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10.04.2001
W a h l e n i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g
Mehr Partei - weniger Demokratie
Die geplante Wahlrechtsänderung in Baden-Württemberg schwächt die Wähler
von Patrick Bernau
Ein äußerst demokratisches Wahlrecht zeichnet Baden-Württemberg bisher aus. Auf kommunaler Ebene werden dem Wähler mit Kumulieren und Panaschieren alle Möglichkeiten gegeben, die vorgeschlagenen Parteilisten nach seinem Willen zu ändern. Für die Landtagswahlen konnten die Parteien erst gar keine Listen aufstellen: Zweitmandate wurden an die unterlegenen Wahlkreis-Kandidaten vergeben, die die höchste absolute Stimmenzahl erreicht hatten. So entschied der Wähler selbst, wer ihn im Landtag vertritt. Doch das soll sich nun ändern. CDU und FDP haben sich in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, Regierungsbezirks-Listen einzuführen, ähnlich den Landeslisten bei Bundestagswahlen.
Darauf hatten die Liberalen nicht abgezielt, als sie sich die Wahlrechtsreform ins Programm schrieben. Zweitstimmen wollten sie einführen und zwei Ungerechtigkeiten im südwestdeutschen Wahlrecht ausräumen: Zum einen wollten sie die Sitzverteilung nach d'Hondt durch das Hare-Niemeyer-Verfahren ersetzen. Auf Bundesebene wird Hare-Niemeyer bereits seit 1987 angewandt, weil d'Hondt große Parteien bevorzugt. Zum anderen wollte die FDP die Wahlkreisgrößen angleichen, weil unterlegene Kandidaten in kleinen Wahlkreisen bisher kaum Chancen auf ein Zweitmandat hatten - wie SPD-Spitzenkandidatin Ute Vogt, die im Wahlkreis Pforzheim den Einzug in den Landtag verpasste.
Bei der nächsten Landtagswahl kann sich Ute Vogt durch eine Bezirksliste absichern. Aber will sie das überhaupt? Im Südwesten halten sich hartnäckig Gerüchte, die besagen, Ute Vogt arbeite lieber im Berliner Bundestag als auf den harten Oppositionsbänken in Stuttgart. Vor der Wahl waren ihr sichere Wahlkreise angeboten worden - doch Vogt hatte sie ausgeschlagen.
Fest steht, dass Spitzenpolitiker auch nach altem Wahlrecht sicher in den Landtag kommen, wenn sie wollen. Grünen-Spitzenkandidat Günter Salomon trat sich in zwei Wahlkreisen an. In Freiburg II holte er 24,9 Prozent. Auch FDP-Landeschef Walter Döring erreichte in seinem Heimatwahlkreis Schwäbisch Hall 23,1 Prozent.
Ein einzelner Doppelkandidat wie Salomon ist das kleinere Übel. Weitaus schwerer wiegt die Missachtung des Wählerwillens durch Parteilisten, die auch der Politikwissenschaftler Hans Herbert von Arnim beklagt: "Selbst bei der Ausübung seines Königsrechts wird der Bürger durch die Parteien bevormundet." Wer als Kandidat einen sicheren Listenplatz habe, komme auf jeden Fall in den Landtag. Der Bürger könne nur noch Fraktionsgrößen bestimmen, aber nicht mehr seine Abgeordneten.
Doch die geplante Wahlrechtsreform schwächt nicht nur die Wähler, sondern auch die einzelnen Abgeordneten. Denn die waren bisher den Wählern in ihrem Wahlkreis verpflichtet - und niemandem sonst. Zugunsten von Wahlkreisinteressen aus der Parteilinie auszuscheren wird aber deutlich schwerer, wenn die Abgeordneten praktisch von Bezirksparteitagen gewählt werden statt von Parteimitgliedern und Wählern im eigenen Wahlkreis.
Das Hare-Niemeyer-Verfahren und gleich große Wahlkreise hätten mehr Gerechtigkeit in die baden-württembergischen Landtagswahlen gebracht. Mit Zweitstimmen und Stimmensplitting hätten die Wähler sogar unbeliebten Abgeordneten den Wiedereinzug verwehren können. Aber der vorliegende Kompromiss zeigt einmal mehr, wer in der Parteiendemokratie am häufigsten profitiert: die Parteien.
 
 
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Rasant - junger Skater in der U-Bahn am Potsdamer Platz in Berlin. |
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„Russland braucht Medien, die ihre Aufgabe, die Macht zu kontrollieren, frei ausüben können“ Bundeskanzler Gerhard Schröder beim Besuch in St.Petersburg. |
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