D i e   Z u k u n f t  
d e r   E u r o p ä i s c h e n   U n i o n

Die Gemeinschaft am Scheideweg

Die EU muss sich selbst ein eindeutigeres Konzept geben

Andreas Menn

Mit dem Anbruch des 21. Jahrhunderts steht die EU an einer Scheidelinie. Spätestens mit dem Maastrichter Vertrag hat sie einen Grad der Integration erreicht, der ein Europa der souverän regierten Nationalstaaten endgültig zur Vergangenheit gemacht hat. Längst hat sich die Verflechtung nationalstaatlicher und supranationaler Gesetzgebung und deren exekutive Umsetzung zum untrennbaren Gewebe verbunden. Ein Großteil nationaler Politik beschäftigt sich mittlerweile damit, europäische Entscheidungen in die nationale Gesetzgebung zu implementieren.

Die Entwicklung der europäischen Union bis heute lässt sich als eine Dialektik bzw. Parallelentwicklung zweier Prozesse beschreiben: Die Vertiefung der Gemeinschaft und ihre Erweiterung. Seit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) lässt sich in beiden Bereichen eine kontinuierliche Integrationsentwicklung erkennen. Mit Maastricht ist letztendlich ein Staatenbund geschaffen worden, der längst supranationale Entscheidungskompetenzen und damit in Ansätzen schon föderale Elemente enthält.

Gegenwärtig ist die Gemeinschaft an einem Punkt angelangt, an dem ihre zukünftige Entwicklung bestimmter und differenzierter betrachtet werden muss. Die anstehende Osterweiterung und die vor und in Nizza deutlich geäußerte Notwendigkeit institutioneller Reformen bilden ein Spannungsfeld, zwischen dem sich die verschiedenen Strategien für die Zukunft bewegen. Diese können in einem Koordinatensystem aus Erweiterung und Vertiefung abgetragen werden. Die unterschiedlichen Szenarien weisen in verschiedene Richtungen, die mehr oder weniger Integration bedeuten. Generell beinhalten alle mehr oder weniger auch die Gefahr einer Zuspitzung der Legitimitäts- und Funktionalitätskrise der EU. Desintegration und die Auflockerung der Gemeinschaft sind mögliche Folgen.

Die Regierungskonferenz in Nizza, bei der das Nationalstaatsdenken im rückhaltlosen Pochen auf staatliche Interessen deutlich zu Tage trat, hat erneut gezeigt, dass eine weitere Integration der EU keine Selbstverständlichkeit ist. Selbst bei einer zielstrebigen Europapolitik ist eine Krise der Union durchaus möglich, nämlich dann, wenn die gewählte Integrationsstrategie keine angemessenen Lösungsoptionen offeriert. Jede Strategie muss sich daran messen lassen, ob sie praktikable Handlungs- und Entscheidungsstrukturen anbietet. Die maßgeblichen Kriterien sind Effizienz (die Geschwindigkeit, in der Gesetze verabschiedet werden), Effektivität (inwieweit werden die Vorgaben national implementiert?), Transparenz (Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse), Stabilität (sowohl diejenige der EU als auch die internationale sicherheitspolitische S.), Demokratiegehalt, Legitimität und Akzeptanz (die der Mitgliedstaaten und ihrer Bürger). Eine Strategie, die mehrere dieser Kriterien vernachlässigt, wird auf lange Sicht kaum praktikabel sein.

>> Teil 2: Die Stabilität des Kontinents

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20.03.2001


Die Zukunft der EU



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