herrlicher Besitz, den uns Bruder Philipp überlassen hat. Doch nun vorwärts." Herzog Johann Adolf nickte zustimmend.

In schärferer Gangart gings nun zum Treffpunkte, der Fürsteneiche, im Buckower Forste. Diese gewaltige, vielhundertjährige, Eiche war der gewöhnliche Treffpunkt, und auch heute hatte der Vogt von Buckow hierher die Treiber von Buckow, Belkow, Eventin, Abtshagen und Steinort bestellen müssen. Die Herzöge jagten gern in diesem Revier. In Buckow hatten sie ein Jagdhaus, wo sie oft übernachteten, außerdem ein großes Gestüt, wie auch bei Lanzig in See-Neuenhagen eingerichtet, wo auch ihr Vorgänger sich ein Fischerhaus erbaut hatte. Der heutige Tag sollte der hohen Jagd auf Hirsch, Reh und Wildschwein gehören, dann wollte man in Buckow übernachten und morgen niedere Jagd auf Wildenten, Schwäne, Gänse und Taucher und Fischfang im Mühlenbach und See ausüben.

Die Berichte entwerfen von dem Wildreichtum unserer Wälder aus jener Zeit Bilder, die den Neid eines jeden Jägers von heute erregen müssen. Bis in die späte Regierungszeit Friedrichs des Großen gab es solchen Überfluß an Wildbret. Freilich, Bären wurden "leicht nicht mehr gefunden, es seien denn Überläufer aus dem benachbarten Pohlen" (oder Zanower). Aber Wölfe gab‘s in Menge.

Dann heißt es weiter: "Füchse, Fischottern, Marder, Iltis, braune und weiße Wiesel, Dachse, Igel, Hafen, Kaninchen, mancherley Ratzen, Eichhörner, Hirsche, Damhirsche, Rehe und wilde Schweine sind die gewöhnlichsten Landthiere. Wilde Katzen, Hamster und Siebenschläfer gehören zu den selteren."

Da kann man sich denn auch nicht wundern, daß die Jagdbeute der drei Fürsten eine überaus große war. Freilich war die Jagd damals auch weit gefährlicher. Seit ungefähr 1600 kannte man schon Schrotgewehre und bediente sich ihrer auch bei der Jagd auf Kraniche und Fischreiher statt der früheren abgerichteten Falken. Besondere Kaltblütigkeit war bei Keilern geboten, denen man dann nach der Hetze mit der Saufeder zu Leibe ging.

Die Jagdbeute war an den beiden Tagen in Buckow überaus reichlich ausgefallen, und die Herzöge wandten sich über Göritz nach Malchow. Viel verrufen als Schlupfwinkel für grife Hunde war eine lange, steile Schlucht bei Göritz, die Hölle. Hier jagten die Rüden einen stattlichen Vierundzwanzigender auf. Unter Hörnerklang und Hundegebell folgten alle Reiter seinen Wendungen und Seitensprüngen. Der Hirsch nahm seinen Lauf auf den kleinen See bei Malchow und stürzte sich hinein, Hunde und Jäger hinterdrein; am andern Ufer ging die Hetzjagd weiter, bis er zusammenbrach.

Als am Abend die Fürsten in ihrem Jagdhaus auf dem Vorwerk bei Malchow saßen, meinte Georg: "Nun, ich glaube, wir können zufrieden sein, und den Kamminer einladen, auch wenn wir morgen bei Wulfshagen und Krakow nicht mehr viel bekommen sollten." Herzog Bogislaw war einverstanden, und nun diktierten sie dem Sekretär gemeinsam folgenden Brief, den er nachher, während die Herren die Humpen schwangen und von ihren Jagdabenteuern erzählten, in seiner Kammer auf feines, mit Gold verziertes Papier abschreiben mußte.

Inhalt: Herzog Bogislaw XIV. und Georg III. laden ihren Bruder Herzog Franz und Gemahlin (Sophie, Tochter des Kurfürsten Christian I. von Sachsen, seit 26. August 1610 vermählt) zur Martinsgans nach Rügenwalde.

Unsere freundtliche Dienste undt was wir mehr Liebs undt Guts vermogen zuvor! Hochgeborener, hochwürdiger Fürst, freundlicher lieber Bruder!

Wir zweifeln nit, E. Ld. werden sich nunmehr von främbden Gästen undt anderer Unruhe ein weinig erfreiheit befinden, demnach wir unß nit Liebers wundschen wollen, den das wir unß allerseits in freundlicher Unterredung und Fröligkeit unter einander ergezen möchten. Also pitten wir hiermit ganz freundtlich, E. Ld. wolle uns den bruderlichen Willen erzeigen und zufamt Dero herz-lieben Gemahlinnen, (deren Ld.. noch niemahlen bei unß gewesen) kegen nehrstkunftigen Martini Abends in unser Hofstadt Rugenwalde unß freundlich besuchen, die Martensgans nebenst unß undt Herzog Johann Adolfen (von Schleswig-Holstein) D. Ld. E.C. LLd. hiermit freundtlich grüßen thuet, verzehren, undt was der liebe Gott allda unser geringen Gelegenheit nach bescheeren wirdt, in fröhlichkeit vorlieb undt Willen nehmen. Wie wir nun nit zweifeln, E. Ld. unß hierin bruderlich wilfahren worden, alß seindt wirs kegen Dero aller Muglichkeit nach zu verschulden geneigt, EE. L. Ld.. unterdeßen undt unß sämbtlich in den Gnadenschutz des Höchsten zu bestendiger Gefundtheit trewlich empfehlende.

Datum Malchow‘ den 6. Novembris 1610.

Von Gottes Gnaden Bogißlav und Georg, Gebrüdere, Herzogen zu Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, Fürsten zu Rügen, Graffen zu Gützkow‘ Herrn der Lande Lawenburg undt Bütow.

Deiner Liebdenn getreu affektionierter Bruder,
weil ich lebe Bogischlaff H. z. S. Pom.
D. Ld.. getruwer dienstwilliger Bruder, weil ich lebe

Georg H. z. S. Pommern.

Am nächsten Morgen wurde die Jagdbeute nach Malchow, wie auch schon von Buckow aus geschehen, nach Rügenwalde geschickt und dieser Brief zur schnellen Beforgung mitgegeben. Da Herzog Franz in Köslin weilte, traf ihn die Einladung den nächsten Tag.