The Poor Adventurer's Almanac

von Peter Nomigkeit

 

Der klassische Abenteurer, der unseren Helden zugrundeliegt, ist wenig begütert. Würde er sonst zweifelhafte, jedoch immer heroische und bisweilen unmöglich scheinende Aufgaben von zwielichtigen Gestalten und schönen Prinzessinen annehmen oder allein gegen den Drachen ins Feld ziehen?

Wer an Liverollenspielen teilnimmt, wird sich früher oder später mit den Dingen beschäftigen, die er mitnimmt, wenn es ins Abenteuer geht.

Angefangen mit dem richtigen, zum Charakter passenden Kostüm ("Gewandung") geht es über die Waffen zur allgemeinen Ausrüstung. All das kann schnell ins Geld gehen, und manche Leute haben für möglichst authentische Kettenhemden oder gar Plattenrüstungen mehr ausgegeben, als ein Flug nach New York kostet.

Naja, wer will schon nach New York.

Aber muß es gleich ein echtes Kettenhemd sein? So etwas wiegt nicht nur 20 - 30 kg, die Herstellung ist auch recht langwierig (siehe Schattenwelt #1), während der Kauf eines fertigen Hemdes mit mindestens 600,- DM zu Buche schlägt. Dafür hat man allerdings dann einen Schutz von +4 auf die Basiswerte, und man braucht sich nie Sorgen machen, daß es einläuft.

Vergessen wir nicht, daß die Veranstaltungen Spiele sind...mit allen Nebenbedeutungen. Man kann sich amüsieren, neue Leute kennenlernen, neue Erfahrungen machen, mit anderen in Wettstreit treten, vielleicht ein wenig Persönlichkeitsbildung betreiben, mal einen neuen Charakter ausprobieren, seine Fähigkeiten erproben und vor allem eine Menge Spaß haben.

Aber warum, zum Henker, sollte das teuer sein?

Dieser Artikel wendet sich daher an Personen, welche an einem Spiel teilnehmen und über eine leider notwendige, kostendeckende Teilnahmegebühr hinaus nicht ihren Flug nach New York opfern wollen. Die statt dessen auf Teufel komm raus ihre Ausrüstung selbst bauen, und das mit Phantasie und Einfallsreichtum.

Für euch sind meine Tips gedacht.

Was man so braucht

Fangen wir mit der Gewandung an. Sie hängt natürlich von eurem Charakter ab; ein Söldner aus Lorn wird andere Kleidung tragen als ein Kleriker des Baraankultes und dieser wiederum etwas anderes als ein Gaukler aus Ghant.

Da Krieger als Charakterklasse sehr beliebt sind, gehe ich zunächst auf diese ein.

Niemand schreibt vor, daß Krieger irgendetwas Spezielles außer ihren Waffen tragen sollen (Krieger ohne Waffen sind nach Regelwerk nicht kampffähig, da waffenloser Kampf aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt ist). Ein Barbar im Lendenschurz kann genausogut Krieger sein wie ein Ritter in Vollrüstung. (Im Winter ist der Ritter allerdings im Vorteil).

(Über die heizbare Vollrüstung berichten wir in Schattenwelt #78).

Schon vor dem Kauf von Material sollte man sich natürlich Gedanken machen, wie das Kostüm konkret aussehen soll. Ideen liefern Fantasy- und Ritterfilme, ebenso entsprechende Bücher über das Mittelalter. Eine selbstgefertigte Skizze ist für den späteren Zuschnitt mehr als hilfreich und gibt gleichzeitig einen Maßstab der Materialmenge, die benötigt wird.

Grundlage der Gewandung sind Stoffe.

Nach dieser großartigen Erkenntnis fragt man sich vielleicht, wo sie preiswert erhältlich sind. Am günstigsten sind sie auf Märkten zu finden, die Märkte wiederum in der Tageszeitung. Dort gibt es Stoffe in jeder Menge und jedem Muster zu fast jedem Preis. Letzteres bedeutet leider auch, daß ein Meter über 30,- DM kosten kann, obwohl es bereits Stoffe zu 3,- DM pro Meter gibt.

Wer nicht auf einen Markt warten möchte: größere Kaufhäuser haben meist eigene Abteilungen für Stoffbahnen. Ausgefallene Muster (z.B. Sterne, für Astrologen und Magier interessant) sind eher zu Karneval in der Nähe der Spielzeugabteilungen zu bekommen.

Aber warum gleich kaufen? Vielleicht ist ja schon etwas da, was sich verwerten läßt? Eine Nachforschung im eigenen Keller und dem Dachboden kann sinnvoll sein - es gab schon Kostüme, die aus einer alten Gardine gemacht waren und nicht übel aussahen.

Jetzt hat man sich also einige Meter Stoff zugelegt, ob gekauft, ob als Restbestand von Verwandten erbeutet oder mit der Bemerkung "Ich war ohnehin der Meinung, daß wir neue Vorhänge brauchen." von der Wand gerissen. Und nun?

Wohl dem, wer jemanden kennt, der im Nähen bewandert ist. Manche finden tatsächlich in ihrer Umgebung eine derartige Person, die sich glücklich schätzt, aus drei Metern Stoff und einer hingekritzelten Skizze ein tolles Kostüm zu machen. Aber das ist wohl eher selten.

Eher kann man seine Wünsche bei einer (Änderungs-) Schneiderei anbringen, wo Werkzeug und Fachwissen vereinigt sind.

Wem das zu teuer erscheint, muß wohl oder übel selbst zu Nadel und Faden greifen und sein Glück versuchen. Und wenn man nicht gerade einen reichen Prinzen spielt, sind kleinere Fehler beim fertigen Produkt nur um so authentischer. Nur Mut!

Neben Stoffen spielt Leder eine wichtige Rolle. Es ist strapazierfähiger, sieht "echt" aus, läßt sich relativ leicht verarbeiten und gibt ein wenig Rüstungsschutz.

Während man Stoffe noch halbwegs günstig erhalten kann, gehen gleichgroße Ledermengen bereits ordentlich ins Geld. Zumindest, wenn man sich die Preise in den entsprechenden Läden ansieht (siehe: Bezugsquellen; am Ende des Artikels).

Aber dies wäre nicht der Almanach des armen Abenteurers, wenn nicht andere Wege aufgezeigt würden.

Das Geheimnis der Lederbeschaffung lautet: Leder läßt sich aus jedem fertigen Lederprodukt gewinnen.

Das klingt trivial.

Mag sein, hat's aber in sich. Mir ist eine Lederrüstung bekannt, die aus einem alten, auf dem Dachboden gefundenen Koffer gefertigt wurde und gerade deshalb noch stilechter aussieht wie manche andere, die aus neuem und damit teureren Leder aus dem Geschäft hergestellt wurde.

Gebrauchte Lederkoffer gibt es auf Flohmärkten, und nicht nur die: Lederjacken, Ledertaschen, Ledermäntel, Ledergürtel geben genauso gutes Rohmaterial ab. Aus einer ledernen Damenhandtasche (hellbraunes Wildleder) und zwei Gürteln habe ich mal innerhalb einer Stunde eine verstellbare Schwerthalterung für Rückenbefestigung gebaut.

Aus den Koffern macht man eine Rüstung aus hartem Leder, aus den Jacken alles mögliche, aus Taschen und Gürteln den Kleinkram.

Es gibt Stände, wo Lederjacken in braun, schwarz, aus Wildleder, aus glattem Leder, aus weichem Leder, aus schwerem Leder für 10,- DM pro Stück verkauft werden. Sie sind Jahre alt und garantiert aus der Mode, aber aus drei Stück im gleichen Farbton läßt sich eine Gewandung nach eigenen Vorstellungen machen. Der Rückenteil bietet die größte glatte Fläche, die von Nähten und Taschen verschont ist. Beim Entfernen der anderen Teile fallen Lederreste an, die sofort weiterverarbeitet werden können, etwa Ärmelabschnitte zum Umwickeln des Schwertgriffes usw.

Die Verbindung der einzelnen Teile geschieht mit Hohlnieten.

Überlappende Lederstücke werden mit einem spitzen Messer durchbohrt, die Niete hindurchgesteckt und mit dem Deckelteil zusammengehämmert. Das geht schnell und ist dauerhaft haltbar. Sinnvollerweise sollte man die Nieten in verschiedenen Größen vorrätig haben, je nach Art und Dicke des Leders.

Wer sein Kostüm flexibler gestalten möchte, kann auch anstatt einer festen Verbindung durch Nieten nach der Bohrung der Löcher Metall-Ösen mittels einer Ösenzange hineinknipsen und dann eine Lederschnur hindurchziehen. Das eignet sich vor allem bei Lederhemden und -hosen.

Kleinere Mengen von vor allem dünnem und weichem Leder gibt es als Reste in mehreren Geschäften, günstig jedoch bei Saalscheider in Köln am Neumarkt. Dieses Geschäft ist überhaupt die erste Adresse für Leder aller Art, und die Nieten gibt es da praktischerweise auch (Keiner der Mitarbeiter dieser Zeitung oder der AG ist mit Personen des genannten Geschäftes verwandt oder verschwägert, es scheint sich leider um eine Art Monopol zu handeln, auch wenn vor kurzem "irgendwo in Ehrenfeld" ein weiterer Laden aufgetan wurde).

Als Fußbekleidung eignen sich Wanderschuhe sehr gut, notfalls auch andere braune oder schwarze strapazierfähige Schuhe. Turnschuhe (vor allem weiße mit Herstelleraufdruck) sind völlig stillos. Wer nur Springerstiefel hat, sollte diese möglichst am Schaft mit Stulpen (aus Leder selbstgemacht oder im Karnevalsladen gekauft) oder Fell verkleiden.

Aus Fell, neben Stoff und Leder dem dritten möglichen Bestandteil der Gewandung, läßt sich gerade für Barbaren und Orks so manches anfertigen.

Für die Beschaffung von Fell gilt dasselbe wie für die Beschaffung von Leder. Neben dem Ausschlachten von entsprechenden Jacken kann man allerdings auch auf Autofelle (Sitzbezüge) zurückgreifen. Letztere sind in verschiedenen Farben und Mustern erhältlich.

Für manche ist ein Ring oder eine Kette mit einem Symbol das Tüpfelchen auf dem i (obwohl man Gewandung nicht mit i schreibt). Auch hier kann man natürlich Kataloge wälzen und Sammelbestellungen aufgeben, der Bedienung beim Juwelier auf die Nerven gehen ("Haben Sie nicht was mit Kröten?") oder sich in seltsamen esoterischen Läden herumtreiben.

Oder man macht sich eben selber das, was zum Charakter paßt. Man braucht weder Kenntnisse der Feinschmiedekunst noch eine Drehbank, sondern viel Phantasie und, nun ja, eine Spur handwerkliches Geschick. Oft reicht die Veränderung von gewöhnlichen Dingen aus, um ihnen eine mystische Bedeutung zu verleihen, angefangen bei einer mit Filzstift bemalten Unterlegscheibe, die an einer Lederschnur um den Hals getragen wird.

Wer wird behaupten können, dieses in der Mitte gelochte, mit Schutzrunen versehene Amulett sei nicht ein Abbild der Sonne, wie es die Anhänger des Helioskultes tragen? (Kosten: 20 Pfennig)

Weitere Beispiele: der goldene Ring von Arquaid war ein Ohrclip, bei dem der Verschluß abgesägt und glattgefeilt wurde (50 Pfennig). Sein heiliges Symbol, das er um den Hals trug, war ein umgedrehter russischer Flaschenöffner (6,- DM).

Metallketten in verschiedenen Ausführungen (runde, ovale, in sich gedrehte Kettenglieder) und Farben (schwarz, vernickelt, silbern, golden) gibt es in Baumärkten als Meterware (zwischen 3,- und 9,- DM pro Meter).

Auf Flohmärkten findet man an jedem dritten Stand (bitte nicht nachzählen) ein Kästchen mit Billigschmuck. Warum nicht zwei oder drei Teile kombinieren, sich zurechtbiegen und zusammenlöten? (Lötzinn ist erschwinglich, und einen Lötkolben leiht man sich von einem Elektronikbastler aus.)

Als Ergebnis hast Du schließlich etwas Einzigartiges, was man in Geschäften vergeblich sucht und das noch obendrein von Dir selbst geschaffen wurde.

Ausrüstung:

Ein zünftiger Köcher läßt sich aus einem Paar lederner Damenstiefel (hoher Schaft, kein Reißverschluß) machen, indem man die Fußteile abschneidet, die beiden Röhren ineinandersteckt und mit einer Überlappung von 5 Zentimetern vernietet. Das schmalere Ende wird ebenfalls durch Nieten verschlossen. Wird nun dazu ein Gürtel so angenietet, daß man ihn über die Schulter tragen kann, ist der Köcher bereits fertig und kann sogar mit Schuhputzmitteln gepflegt werden.

Schwerthalterungen lassen sich einfach aus zwei Stücken härterem Leder anfertigen, bei dem eines röhrenförmig zusammengenietet wird, natürlich mit einem für das Schwert passenden Innendurchmesser, und man das andere als Gürtelschlaufe darannietet. Für rund zehn Mark gibt es in Baumärkten bereits fertige Halterungen zu kaufen, die aus zwei ledernen Gürtelschlaufen und zwei kurzen Metallketten bestehen und für Zimmermannshammer o.ä. gedacht waren.

Von Rainer Heep stammt die Idee, aus einer eimerähnlichen Metallvase einen Helm zu machen. Er hat so eine davon für 5,- DM vom Flohmarkt erstanden und will sie auspolstern.

Über Schwerter und andere Waffen gibt es einen gesonderten Artikel in dieser Ausgabe.

Soll Schmuck oder Ausrüstung nachträglich "auf alt getrimmt" oder sonstwie eingefärbt werden, eignet sich eine Airbrushpistole gut dafür. Ein gesprühter Farbnebel zaubert jede gewünschte Tönung auf das Objekt. Ein Einsteiger-Set mit Anleitung, Druckflasche, Sprühkopf, Reinigungsmittel und sechs Farben kostet ca. 50,- DM.

 

Zusammenfassung

a) Werkzeug:
Nähnadel (verschiedene Stärken)
Faden (verschiedene Farben)
Schere
scharfes Messer
Hammer
Zange
Eisensäge
Eisenfeile
Hohlnieten
Ösenzange
Maßband

b) Materialbeschaffung:

Werkzeug, Metallwaren, Gardinenstangen, Rohrisolierung, Isolierband, Klebstoff, Silikon:
Baumärkte (Bauhaus, Wirichs; siehe Branchenbuch)

Leder, Hohlnieten:
Saalscheider (Apostelnstr.)

alles mögliche:
Flohmärkte (siehe Tageszeitung)

Kostüme, Schminke, Karnevalsartikel:
Der Karnevalswierts
Otto-Hahn-Str. 17
Köln-Godorf (ganzjährig geöffnet)
Tel. 02236-47041, Fax 02236-83631

Fantasy-Schmuck:
Alchemy, England

Airbrush-Einsteiger-Set:
Toys'R'Us

LARP-Shops:
Das Drachenei
Winterhuder Weg 10
2000 Hamburg 76
Tel.: 040-2278628

Spieletreff Pegasus
Schulstr. 15
6360 Friedberg
Tel.: 06031-64746

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