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Im Februar waren die Aufnahmen zu Torn Curtain Der zerissene Vorhang abgeschlossen, und Hitchcock war bereit, sich mit Bernard Herrmann wegen der Musik zu treffen. Nach sieben Filmusiken und der Tonüberwchung bei Die Vögel wußte Herrmann, was einem Film half und was ihm schadete. Da Universal aber mit seinem Traditionalismus und, so hatten es die Studio-Manager genannt, mit seiner trägen und epigonalen Melodie für Marnie nicht glücklich gewesen waren, machte man klar, dass jetzt eine andere Art von Musik gebraucht würde; nicht eine symphonische Musik, sondern eine populäre mit einem Titelsong, von der man Tausende von Schallplatten verkaufen könne. Sie rechneten damit - und Hitchcock beeilte sich, einer Empfehlung zuzustimmen, die dem Film kommerzeill helfen könnte -, dass dies auch beitragen würde, den humorlosen und merkwürdig kühlen, distanzierten Film erträglicher zu machen.

Gegen Ende März rief Herrmann Hitchcock an und sagte, er habe die Musik geschrieben und sie könne jetzt aufgenommen werden. Hitchcock kam in die Goldwyn-Studios, hörte den ersten Takt der Titelmusik zu und brach vor den Musikern und dem Studiopersonal in einen wütenden Wortschwall aus. Und Herrmann tat es ihm gleich - zum Entsetzen aller Anwesenden. "Er hatte eine Pop-Melodie haben wollen", sagte Herrmann später. "Es ist eine Schande. Es war eine gute Filmmusik ... Ich erklärte ihm 'Hitch, was nützt es, wenn ich weiter für dich arbeite? ... Ich hatte vorher eine Karriere und ich werde hinterher eine Karriere haben.' Er sagte, er hätte das Recht auf einen großen Pop-Song. Ich sagte: 'Pass auf, Hitch, du kannst nicht über deinen eigenen Schatten springen. Und du machst keine Pop-Filme. Was willst du mit mir? Ich schreibe keine Pop-Musik.'"

Damit verließ Hitchcock das Aufnahmestudio, rasend darüber, dass Herrmann seine Anweisungen missachtet und ihn in eine schwierige Situation mit den Universal-Managern versetzt hatte - auf die er mehr als je zuvor einging. "Er wurde ein anderer Mensch", sagte Herrmann über Hitchcocks Verhalten bei Universal. "Sie machten ihn sehr reich, und sie ließen das Hitch nie vergessen." Mit diesem unglücklichen Zusammenstoß von Hitchcocks Hartnäckigkeit (aus ähnlich sturen ästhetischen Überlegungen) zerbrach ein Jahrzehnt kreativer Zusammenarbeit; damit tat sich in Hitchcocks Leben eine zweite traurige Kluft auf und das auch noch zu einer Zeit, in der sich der Regisseur bereits nur noch auf wenige Mitarbeiter und ihre kreative und emotionale Unterstützung verlassen konnte. Als Herrmann später in einer versöhnlichen Geste Hitchcocks Büro aufsuchte, versteckte sich Hitchcock hinter einer Tür, um nicht gesehen zu werden und einer Situation zu entkommen, die für einen Augenblick hätte unangenehm werden können.

Innerhalb von Tagen sorgte Stanley Wilson, Leiter der Abteilung Fernsehmusik bei MCA/Universal, für ein Treffen zwischen Hitchcock und dem Oscar-Preisträger John Addison, der daraufhin innerhalb eines Monats die Musik für Der zerrissene Vorhang komponierte. Er fand Hitchcock freundlich, aber nicht sehr interessiert. Als Addison Monate später während der Synchronisation eine Telefonverbindung herstellte, erhielt er als Antwort nur: "Gut ... großartig großartig."

Aus: Alfred Hitchcock - Die dunkle Seite des Genies von Donald Spoto

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