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Kladde
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~ November 29, 2001
Wish in one hand, shit in the other, see which fills up first. Dieser Spruch kam mir heute gleich zweimal unter, ohne dass ich vorher je davon gehört hätte. Einmal in The Bottoms und einmal im 5. Sandman A Game of You. Soll mir das etwas sagen? ~ November 28, 2001
Die Kombinierseite von Krimis hat mir nie viel bedeutet. Wenn ich wissen will, wer der Mörder ist, schau ich halt hinten nach. Trübt meinen Genuß kein bisschen. Aber bei Livekrimis mitzuraten, das hat mich gereizt. Also gestern abend ins Gloria zu Fang den Mörder. Zwei Ratekrimis wurden von fünf Darstellern vorgelesen, atmosphärisch unterstützt von einem Pianisten und einem Geräuschemacher. Der Moderator brachte dann den nötigen Schwung in die Angelegenheit, indem er diverse Zuschauer zu ihren Tätertheorien befragte. Das waren die köstlichsten Momente. Und wären nicht so viele Raucher dagewesen und hätte Carola mich im zweiten Fall nicht auf die falsche Fährte geführt (sie hat aber auch so einen Brustton der Überzeugung, letztendlich bin ich natürlich selber Schuld), wäre es ein rundum gelungener Abend gewesen. ~ November 26, 2001
Bleibe in den Staaten. Texas, genauer: East Texas. Lansdalecountry. Keine staubbedeckten Prärien, sondern The Bottoms, eine eher lousianische Gegend. Kein Collins/Pine-Roman. Junge entdeckt Leiche. Bei Stephen King ergibt das Stand By Me, bei Lansdale wird das unweigerlich auf blood and guts hinauslaufen (jedenfalls habe ich ihn bisher so kennengelernt). Aber nebenher erfährt man einiges über Texas in den Dreissigern, Schwarz-Weiss und Ku-Kluxer. Mit diesem Buch gewann er 2000 den Edgar und kommt dadurch vielleicht mal aus der Kultecke raus. ~ November 25, 2001
"What's the name of the word for the precise moment when you realize that you've actually forgotten how it felt to make love to somebody you really liked a long time ago?" "Is there a word for forgetting the name of someone when you want to introduce them to someone else at the same time you realize you've forgotten the name of the person you're introducing them to as well?" Delirium in Brief Lives. Manche Worte fehlen in der Sprache und kaum jemand scheint das zu bemerken oder zu bedauern. Zwei Leuten aber war es nicht egal: Douglas Adams und John Lloyd. Also nahmen sie eine Menge unbedeutender Ortsnamen und machten sie bedeutungsvoll. Deliriums Fragen sind ein guter Grund in The Deeper Meaning of Liff zu stöbern. Noch ein Autorenweblog: Low Red Moon Journal. Caitlin R. Kiernan führt es, während sie an ihrem neuen Roman schreibt. Der Anfang ist vielversprechend. Sie gehört zu den Schriftsteller, die entdeckt haben, dass Schreiben Arbeit ist. "Beppu - the triumphant slamming shut of a book after reading the final page." Weniger triumphierend als eher traurig American Gods beendet. Ich hätte Shadow gerne noch 500 Seiten mehr begleitet. Der Titel ist irreführend, denn das Buch handelt gerade davon, dass Amerika (im US-Sinne) kein guter Nährboden für Götter ist. Da ist das Land selbst und das genügt (gilt wohl auch für Australien). Es gibt keine amerikanischen Götter. All die europäischen, asiatischen, afrikanischen, südamerikanischen Götter, die die Immigranten einschleppten, haben bald mit schwindendem Glauben zu kämpfen. Auch die Neuen Götter (Media, Internet) sind hier nicht beständig, irgendwann werden sie durch etwas Neues ersetzt. Aber welcher Gott räumt schon freiwillig das Feld. Shadow findet sich, ihm unbegreiflich, in die Vorbereitungen einer Götterschlacht verwickelt. Seine tote, aber auf Erden wandelnde Frau Laura vereinfacht seine Probleme nicht. Dieser Streifzug durch die internationale Götterwelt ist ein Gaunerroman. Gauner wie in Grifter. Grifter wie in Jim Thompsons The Grifters. An dieser Stelle die dicke Empfehlung Thompson zu lesen, den unglaublichen, unheiligen, gnadenlosen Jim Thompson. Nie las ich ein gemeineres Ende als das in The Getaway. ~ November 24, 2001
Bis Seite 144 habe ich es geschafft, zuzüglich der letzten 10 Seiten. Irgendwann werde ich vielleicht die Lücke dazwischen füllen. In einem anderen Leben. Als besserer Mensch. Dann weiss ich Die Glut bestimmt auch zu würdigen. So war es eine Zeitverschwendung, noch dazu unnötig, da ich zum Lesezirkeltreffen denn doch nicht hin konnte. "I gave up on Harry after reading that Dumbledore, as well as being headmaster of Hogwarts, is also a 'supreme mugwump'. One, this is uneuphonious. Two, it is clearly related in sound while completely unrelated in meaning to 'muggles', that annoying word the wizards use for ordinary humans. Three, 'mugwump' is actually Algonquin for something like 'top leader'. But the word's most prominent use is in William Burroughs's Naked Lunch (1959), in which mugwumps are horrible see-through creatures who 'have no liver and nourish themselves exclusively on sweets'. So J.K. Rowling hasn't read Burroughs. But surely someone at her publisher has?" Das stammt aus einem sehr langem und sehr interessanten Artikel über Reasons for liking Tolkien. ~ November 22, 2001
Schon wieder nachts einen Sandman verschlungen. Passt ja auch. Brief Lives ist durch Deliriums Kapriolen sehr vergnüglich, im Ganzen überhaupt wunderbar und im Grunde furchterregend. Delirium and Dream are looking for Destruction. And as Destruction is their brother, one of their own, they are seeking their own destruction. 131 von 219 Seiten Glut. Keine Erwärmung feststellbar, von Entflammung schon gar keine Rede. Anstreichungen nur bei einigen arg prätensiösen Vergleichen und gequirlten Quark. Willkommen im Männerbundhaus. Tote Charaktere und endlos scheinendes Schwadronieren. Kein Wunder, dass die Frau mit dreissig gestorben ist (oder wurde? halte ich ja auch für möglich). "Eine literarische Wiederentdeckung ersten Ranges." Bin oben auf der Galerie, im Olymp (Sandman in der Tasche). ~ November 21, 2001
Pflichtschuldig Die Glut den amerikanischen Göttern vorgezogen. Herr Marai hat eine unglückliche Vorliebe für allzu ausführliche Vergleiche: "(...) tobte der Sommer in einem letzten Auflodern, wie ein Brandstifter, der in sinnloser Wut die Felder anzündet, bevor er sich davonmacht". Dieser Vorliebe frönt er für meinen Geschmack zu häufig. Mittlerweile folge ich in leichtem Bangen den Satzverläufen. Ogottogott, gleichkommtwiedereiner, gleichkommtwiedereiner. DA! ~ November 20, 2001
Dreams - are well - but Waking's better, If One wake at Morn - If One wake at Midnight - better - Dreaming - of the Dawn - Sweeter -the Surmising Robins - Warum ist Odin so beliebt bei Autoren der komischen Fantasy? Douglas Adams hat ihn, Tom Holt, in Sandman wieselt er herum und in American Gods macht er sich auch ziemlich breit, mal sympathischer, mal antipathischer (Wieso gibt es Antipathie als Antonym zu Sympathie nur als Nomen?), aber immer interessant. Nicht das AG zur komischen Fantasy zählen würde. Eher Fantasythriller, wenn dieses Wort nicht einen solch hohen Brechreizwert hätte. Fantery? Mystasy? Friller? ~ November 19, 2001
Nibbel mich langsam durch American Gods, mal hier drei Seiten in der Bahn, mal dort zehn Seiten beim Abendbrot. Mir fehlt die Zeit mich mal so richtig reinzufräsen. Zudem lenke ich mich selber mit Sandman ab (immerhin der gleiche Autor) und muss/will bis Freitag auch noch Marais Glut für den Lesezirkel konsumiert haben. Kein guter Ausgangspunkt für Lektüre, wenn man dem Buch vorwirft, es halte einen von bevorzugteren Genüssen ab. ~ November 18, 2001
Zwischen Arbeit, Vergnügen und Schlafdefizit kaum gelesen dies Wochenende. Bis auf heute früh zwischen zwei und drei, da mußte ich Season of Mists (Sandman natürlich), das mir der nette, sportliche Postbote vor der Tür abgestellt hatte, einfach noch verschlingen. Trotzdem mir schon in der Ecke Fräulein Sieben-Uhr-Aufstehen zuwinkte und ich so verdammt gerne schlafe. Luzifer hat es satt, er schmeisst alle aus der Hölle raus, schließt ab und überreicht Sandman den Generalschlüssel (so ein kleiner maliziöser Auswischer, soll der sich damit rumplagen). Tja, da steht er nun der Herr der Träume und findet sich sehr schnell einer Menge Interessenten gegenüber. Wem gibt man die Hölle? Den Asen? Anubis? Der Ordnung? Den Dämonen? Dem Chaos? Läßt man sie leer stehen? Wie würden Sie entscheiden? ~ November 16, 2001
Lansdale setzt jede Woche eine neue Short Story auf seine Seite. Heuer ist es ein Artikel über Drive-Ins. Fraglich ob Autokinos die gleiche Leidenschaft auslösen. Hell through a windshield. Durch mit Catch-22 und ziemlich erschlagen. Ich bin durch jahrelange Kinobesuche so gewöhnt an Happy Endings à l'americaine, dass mich Enden, die wie Kafkas Maus unausweichlich in die Ecke laufen, etwas verstören. Yossarian aber entkommt der Katze und rennt davon. Das ist immerhin ein Hoffnungsschimmer. In irgendeiner Rezension, die ich natürlich nicht mehr wiederfinde, wird von einem Leser erzählt, ein Staatsanwalt, glaube ich, der nach der Lektüre Aufkleber mit der Aufschrift "Yossarian Lives!" anfertigen ließ und überall hinklebte, wo er vorbeikam. Heimlich. Ein anderer Rezensent bemerkt trocken, dass wer Catch-22 las, bestens auf das Absurdium des Vietnamkrieges vorbereitet war. "It was almost no trick at all, he saw. to turn vice into virtue and slander into truth, impotence into abstinence, arrogance into humility, plunder into philanthrophy, thievery into honor, blasphemy into wisdom, brutality into patriotism, and sadism into justice. Anybody could do it; it required no brains at all. It merely required no character." ~ November 14, 2001
Yeah the trees/ those useless trees produce the air/ that I am breathing. Yeah the trees/ those useless trees they never said/ that you were leaving. Pulp Wie ist das im Winter? Photosynthese findet doch in den Blättern statt, oder? Nur: Die Laubbäume schmeißen in diesen Tagen sämtliches Blattwerk ab. Fahren die Nadelbäume jetzt Doppelschichten? Ich verstehe so vieles nicht. Was soll dieser Helm, den Sandman trägt? Der Beutel mit Sand ist obligatorisch und der Traumstein auch noch einsehbar, aber diese alieneske Gasmaske? Nur damit es drei Dinge sind, weil die Drei im Phantastischen und Märchenhaften wichtig ist? Catch-22 verlangt Aufmerksamkeit. Soviele Begebenheiten werden erwähnt und erst Dutzende Seiten später erklärt und in die richtige chronologische Reihenfolge gebracht. Wobei ich nicht sicher bin, ob ich mit der nicht schon durcheinander gekommen bin. Die Dialoge sind von der Art, wie sie Alice mit der Cheshire Cat führte, haben aber bitteren Hintergrund. Lachen und Entsetzen schlendern hier Hand in Hand durch den Krieg. "They are not going to send a crazy man out to be killed, are they? - Who else will go?" ~ November 13, 2001
Tagesform, morgens: Eine kleine Melancholie Wenn der Postmann einmal klingelt, kommt der Sandmann. Auch zur Mittagszeit. Catch-22 wird mal eben für Preludes and Nocturnes unterbrochen. Im Gaiman-Paket waren American Gods und aus der Sandmanserie Preludes and Nocturnes und Dream Country. Während P&N mich schlagartig faszinierte (und fast für Verspätung auf der Arbeit sorgte, hätte mein innerer Preussenhund mich nicht gerade noch aus dem Haus getrieben, das dumme Viech, das), fiel DC dagegen in nette Unterhaltung ab. Keine der vier Geschichten in DC war schlecht (Schriftsteller kapert Muse zwecks Schreibblocküberwindung; wenn tausend Katzen das eine träumten, wären sie nicht mehr nur auf der Jagd nach Nagern und Vögeln; Premiere des Mittsommernachtstraums vor ausgesuchtem Publikum; Superheldin wider Willen), die Einfälle im Gegenteil sehr beeindruckend, aber das gewisse *schnips* fehlte. ~ November 12, 2001
Meine Tagesform: Meine Augen sind voll Asche Mal ein anderes Template versucht. Altes vorsichtshalber kopiert. Neues funktioniert nicht, also alles wieder rückgängig gemacht. Kopie gelöscht, da nicht mehr nötig. Später auf mein Weblog gegangen und neues Template vorgefunden. Ö. Dumm aus der Wäsche geschaut. Weitere Arbeit auf morgen verschoben. Geh jetzt Catch-22 lesen. Werd ich wohl auf die Reihe kriegen, einfach eine Seite nach der anderen umblättern. ~ November 11, 2001
Ich würde ja Joseph Hellers Catch-18 lesen, wenn nicht damals bei der Veröffentlichung gleichzeitig Leon Uris Mila 18 herauskam und Hellers Verleger deswegen 4 dazu addierte. Catch-22 klingt auch catchiger. Auf Seite 28 bin ich noch etwas verwirrt von den Dialogen, aber der Protagonist Yossarian, assyrisch-amerikanischer Pilot im 2. Weltkrieg ist mir schon jetzt sympathisch. Und was ist nun ein Catch-22? "There was only one catch and that was Catch-22, which specified that a concern for one's own safety in the face of dangers that were real and immediate was the process of a rational mind. Orr was crazy and could be grounded. All he had to do was ask; and as soon as he did, he would no longer be crazy and would have to fly more missions. He would be crazy to fly more missions and sane if he didn't, but if he was sane he had to fly them." Verstanden? Orr ist verrückt und damit eigentlich militäruntauglich. Er braucht nur den Doktor darum zu bitten, ihn wegen Verrücktheit außer Dienst zu stellen. Leider zeigt er damit aber gesunden Menschenverstand ... Bin ja nun weiblich und nie beim Militär gewesen und kann somit nicht beurteilen, wie realitätsnah der Roman ist. Aber ich habe da so meine Befürchtungen. Was ich im ersten Fünftel gelesen habe, ist zum Teil so haarsträubend, dass ich es sofort glaube. ~ November 10, 2001
A Darkness More Than Night. Und ganz zum Schluß, in der Danksagung, stellt sich heraus, dass der affektierte Titel auf einem Satz Raymond Chandlers beruht. The streets were dark with something more than night. Klingt schon besser. Bosch und McCaleb zusammen ergeben zuwenig vom Einzelnen. Alles so verhuschte Charakterisierungen und ein zu kurzer Spannungsbogen. Nicht der beste Connelly, aber seinen Zweck hat er erfüllt. ~ November 9, 2001
Meine Güte, jetzt taucht auch noch Jack McEvoy aus The Poet auf und Hieronymus Bosch (der Maler, der tote), Harrys Namenspatron. Was wird das? Ein Klassentreffen von Connellyprotagonisten? Oder gibt es ein begleitendes Preisausschreiben: Wer erkennt die Selbstzitate? Oder ist es der Versuch alle bisherigen Werke in ein gemeinsames Universum zu pfriemeln? ~ November 8, 2001
Krimi als Puffer, Michael Connelly muss herhalten. Terry McCaleb, der Mann mit dem gespendeten Herzen (thanks to your friendly serial killer - siehe Blood Work) meets Harry Bosch (siehe u.a. The Concrete Blonde), der laut Klappentext in Gefahr ist, der dunklen Seite zu verfallen. A Darkness More Than Night. Nachts ist es kälter als draußen? Werter Herr Connelly, demnächst bitte wieder zwei- bis dreiwortige Titel. ~ November 7, 2001
Da ist ein Loch. Da bin ich gerade reingefallen. Johnsonnachwirkung. Karsch versammelt kleine Prosaskizzen über Gesine Cresspahl (interessant für Jahrestagekonsumenten) und einen etwas ausführlicheren Blick auf Karsch (interessant für Achimkonsumenten): Was vor und nach seinem DDR-Aufenthalt geschah und wie der überhaupt so ist dieser Karsch. Anhängend ein Nachwort mit Vorschlägen für Johnsonleser der Neunziger. Das habe ich mir erspart. Finde meine Autoren auch ohne Zeitgeist. Im Vollmondlicht in Fragmenten aus Kalifornien entdeckt: Neil Gaiman bloggt. Seither klicke ich bei Amazon American Gods in den Einkaufswagen und wieder heraus. Und daran erkennt man schon, dass es bislang nur die gebundene Ausgabe gibt. ~ November 6, 2001
Nicht, was ich erwartete. Eine Reise nach Klagenfurt schien mir ein Nachruf auf Ingeborg Bachmann zu sein. Immerhin kannten sich die beiden und radelten gemeinsam mit Grass und Richter durch den Grunewald. Nun ist es wohl ein Nachruf, aber befremdlich unpersönlich. Johnson hat wieder fein recherchiert und ich bin dankbar für die Informationen über Kärnten im Dritten Reich, über die Geschichte nichtkatholischer Friedhöfe in Rom und die Erfindung der Krematorien. Aber über Frau Bachmann habe ich nicht viel erfahren, außer dass sie nie nach Klagenfurt zurückkehren wollte und Rom vorzog, auch wenn es da mitunter laut zuging (nicht zuletzt weil sie nachts so auf ihrer Schreibmaschine herumhämmerte). Über die Beziehung Johnson-Bachmann ist nun schon gar nichts zu erfahren. Ja, ich bekenne mich zum Voyeurismus. Ja, ich delektiere mich an persönlichen Einzelheiten aus Autorenleben. Ja, ich akzeptiere, wenn mir ein Autor das Schlüsselloch verstopft und verüble es ihm/ihr nicht, sollte er/sie stattdessen Pfeffer durchblasen. Lob der Bittnerschen Buchhandlung. Großbuchhandlungen mögen auf den ersten Blick das breitere Angebot haben. Verzetteln sich dabei aber in Reiseführern Schulbüchern Ratgebern Bestsellern. Johnsons Jahrestage stehen da, war ja auch dies Jahr die Verfilmung im Fernsehen, das restliche Oeuvre ist Zufall. Es sei denn, man geht zu Bittner. Da gibt's auch Karsch. ~ November 5, 2001
Nach der Pratchett-Orgie zurück in die Begleitumstände. Uwe Johnson gewährt zwecks Abschreckung Einblick in die eigene Biographie und wäscht seine Hände in Unschuld, denn er kann ja noch am allerwenigsten dafür, dass er Schriftsteller geworden ist, er ist geradezu da rein gedrängt worden. Neben einigen dankbar aufgeschlürften Erklärungen zu eigenen Werken (jau, das ich in Achim ist Karsch und das du nebensächlich und in meiner Vorstellung weiblich, wohl weil ich mich mit der Rolle identifiziere, denn das du bekommt die Erzählung vorgesetzt) gibt es einen interessanten Geschichtsexkurs: Wie die Wiedervereinigung in den Fünfzigern nicht zu Stande kam. Als Bonus ein Rätsel: Welches häufig gebrauchte Adverb hat der Verfasser bis auf anderthalb mal in seinen Vorlesungen ausgelassen. Zu gewinnen gab es damals (1979) das Orginal Manu-Copy-Montier-Klebe-Typoskript. Leider hielt es der Verlag nicht für nötig zu verraten, ob und von wem das Rätsel je gelöst wurde. Das hakt jetzt in mir. Und dieser Haken wird rosten und das Fleisch darinnen er steckt verfaulen und Blasen werfen und giftige Schwaden werden in den Hirnkasten steigen und ähm, ich mach mir wohl besser erst mal nen Tee. Die Vorlesungen klingen mit den Jahrestagen aus. Musste glatt noch mal reinschnuppern und hätte sie fast aufs neue begonnen, wären sie nur nicht so umfangreich. Aber von der Johnsonschen Sprache will ich noch nicht lassen, ist auch gar nicht einfach ein solch markanten Stil gegen einen anderen auszutauschen. Also habe ich heute in die nächstbeste Buchhandlung geschaut und Eine Reise nach Klagenfurt ergattert. Nur wüßt ich gern, warum mich 450 Seiten ergötzlicher Vorlesungen Märker 10 kosten und schmale 100 Seiten Abschied von Ingeborg DM 12,90? Suhrkamp, sach ich da nur. ~ November 4, 2001
Mußte am Freitag natürlich noch The Amazing Maurice and his Educated Rodents verkasematuckeln. (Konnte mir Vergnügungen noch nie einteilen. Soll ja Leute geben, die mit einer Tafel Schokolade eine ganze Woche auskommen und Geschenke stundenlang unausgepackt liegen lassen.) Laut Autorenaussage ein Kinderbuch bei dem der Schauplatz Discworld nebensächlich ist, aber wenigstens dafür sorgt, dass Death seinen obligatorischen Auftritt hat (möchte ich auch nicht missen!). Kinderbuch nicht im Sinne von Trotzkopf oder Hanni und Nanni, sondern eher Grimmscher Märchen oder den Sagen des klassischen Altertums, die ohne Metzelei selten auskommen. Das Happy Ending ist weniger joy, joy, happy joy als illusionsloser Realitätssinn. Ja, das geht gut in einer Erzählung von sprechenden Katzen und Ratten. Zusätzliches Bonbönchen die englischen Beobachtungen deutscher Sprache: Rathaus (kein rat house) oder Bad Blintz (es gibt im Schaufenster eines Kölner Fachgeschäfts für Badezimmereinrichtungen das wunderbare Neonschild: Bad Design). Erinnert mich an die früher üblichen Deutschsprachkurse auf BFBS, in denen unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass NOTausgang nicht bedeutet, dass dieser Ausgang nicht zu benutzen sei. Da ich gerade erst Watership Down wiedergelesen habe, fielen mir ein paar Parallelen auf. Die betreffen die einzelnen Charaktertypen: Der körperlich Schwache, aber anderweitig Begabte (Dangerous Beans/Fiver), der kompetente Führer (Darktan/Hazel), die Kampfmaschine (Hamnpork/Bigwig) und der Helfer einer anderen Spezies (Maurice/Kehaar). Ansonsten haben die beiden Bücher nichts miteinander gemein. Glaube auch nicht, dass Pratchett seine Helden nach denen Adams gebildet hat, sondern es scheint bestimmte Archetypen für solche Erzählungen zu geben, die über eine ganze Gruppe handeln. Jedem Teilnehmer, der eine gewisse Rolle in der Geschichte spielt, ist eine bestimmte Eigenschaft zugeschrieben. Die Komparsen sind dann eigenschaftlich weniger ausgeprägt, halt die grauen Mischtypen, die wir alle sind. Recht unauffällig, manchmal kollektiv heldenhaft, gut geeignet zur Staffage. ~ November 2, 2001
So kann's gehen. Nach Achim wollte ich bei Johnson bleiben und begann Begleitumstände, Frankfurter Vorlesungen. Die KVB unterstütze mein Vorhaben, inden sie eine ansonsten eher kurze Strassenbahnfahrt zu einer erheblich längeren ausstaute. 50 Seiten im Text später war ich schon ziemlich angetan, die Vorlesungen sind interessant und humorig, und bedauerte fast, am Ziel angelangt zu sein. Dann beging ich einen Fehler: Ich betrat die nächste Großbuchhandlung und schaute nach, ob endlich Pratchetts The Last Hero vorrätig sei. Da lag es groß und bunt und unwiderstehlich. Tja, und eben habe ich es ausgelesen beiseite gelegt. Hach. Nicht nur eine gute Geschichte mit entzückenden Anspielungen und einer tief befriedigenden, augenzwinkernden Moral, sondern auch pralle Illustrationen von Paul Kidby. Noch vor Anfang der Geschichte die Parodie des Teppichs von Bayeux: Da war es bereits um mich geschehen. Dann diese Doppelseite auf der Great A'Tuin wie ein imperialer Sternkreuzer heranrauscht oder die Discworld nach der Vernichtung oder Vena, the Raven-Haired oder Slime oder Squeak mit Kätzchen oder der Rimfall oder der Sänger... Nicht zu vergessen, die ganzen witzigen Kleinigkeiten, die es zu entdecken gibt und die einfach schönen Texthintergründe. So gerne habe ich noch selten Geld hingeblättert, das ich eigentlich nicht habe. Weihnachten am 2. November. ~ November 1, 2001
Alldieweil die Kommentarfunktion bei Susanne zur Zeit spinnt, gebe ich hier meine Antwort auf ihren Klageruf, wer denn nun die Discworldcover machen soll. Mein Vorschlag: Paul Kidby. Ach, wäre das schön und wie alles Schöne verdammt unwahrscheinlich. Durch mit dem Dritten Buch über Achim. Die Lesbarkeit liegt zwischen Jahrestage und Jakob. Manchmal beschreibt er hier gar zu pedantisch Radfahren oder Schreibmaschinen (wobei diese Beschreibungen vorzüglich sind, aber trocken im Verzehr). Bis zum Ende wird nicht klar, wer der Icherzähler ist und welches Du ihm da die Zwischenfragen stellt, die für eine kapitelartige Unterteilung sorgen. Und wer ist eigentlich Günter? An manchen Stellen scheiterte mein Verständnis einfach am Satzaufbau. Dafür wird man an anderen Stellen mit wunderbaren kleinen Charakterisierungen belohnt. Der Verkäufer im Bürobedarfsladen: "Er deutete mit sanftem Kopfneigen an daß er sich schon viel habe bieten lassen müssen: dessenungeachtet aber stets zu Diensten sei. (...)nannte er den sehr hohen Preis der Maschine in einem Ton, der zu sorgfältiger Überlegung aufrief und jegliche Verantwortung für eine haushaltliche Belastung des Kunden schon jetzt ablehnte." Dieses Kopfneigen würde ich gerne erlernen. Ob es da Schulungen gibt? Im Museum: "(...)nachdenkliche Museumswächter, die ihr weißes Haar und Würde im Umgang mit so schwierigen Gegenständen wie Gemälden und Galeriebesuchern erworben haben(...)" Schöner Gruß an Andrea. Der Grundton ist neutral, beide Deutschländer werden mit ihren Macken dargestellt: Das Paradies liegt halt anderswo. Es geht auch gar nicht um eine Abrechnung, vielmehr um den Versuch zu verstehen. Das der Versuch letztendlich erfolglos bleibt, heißt nicht, dass er unnötig war. | ||