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Múm

Finally We Are No One

Released 2002
Produced by ...

  1. Sleep/Swim
  2. Green Grass Of Tunnel
  3. We Have A Map Of The Piano
  4. Don't Be Afraid,You Have Just Got Your Eyes Closed
  5. Behind The Hills...A Swimmingpool
  6. K/Half Noise
  7. Now There's That Fear Again
  8. Faraway Swimmingpool
  9. I Can't Feel My Hand Any More,It's Allright,Sleep Still
  10. Finally We Are No One
  11. The Land Between Solar Systems

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Múm lebt in einer verzauberten Welt. Finally We Are No One entstand in einem entlegenen isländischen Leuchtturm und ist ein Elektronikalbum, das verschwommene, vage Erinnerungen an die Kindheit herauf beschwört, die zugleich bezaubernde und Furcht erregende Wirkung erzielen. Die Vergleiche, die sich aufdrängen, sind Boards Of Canada und die ebenfalls aus Island stammende Björk. Aber schon wie bei ihrem wunderbaren Debüt, Yesterday Was Dramatic, Today Is OK, macht Múm eine Musik, die viel zu originell ist, um allzu leichtfertig in Schubladen zu landen.

So ist das Summen analoger Keyboards gleichzeitig mit gedämpften digitalen Einschüben zu hören und ebenso richtige Instrumente -- Akkordeons, Celli, Melodicas -- flattern bei diesem Mix ein und aus. Es entsteht der Eindruck einer modernen Form von Folkmusic. Sie ist sanft, vermittelt fast schon feenhafte Eindrücke, aber das Quartett (zu dem auch die beiden Zwillingsschwestern gehören, die auf dem Cover von Belle & Sebastians Fold Your Hands Child, You Walk Like A Peasant auftauchten) schlittert niemals in gefällige, nur stimmungsvolle Musik. Stattdessen wirken die elf Stücke wie Auszüge aus einem besonders lebhaften Traumjournal, insbesondere wenn die Valtysdóttir Schwestern bei diesem besonderen Schlaflied "The Land Between Solar Systems" auf ihre so seltsam gurgelnde, kindliche Weise singen. Ein Album, das die Sehnsucht nach schemenhaften Kindheitserlebnissen weckt, die einem schon gar nicht mehr bewusst waren. --John Mulvey

Manchmal tun Musiker das Unerwartete und lösen doch Erwartungshaltungen ein. Befragt nach der veränderten Charakteristik des Sounds auf seinem neuen Album, antwortete Örvar Smárason von der Band Múm jedenfalls in eher unkonventionellen Metaphern: "It used to be all libraries and kids on bikes in the sun, but now the sound has melted into a valley with wooden electronic apparatuses in the middle and a tunnel.' Die zunächst durchaus erstaunliche Auskunft relativiert sich hingegen schnell durch die Zusatzinformation, dass es sich hier um eine isländische Band handelt. Denn in Island wird Normalität anders buchstabiert. Nach jüngsten Umfragen glauben dort 54,4 Prozent der Bewohner an die Existenz von Elfen, und normalerweise recht vernünftige Menschen beginnen allerorten schon mal über die Klänge von Geysiren und rauschenden Wasserfällen zu fabulieren, weil sie so fasziniert von der obskuren Geheimsprache sind, in der Sigur Rós ihre Lieder hauchen. Natürlich ist das etwas polemisch umschrieben. Und auch ungerecht. Schließlich haben Múm einen wirklich erhabenen Fluss dichter und zugleich lichter Musik aus der Abgelegenheit einer isländischen Bucht in die Welt entlassen. Oder viel besser: Mit den Mitteln hölzerner elektronischer Apparaturen, welche die Differenzen zwischen einem Cello, einem Glockenspiel und programmierten Klängen weich zeichnen, geben die Isländer der Welt das Gefühl ihrer eigenen Abgelegenheit zurück. Die Songs lösen sich während des Spielens in ätherische Gase auf, die weibliche Gesangsstimme zeugt in ihrem Schwebezustand von der Ankunft an Nicht-Orten, wo sie scheinbar von den Notwendigkeiten der Existenz befreit ist. Der Titel "Finally We Are No One' bezeichnet somit eine anzustrebende Finalität: das Entweichen, das sanfte Verflüchtigen. Allerdings findet das Entrücken auf einem der bürgerlichen Kultur nicht gerade unbekannten Terrain statt. Äußerungen der Band zufolge vollzieht und begleitet ihre Musik nämlich unergründliche Bewegungen der Innerlichkeit. Der Klang produziert imaginäre Filme und initiiert die Suche nach verlorenen Gefühlen und wiederzufindender Zeit. Da ist es vielleicht interessant zu erfahren, dass Island erst mit der Romantik für Europäer als Reiseziel attraktiv wurde. In einem Moment also, in dem die bürgerliche Kultur eine Wendung nach Innen vollzog und sich selbst als bürgerliche Kultur unheimlich wurde.