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Die beste Rache ist Glück"
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Portrait der Christin und Buchautorin Carola Moosbach
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Der Weg Nr. 36, 2-8.September 2001
von Karin Vorländer
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Sehr, sehr lange erschien es für Carola Moosbach - Jahrgang
1957 -, ganz und gar abwegig zu beten. Mit einem Gott, zu dem sie
zum letzten Mal als kleines Mädchen in einem Keller um Hilfe
geschrien hatte und der nichts daran änderte, dass ihre Seele
in diesem Keller starb, wollte sie nichts zu tun haben. Carola Moosbach
ist Inzest-Überlebende. In ihrer Kindheit gab es keinen Zeitpunkt,
an dem sie jemals sich selbst gehört hätte. Keinen Tag,
der nicht überschattet gewesen wäre vom allgegenwärtigen
Vater, keinen Abend, an dem das kleine Mädchen nicht aus Angst
vor neuer Vergewaltigung gegen das Einschlafen gekämpft hätte:
bloß nicht schlafen Augen offen wer weiß
was passiert
Sie hat den vom Vater begangenen Mord an ihrer Kinderseele überlebt.
Den Namen ihres Vaters hat sie abgelegt und sich eine neue Identität
beurkunden lassen: Moosbach heißt sie heute. Das weckt Assoziationen
an klares Wasser, unberührte Natur, saubere Frische. Die Folgen
des Missbrauchs dagegen, den sie lange Jahre tief in ihrer Seele
verbarg, kann sie nicht so einfach ablegen: In ihrem Beruf als Juristin
konnte sie nur kurze Zeit arbeiten, da sie dauerhaften Belastungen
und Stress-Situationen bis heute nicht gewachsen ist. So lebt sie
heute in Köln von einer kleinen Opferrente.
Als junge Frau jahrelang bewegt sich Carola Moosbach in der Esoterik-Szene
.Ich fand die östliche Richtung sehr spannend. Es gab
kein personales Verständnis von Gott. Religiös sein, möglichst
weit vom Christentum entfernt, das war attraktiv für mich,
erinnert sie sich.
Als die Erinnerungen an den sexuellen Missbrauch in ihr wieder
wach werden, erlebt sie die fernöstlichen Religionen als brutal.
Denn was könnte die Lehre vom Rad der ewigen Wiedergeburt und
vom Karma in ihrem Fall anderes bedeuteten, als dass sie sich ihre
Eltern selbst ausgesucht haben muss, gibt man ihr zu verstehen.
Und muss sie nicht in einem früheren Leben schlimme Verfehlungen
begangen haben, wenn jetzt so einen Vater bekommen hat? Eine Deutung,
die sie damals ebenso strikt ablehnt wie sie sich heute wütend
gegen angeblich christliche Deutungen verwahrt, die in allem Leid
einen Sinn oder gar etwas von Gott geschicktes Gutes sehen wollen.
Mit Hilfe einer Psychoanalyse wächst sie langsam aus der Esoterik
Szene heraus. Die Frage nach dem Gott des Christentums lässt
die junge Frau nicht los. In Gesprächen mit einer Pastorin
ist sie fasziniert von der Vorstellung, dass Gott besonders nah
bei den Opfern ist, dass Gott Schutz und Geborgenheit gibt. Gleichzeitig
erscheint ihr die Vorstellung absurd, dass Gott trotzdem das Schreckliche
nicht verhindern konnte, das ihr von frühester Kindheit an
widerfuhr. Sie sehnt sich danach, zu sein wie die, die Glück
gehabt haben und nicht in tausend Scherben zersprungen waren
. Sie schämt sich, Gott zu brauchen. Aber sie kann es sich
nicht leisten, ihren Vater zum Sieger und das Leben für sinnlos
zu erklären. Sie kann es sich nicht leisten, auf Gott zu verzichten.
Und sie fängt an, Gott anzusprechen. Heimlich und sozusagen
probeweise. Sie erzählt keinem davon. Denn in ihren Kreisen
gilt es als es rettungslos antiquiert und peinlich, vom Gott des
christliche Glaubens irgendetwas zu erwarten.
Irgendwann probiert sie einfach zu beten, schreit in Richtung Gott
,ohne wirklich zu glauben, dass da ein Gegenüber sein könnte.
Und fürchtet gleichzeitig, Gott könne sich als Illusion
erweisen.
Ich habe Angst Du kommst mir zu nahe
mit dem Vertrauen bin ich noch nicht vertraut
und wenn Du dich plötzlich in Luft auflöst
dann stehe ich da und brauche Dich doch
Und irgendwann tut sie was ihr unendlich schwer fällt: Sie
will sich endlich von Gott finden lassen.
In einer Flut von Tränen löst sich auf, was in ihr schon
so lange geschmerzt hat. Vor lauter Erleichterung muss sie
dann wohl einen Moment lang vergessen haben, sich zu verstecken,
und so konnte Gott sie endlich finden, beschreibt Carola Moosbach
den Augenblick, in dem Gott bei ihr ankommt in ihrer autobiographisch
verfremdeten Geschichte von der Gottsagerin.
In den Rachepsalmen der Hebräischen Bibel findet Carola Moosbach
Anknüpfungspunkte an ihre eigenen Geschichte und schreibt
unter Wut und Tränen - ihren eigenen Rachepsalm
Du sollst mein Racheengel sein Gott
hilf mir tritt Du für mich ein
laß ihn nicht davonkommen diesen ehrbaren Schrebergärtner
erfinde die Hölle neu für ihn
Ich wusste, das ist ganz wichtig, dass die Wut nach außen
geht. Davon lasse ich mich auch nicht von irgendwelchen Frauen abbringen,
die ein Kreuz umhängen haben und sagen, ich müsse das
alles vergeben, erklärt sie. Einen Rachepsalm zu beten,
hieß natürlich aber auch , dass ich das alles an
Gott abgebe. Mein Vater lebt noch, ist nie verurteilt worden. Gott
um Rache zu bitten, bedeutet eben auch, zu sagen, selbst dann, wenn
eine Strafverfolgung nicht mehr möglich ist, ist das letzte
Wort darüber noch nicht gesprochen. Dieses letzte Wort werde
nicht ich sprechen. Das spricht Gott. Das will ich aber dann auch
von Gott, dass nicht alles ,was gewesen ist, einfach eingeebnet
wird, erklärt sie. Und setzt hinzu: Die beste Rache
ist glücklich zu werden. Ich hab noch Kraft genug, und ich
hab Gott an meiner Seite und die wird mir dabei helfen. Das gefällt
mir.
Auch wenn Gott sie gefunden hat, bedeutet das nicht, das nun in
Carola Moosbachs Leben auf einen Schlag alles anders geworden wäre.
Das Trauma und die Wunden bleiben und mit ihnen die Frage, wie sie
Gott überhaupt ansprechen kann
Die Anrede allmächtiger Vater ist für sie
ein für alle mal verdorben. Mit allmächtigem Vater
hab ich nichts tun, das kann ich nicht ertragen, sagt sie
und sucht neue Anreden für Gott.
Ihre Suche nach einer neuen Gebetssprache hat für sie aber
auch unabhängig von ihrer eigenen Lebens und Leidensgeschichte
eine Berechtigung. Das erfordert auch die Ehrfurcht, nicht festzukleben
an immer demselben Worten, sondern sich auch Mühe zu geben,
Phantasie zu entwickeln und das, was Gott ist, in immer neue Worte
zubringen. Und so findet sie neue Worte, für Gott. Jenseits
aller überkommenen Anreden will sie Gott ein Kleid machen,
das passt obwohl sie weiß, dass auch alle neuen Worte
nicht wirklich passen.
Der den ich meine ist gar kein der und auch nicht
eine die...wohnt gar nicht innen und oben erst recht nicht.
Treue Freundin und Gottesperle, starke
Löwin und tiefes Wasser , Schwester
Gott, Gottflamme Du Schöne, so spricht sie
Gott in ihren Lob und Klagegebeten in ihren Schweige und Schreigebeten
an, für die sie mit dem Preis des Frauenkirchenkalenders für
Gottespoetinnen ausgezeichnet wurde.
Seit Gott sie gefunden hat, hat Carola Moosbach immer wieder auch
etwas erfahren, was jenseits von Wut, Rache und Klage ist: Anbetung
und selbstvergessenen, hingegebenen Lob.
Du Gott meiner Sehnsucht
Du Hoffnung und Stärke
Du schenkst mir ich schenk Dir
mein Reden und Hören
Du brauchst mich wie ich Dich
Geheimnis der Freude
komm Gott lass uns feiern
lass glänzen die Zeit
Und weil Carola Moosbach Gott als etwas Überquellendes erfährt,
kann sie sagen: Da gibt es Geschenke, da gibt es Dankbarkeit
und Freude, und deutet damit eine Gottesbeziehung an, die
zu intim ist, als dass sie sie in einem Interview ans Licht gezerrt
sehen will.
Dennoch kennt sie bis heute Zeiten, in denen sie zweifelt, ob ihre
Gotteserfahrung nicht nur innerpsychische Suggestion ist. Es
gibt Phasen, wo ich sehr weit weg gehe von Gott und überhaupt
nicht bete, und irgendwann spreche ich Gott dann wieder an. Ich
bin keine völlig Überzeugte, Gewisse, Unbeirrbare. Solche
Leute sind mir verdächtig.
Manchmal
glaube ich Dir Deine Liebe
und dass Du mich trägst sogar brauchst
womöglich
manchmal ist alles dunkel
die zögernde Seele verharrt
im großen Vielleicht
auch nicht
Du kannst nichts beweisen
ich kann nichts beweisen
nur weitergehen
gottwärts
wo ichs vermute
wag ich den Sprung
Du kommst mir entgegen Gott
manchmal
satt werde ich nie
wer weiß

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