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Psalm 3

Gott ist mein starker Fels, auf den ich gründe,
und all mein Vertrauen schenke ich Ihr.

Tief in meiner Mutter Schoß kannte Sie mich;
noch bevor meine Glieder sich formten,
sehnte Sie sich nach mir.
All meiner Bewegungen
erinnert Sie sich mit Anteilnahme,
und als ich noch nicht zu sehen war,
hatte sie mich schon im Sinn.

Ihre Kraft hat mich ans Licht gezogen;
Sie war es, die mich zur Welt brachte.
Ihre Hände hielten mich sicher;
Sie umsorgte mich an meiner Mutter Brust.

Wenn ich stammle,
formt Sie die Worte in meinem Mund,
und wenn ich schweige,
hat Sie meine Gedanken verstanden.
Schreie und tobe ich,
hört Sie mein Flehen und meine Unsicherheit.

Wenn ich Angst habe, bleibt Sie mir nahe,
und wenn ich voller Entsetzen bin,
verbirgt Sie nicht Ihr Gesicht.
Kämpfe ich gegen Sie, so läßt Sie mir Raum,
und wenn ich Ihr widerstehe,
nimmt Sie es mit meiner Kraft auf
.
Bin ich jedoch selbstzufrieden,
stellt Sie sich mir entgegen;
und wenn ich der Falschheit verhaftet bin,
untergräbt Sie meinen Stolz.
Denn Sie wacht eifersüchtig über meine Ganzheit,
und nach nicht geringerem verlangt Sie
als nach Wahrheit.

Allen, die schwach sind, zeigt Sie Ihr Mitleid,
und die, die niedergedrückt sind,
richtet Sie auf.
Die Anmaßenden aber wird Sie vernichten
auf der Höhe Ihrer Macht,
und Unterdrücker stürzt Sie zu Boden;
gänzlich aufdecken wird Sie die Berechnung
der Hartherzigen.

Gott erhebt die Niedrigen,
und ich will Sie lieben.
Die Mächtigen fordert Sie heraus,
und ich begehre Sie mit meinem ganzen Herzen.
Gott ist der Fels, auf den ich gründe,
und der Sinn meines Seins liegt in Ihr;
denn ohne Gott gibt es keine Gewißheit,
und fern von Ihr ist kein Ort der Sicherheit.

Janet Morley
Preisen will ich Gott meine Geliebte
Freiburg 1989 (leider vergriffen)

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Wegweiser

Was mich mutlos macht
ist daß es so schwer ist
zu sehen wohin ein Weg geht
zum Recht und zur sicheren Zukunft
aber was mir dann wieder Mut macht
ist daß es so leicht ist
zu sehen wo Unrecht geschieht
und das Unrecht zu hassen

Und auch wenn es nicht leicht ist
gegen das Unrecht zu kämpfen
so verliert man dabei
doch nicht so leicht seine Richtung
denn das Unrecht leuchtet so grell
und verbreitet so starken Geruch
daß keiner die Spur des Unrechts
verlieren muß

Wenn der Weg zum Recht und zur Zukunft
dunkel ist und verborgen
dann halte ich mich an das Unrecht
das liegt sichtbar mitten im Wege
und vielleicht wenn ich noch da bin
nach meinem Kampf mit dem Unrecht
werde ich ein Stück
vom Weg zum Recht erkennen

Erich Fried
Dem Leben auf der Spur
Gütersloh 1996

 

Es geht um mehr als ein Ergänzen und Ersetzen männlicher Gottesbilder: Wird der Vater im Himmel einfach durch die Mutter ersetzt, bleiben wir ewig Kinder.

Daniela Hammelsbeck
Pastorin für Frauen- und Mädchenarbeit in Köln, in:
Rheinweiber, Zeitschrift des Frauenreferats der ev. Kirche im Rheinland, November 1998

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Es ist Götzendienst, Männer für "gottesähnlicher" als Frauen zu halten. Es ist Gotteslästerung, das Bild und den Namen des Heiligen zu benutzen, um patriarchale Herrschaft zu rechtfertigen. Das Bild Gottes als beherrschender Mann ist grundsätzlich Götzendienst.


Rosemary Radford Ruether
Sexismus und die Rede von Gott
Gütersloh 1985

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Wenn wir der Leidenserfahrung von Frauen und ihrer Reaktion auf Leiden Achtung schenken, kann ein Sprechen über Gott entstehen, das das göttliche Geheimnis inmitten des Unheils religiös zugänglicher macht.

Es ist ein tiefes Geheimnis, wie im tiefsten Leiden Hoffnung wider alle Hoffnung geboren wird.


Elizabeth A.Johnson
Ich bin die ich bin
Düsseldorf 1994

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Aus der lähmenden Ohnmacht in eine wütende, lebendige und hoffende Trauer.

Es gibt ein vor-sprachliches Schweigen als Ausdruck von Lähmung und Mutlosigkeit und ein Schweigen nach dem Sprechen als Ausdruck der Unfaßbarkeit Gottes.


Dorothee Sölle
Mystik und Widerstand
Hamburg 1997

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Ich will nur Wörter schreiben, die sich organisch in ein großes Schweigen fügen, und nicht Wörter, die nur dazu bestimmt sind, das Schweigen zu übertönen und zu zerstören. Die Wörter müssen eigentlich das Schweigen hervorheben.

Etty Hillesum
Das denkende Herz
Hamburg 1985

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Jenseits aller Konventionen -
in der Verwerfung jeglicher Lüge -
im Verluste aller Sicherheit -
durch alle Verneinungen hindurch -
im Zusammenbruch aller Gewißheiten -
in der Verlassenheit von jeglichem Wesen:
Gott entdecken.

Henri de Lubac
Über die Wege Gottes
Freiburg 1958

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Weisheit und Freude

Alles durchdringst Du,
die Höhen, die Tiefen
und jeglichen Abgrund.
Du bauest und bindest alles.
Durch Dich träufeln die Wolken,
regt ihre Schwingen die Luft.
Durch Dich birgt Wasser
das harte Gestein,
rinnen die Bächlein und quillt aus der Erde
das frische Grün.
Du auch führest den Geist,
der Deine Lehre trinkt,
ins Weite.
Wehest Weisheit in ihn
und mit der Weisheit die Freude

Hildegard von Bingen

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Rhapsodie

Ich lasse Dich nicht Du segnest mich denn
Ich lobpreise ich lobsinge
Ich lobe Dich in Deinen Monden in Deinen
schmalen wiegenden messingfarbenen Monden
die meine Nacht klar machen
Ich lobe Dich ich preise Dich in Deinen
Sonnen die übereinanderwogen in Deinen
dürstenden Horizonten
Ich preise Dich in Deinen Wiesen in Deinen
süßen unberührten wehenden Wiesen in Deinen
purpurnen Augustwiesen
Ich lobsinge Dir in Deinem flammenden Wald
in Deinem Wald über ihm die wandernden
leichten damastenen Wolken
Ich bete Dich an in allen Deinen Geschöpfen
in Deinen flüchtigen hellen ängstlichen blinden
einsamen holden Geschöpfen

Friederike Mayröcker
Die Sammlung, Junge Lyrik aus Österreich
Wien 1947

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