3. Die Jürgenkapelle.

Wie St. Gertrud einst der Ausgangspunkt für die Stolpmünder Vorstadt wurde, so St. Jürgen für die Wipper-Vorstadt. Die Lubinsche Ansicht zeigt uns das altersgraue Kirchlein genau wie heute aussehend, nur läuft um dasselbe eine mannshohe Glinde im Kreise herum. Im Schatten hoher Eschen gelegen, bietet der stille Winkel einen wohltuenden Gegensatz zu dem Verkehr in der Bahnhofstraße.

Der h. Georg, der Schutzpatron der Ritter, ist als Drachentöter bekannt, gest. 303. Er weigerte sich später, den Götzen zu opfern und trinkt den Giftbecher ohne Schaden. Gerädert, von Pferden geschleift, wird er enthauptet und später als Heiliger in die Zahl der 14 Nothelfer aufgenommen. Fast alle pommerschen Städte, die aus dem 13., dem Besiedlungsjahrhundert stammen, hatten ihre Jürgenkapelle mit Hospital vor der Stadt. Infolge der Kreuzzüge war der Aussatz nach dem Abendland gekommen und hatte sich hier ausgebreitet. Weil der Atem jenes Drachen giftige Krankheiten verbreiten sollte, gründete man unter dem Schutze des Drachentöters Aussatz-Hospitäler, die von aller Berührung mit der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen waren, daher vor den Stadttoren liegen mußten, weil der Aussatz unheilbar war. Schon im ersten Viertel des 13. Jahrhundert gab es in Europa gegen 20000 St. Jürgenhospitäler.

Daraus geht hervor, daß auch die Jürgenkapelle sehr alt sein muß. Sie wird schon im 15. Jahrhundert erwähnt, muß aber später einem Umbau unterworfen sein, da sie am Tage Allerseelen 1502 von Bischoff Martin Karith eingeweiht wurde. 1599 wird sie nochmals, nachdem sie Schadhaft geworden, aus milden Beiträgen wiederhergestellt. 1623 erhielt sie die Glocke von St. Gertrud zugewiesen.

Die Kapelle ist einschiffig, 8,50 m breit und doppelt so lang. Der wenig überragende Westturm hat eine 1,08 m starke Außenmauer und oben eine 1817 umgegossene Glocke von 40 cm Durchmesser. Die Wände des Schiffes sind von 13 Rundbogenfenstern 1,10x1,90 m durchbrochen, 2 in der Westwand, 3 im Chor und je 4 in den beiden Längswänden. Die rautenförmigen Scheiben sind in Blei gefaßt. Ein Fenster in der Nordwand weist eine Glasmalerei auf von 18 cm Breite. Zwei Bären halten das Wappen der v. Adebar. Darunter steht: Senator Lorentz Adebar 1603. Dieser war 1599 hier Ratmann, Später Kämmerer und Bürgermeister, gest. 1628. Die von Adebar waren ein sehr angesehenes, reich begütertes altes Patriziergeschlecht hier wie in Kolberg, das der Kirche manche Schenkung überwies. ebenso befindet sich in einem Fenster in der Südwand eine alte Glasmalerei 10x12 cm, das ohne Unterschrift 2 gekreuzte Gabeln zeigt. Die grau getünchten Wände machen einen nüchternen Eindruck. Ein altes Holztafelgemälde an der Südwand, Christus mit der Weltkugel und Kreuz darauf darstellend und der Unterschrift; Amen, Amen, dica vobis, qui Credit in me habet vitam aeternam Joh. cap. 6 ist ohne künstlerischen Wert.

Einen gefälligen Eindruck macht die Kanzel mit der Sakristei, in einheitlichem Stile geschnitzt und braun gehalten. Die Wandung zeigt die weiß gestrichenen vier Evangelisten. Auch der Altaraufsatz weist nur einfache Schnitzerei auf; das Abendmahl in Weiß und Gold gehalten. Die Malerei müßte erneuert werden. In der Ostwand befindet sich ein eingelassener Holzschrank von 1,45x0,95 m, in dem eine Taufschüssel in guter getriebener Arbeit den Sündenfall darstellend, aufbewahrt wird. Weitere bemerkenswerte Ausstattungstücke finden sich nicht vor.