2. Das Rathaus

Auf dem Stadtplan von 1500 finden wir das Rathaus mitten auf dem Markte verzeichnet, und die Lubinsche Ansicht zeigt uns einen stolzen Bau, mit einem kleinen Turme, der hoch über die anderen Dächer emporragt. Als aufstrebende Hansestadt und als Residenz des alten Greifengeschlechts hatte Rügenwalde ein Rathaus erbaut, das seiner damaligen Bedeutung entsprach. eine Zierde der Stadt, die Kunde von der Wohlhabenheit, dem Unternehmungsgeist und Selbstbewußtsein der Bürgerschaft gab, war der alte massive hanseatische Prachtbau. Siegreich widerstand er 4 Feuersbrünsten, erst der letzten großen 1722 fiel er zum Opfer. In seinen überwölbten Innenräumen befanden sich die Gerichtstube, die vordere neue Stube, die Vorburse und die lange Burse für die Versammlungen der Gilden und die obere Gerichtstube. In ihm tagten glänzende Versammlungen, Landtage wurden hier abgehalten, Bankette, an denen die Herzöge oft und gerne teilnahmen, veranstaltet, Gesandte fremder Städte empfangen. In reichgeschnitzten Truhen wurden der Silberschatz des Rates und der Stadt Privilegien aufbewahrt. Im Ratskeller kamen die getreuen Ratmannen, die angesehenen Handelsherrn zusammen, berieten beim handfesten Trunke über der Stadt Geschicke und schlosen gewinnbringende Geschäfte, die sie nach dem Baltenland, nach den nordischen Reichen, nach den Niederlanden, nach England, ja bis Spanien führten, ab. Nichts ist von der alten Herrlichkeit übriggeblieben als eine verstümmelte Inschrift.

Die bedrängte Lage der Stadt, der allbekannte Sparsamkeitssinn des Landesherrn waren maßgebend für den Neubau des Rathauses auf seiner jetzigen Stelle, der im Jahre 1925 sein 200jähriges Jubiläum feiern konnte. Obgleich ziemlich einfach aufgeführt, ist das jetzige Rathaus doch nicht ganz ohne architektonischen Schmuck. Der Eingang ist von 2 Säulen umrahmt und hat über sich eine Inschrift, die Bezug auf die Geschichte der Stadt nimmt, mit dem Stadtwappen. Sie besteht deutlich aus 2 Teilen; der obere Teil stammt noch vom alten Rathause. In Majuskeln gesetzt, lautet sie:

ANO: CHRI 1657

Haec civitas locata
Privilegiis adaucta
Tor ignibus cremata
Toties resuscita:
Deo Duciq (ue) grata
Sis perpetim beata !
Sed proh dolor!
Flammis iterum
Devastata, Anno
1697 et 1622

Ao CHRI : MCC . .
MCCCXII
1859 1624, 1648
Crese, flore, civitas
Te deus felicitet
Dux din te protegat
Et hic domus
publica noviter
exstructa, Ao 1725
Sit ultimum !

Diese Stadt wurde gegründet
Mit Vorrechten ausgestattet
Dreimal durch Feuer zerstört
Ebenso oft wieder aufgebaut
Dank‘ es dem Herrn und Herzog
Sei ewig glücklich !
Aber o Schmerz!
Durch Flammen wurde sie
Abermals verwüstet im Jahre
1779 und 1722

Im Jahre n. Chr. Geb. 12 . .
1312
1589 1624, 1648
Wachse blühe, o Stadt !
Gott mache dich glücklich !
Der Herzog schütze dich lange !
Und hier ist das Rathaus
Neu erbaut, im Jahre 1725
Möchte es zum
letzen Male sein!

Der obere Teil der Inschrift ist zwischen dem 3. und 4. großen Brande entstanden, zeigt auch größere Buchstaben. In der ersten Zeile rechts ist LXX zu ergänzen; denn um 1270 war die Gründung der Wendenstadt R., während die Neugründung als deutsche Stadt 1312 erfolgte.

Das Stadtwappen zeigt das Mühlenrad als Helmzier, wie es die Stadt in der Renaissancezeit führte. Auf rotem Untergrunde erblicken wir einen silbernen Fischgreif d. h. einen Greif, der von der Leibesmitte an in einen Störschwanz ausläuft. Im silbernen Schildfuß finden sich 2 gegenschräge, sich unten vereinigende blaue Bänder, den Zusammenfluß der Wipper und Grabow andeutend. Der Greif war das Wappentier der pommerschen Herzöge und auch des Geschlechts der Swenzonen, von denen die Neugründung der Stadt erfolgte. Sämtliche 4 Kreisstädte führen mit vielen andern pommerschen Städten den Greif, das alte Fabeltier als Wappen.

Schlawe: In Rot ein aus einer Schräg gestellten, blaugoldnen Schachtafel wachsender, silbener Greif, rechts begleitet vom blauen Bande der Wipper; Zanow auch einen silbernen Fischgreif in Rot, unten links ein blaues Band, den Nestbach, und Pollnow in Silber einen roten Greif, der ein goldnes Szepter in den Fängen hält. Die Rügenwalder Stadtfarben sind Rot-Silber, das letztere wird bei Fahnen durch Weiß vertreten.

Das heutige Rathaus ist in seiner ursprünglichen Form mehrmals durch Umbauten stark verändert worden. Von der ersten Einrichtung ist nur ein alter Kachelofen erhalten geblieben. Die Seitenflügel weisen auf eine früher offene Bogenarchitektur hin, wie sie das Schlawer noch heute zeigt. Links befand sich der Fleischscharren, rechts die Wache mit dem Brummstall, auch war im unteren Teil das Akziseamt untergebracht. Die vorhandenen Räumlichkeiten sind lange nicht ausreichend für alle Behörden und Ämter, die es unter seinem Dache vereinigt. Die Übersiedlung der Stadtsparkasse in das Gollmersche Haus konnte auch nicht ausreichend Abhilfe schaffen. Ein lebensgefährliches Gedränge herrschte während der Kriegszeit, wenn neue Lebensmittel- und Kohlenkarten ausgegeben wurden. Seit 1725 besitzt es eine Uhr mit Schlagwerk, die in diesem Jahre durch eine neue ersetzt worden ist.

Die daneben stehende, an das Rathaus angeschlossene Löwenapotheke besteht schon seit dem 24. März 1612, die Kellerräume vielleicht sogar noch länger. Eigenartigen Bau zeigt das Dach der Apotheke von der Erbstraße aus.

Vor dem Rathause erhebt sich der Marktbrunnen, von der Familie Hemptenmacher zum Gedächtnis gestiftet, ein Werk des in Schlawe geborenen Bildhauers Wilhelm Groß, das erst nach dem Kriege fertig wurde. Aus einem Sammelbecken aus Mühlhausener Kalkstein erhebt sich auf einem gedrungenem Schafte ein zweites Becken, das die in Kupfer getriebene Figur eines Seefahrers zeigt. Vier Plaketten am Sammelbecken zeigen die Gründung der Stadt 1312, eine hanseatische Kogge, die Schiffahrt, Ackerbau und Gänsezucht im Rügenwalder Amte. Der Brunnen wird elektrisch angetrieben und tritt im Sommer an den Sonntagmittagen und sonst bei feierlichen Gelegenheiten in Tätigkeit.