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Herzjagd

FRANKFURTER RUNDSCHAU, Dienstag, 20. AUGUST 1996

Auf Partnersuche

"Herzjagd" - Film von Wolfgang Liessem und Martin Zorn
"Herzjagd - Wege aus dem Singlefrust", West drei, 22.30 Uhr.

Das Leben hält nicht für jeden einen Hauptgewinn bereit. Langzeit-Singles über 30 schätzen ihre Chancen, die "große Liebe" zu finden, gering ein. Kompromisse sind angesagt. Der Märchenprinz ist entweder ein Schaumschläger oder ein braver Amtsschimmel, mittlere Beamtenlaufbahn - die Märchenprinzessin dagegen ist etwas zickig. Die beiden Autoren Wolfgang Liessem und Martin Zorn zeigen in ihrer Reportage, welch seltsamen Gesetzmäßigkeiten der "Anbagger-Markt" mit seinen Festivitäten, Kontaktanzeigen und Blind-Dates unterliegt. Die Autoren begleiten drei Singles mit der FiIm-Kamera auf den verschlungenen Pfaden der Partnersuche und bekommen dabei tiefe Einblicke in einsame Herzen. Nach gelungenem Telefonflirt observiert Michael den Ort des Rendezvous - unauffällig, versteht sich. Er will sicherstellen, daß die potentielle Partnerin nicht schon angesichts des visuellen Eindrucks Reißaus nimmt und sogenannte "innere Werte" somit erst gar nicht entfaltet werden können. Die hübsche Blind-Daterin von Frank verdünnisiert sich nach in Augenscheinnahme mit der Ausrede, einen Parkplatz suchen zu müssen. Sie ward nie mehr gesehen. Alice hat auch Pech gehabt. Beim zweiten Treffen läßt ihr Favorit sie einfach sitzen. Liessem und Zorn machen die Unbarmherzigkeit des Marktes deutlich, belassen es jedoch nicht dabei. Die Autoren bohren nach, stellen unbequeme Fragen. Wie ernst ist es den drei Singles eigentlich mit ihrer Partnersuche? Sind sie bereit, Prioritäten zu setzen? Entspricht das, was sie vorgeben zu suchen, ihren tatsächlichen Wünschen? Ist nicht vielleicht, fragen die Autoren, eine gute Portion SeIbstbetrug im Spiel? Liessem und Zorn führen mit Ihren Interview-Partnern einen kompromißlosen Dialog über die Hintergründe ihrer Einsamkeit. Wenn Alice am Ende stöhnt: "Wußte ich es doch, daß Sie mich in die Enge treiben", ist dies wohl der beste Beweis für eine gelungene Reportage im Fernsehen. Die Zuschauer lernen drei Personen auf eine sehr intensive Art kennen, und diese wissen zu guter Letzt gar mehr über sich selbst als zuvor. Liessem und Zorn bedienen nicht nur oberflächIichen Voyeurismus, die Lust an der Veröffentlichung intimer Vorgänge anderer Menschen. Soviel Tiefgang gibt es äußerst selten auf dem BiIdschirm.

GITTA DÜPERTHAL