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Unser Einsatz im Frankreichfeldzug führte uns nach Elsaß-Lothringen und in die Vogesen. Dort hatten Stukas und Geschütze ganze Dörfer zerbombt, wohl um das Aufmarschgebiet der Franzosen zu zerstören. Einige Tage waren die Kämpfe hart. Uns gegenüber standen Soldaten einer polnischen Einheit, die sich den Franzosen angeschlossen hatte. Sie waren anscheinend stärker motiviert als die Franzosen und sie verteidigten jede Handbreit Boden. Auch unsere Kompanie hatte mehrere Tote und zahlreiche Verwundete. Kameraden haben mir erzählt, selbst Verwundete hätten weiter gekämpft und man habe sie dann mit der Pistole erschießen müssen. Da ich dies im Gegensatz zu späteren Erlebnissen nur gehört, nicht aber selbst beobachtet habe, erwähne ich es unter diesem Vorbehalt. Sonst würde ich eher unterstellen, daß der Krieg mit Frankreich schon noch nach den Richtlinien des Genfer Abkommens von 1929 geführt worden ist. Dieses Abkommen regelt die Behandlung von Verwundeten und Kranken im Felde, sowie der Kriegsgefangenen. Auch Deutschland hat es unterschrieben. Das Abkommen verbot die Tötung, Verstümmelung, Folterung, Geiselnahme, Beeinträchtigung der persönlichen Würde und regelte die Bergung von Verwundeten und Kranken. Franzosen waren ja noch Menschen der arischen Rasse! Im Osten waren es dagegen die minderwertigen Slawen, deren Schicksal als Heloten der arischen Herrenrasse von Anfang an beschlossen war.

Der Balkanfeldzug führte uns zuerst nach Rumänien, welches sich unter dem Diktator Antonescu 1941 militärisch den Deutschen angeschlossen hatte. In Siebenbürgen machten wir in einem Dorf auf längere Zeit Quartier. Ich habe nie mehr eine Dorfgemeinschaft mit einer so gewachsenen, das ganze Leben durchdringenden Kultur erlebt. Tatsächlich konnte man in den Stuben der säuberlich verputzten, durch Mauern verbundenen Häuser vom Fußboden essen. Zwischen den Pflastersteinen der Innenhöfe fand man nicht das kleinste Unkraut. Auf dem Tanzboden saßen die Mädchen untergehakt an der Wand und nahmen nach dem Tanz diese Ordnung wieder auf. Die verheirateten Frauen und Mütter tanzten nicht, jedenfalls solange wir dabei waren, sondern schauten lediglich zu. Zwischen einem Mädchen und mir entspann sich eine kleine Liebesbeziehung. Freilich war es unmöglich, mit ihm ohne Beaufsichtigung zusammenzutreffen. Am Abschiedstage jedoch beging Lieschens Bruder das Wagnis, sie auf seinem Motorrad für eine Stunde zu meinem Quartier zu entführen. So konnten wir uns zum Abschied nun doch einmal küssen und ein bißchen miteinander schmusen. Ich habe sie nie wieder gesehen, doch sollte mich noch ein Gruß erreichen.

Während des Balkankrieges hatten wir keine wirkliche Feindberührung, wir mußten nicht einmal die Feldmütze mit dem Stahlhelm vertauschen. Mir sind jedoch zwei Vorfälle unauslöschlich in Erinnerung geblieben: Wir hatten in einer bulgarischen Stadt Quartier bezogen, und ich wurde eines Tages als Beisitzer zu einer Kriegsgerichtsverhandlung abkommandiert. Es handelte sich um einen Unteroffizier, der einen Fahrzeugreifen an einen Bulgaren verkauft hatte, um vom Erlös einen Kameradschaftsabend für seine Kompanie zu finanzieren. Der als Verteidiger fungierende Leutnant machte seine Sache routiniert wie einer, der schon weiß, wie es ausgeht. Als wir Richter uns zur Beratung zurückzogen, schlug der Vorsitzende eine Zuchthausstrafe von acht Jahren vor. Ich fand das viel zu hoch. Schließlich war ich ja als Vertreter der niederen Chargen abgeordnet worden. Ich wies darauf hin, daß der Angeklagte nicht für sich, sondern für seine Kameraden diese zugegeben strafbare Handlung begangen habe. Der Kriegsrichter war verblüfft, anscheinend war ihm Widerspruch dieser Art noch nicht untergekommen. Als er mich auch gütlich nicht umstimmen konnte, meinte er verärgert: "Der bekommt seine acht Jahre. Wenn Sie nicht zustimmen, werde ich einen anderen Termin mit einem anderen Beisitzer festsetzen." Ich stimmte, die Aussichtslosigkeit meines Widerstandes begreifend, dann eben doch zu. Hätte ich den Widerstand fortgesetzt, wäre der Mann trotzdem wie vom Richter festgelegt bestraft worden. Aber ich wäre nicht mitschuldig geworden.

Als ich wieder bei meiner Kompanie eintraf, muß ich sehr blaß ausgesehen haben. Jedenfalls bot der Spieß, mein Gurken-Karl, mir gleich einen Schnaps an und zeigte volles Verständnis für meine Erschütterung. Wie mir erginge es jedem, der so etwas zum ersten mal erlebe.

Ich bin nicht sicher, ob es auf dem Vormarsch, oder schon bei der Rückführung war, daß wir eine mehrtägige Rast in einem Zeltlager machten. Irgendwie hatte ich mitbekommen, daß nicht weit von unserem Rastplatz eine alte orthodoxe Kirche stehe, deren Vorhalle mit Fresken aus der byzantinischen Zeit geschmückt sei. Ich machte mich auf den Weg, suchte den Popen auf, der mich sehr freundlich begrüßte und mir mit spürbarem Stolz die Fresken erklärte, die er vorher mit Milch bestrichen hatte, wodurch die Farben deutlicher heraustraten. Die Fresken, die Vorhalle, die stille Umgebung, der fromme Pope, dieses friedliche Bild bewegte mich tief. Irgendwie kam über mich so etwas wie eine fromme Zuversicht.

Als ich dann zum Lager zurückkehrte, erfuhr ich, daß der oberste Bischhof der serbischen Kirche in einem Sonderzelt von SS bewacht seinem Abtransport nach Deutschland entgegensah. Das friedliche Bild war eine Illusion gewesen. Der Kriegsgreuel war überall. Vor ihm gab es kein Entrinnen. Ich war tief verzweifelt und wohl aus dem Bedürfnis, von all dem nichts mehr zu wissen, setzte ich eine Schnapsflasche an und trank sie mit wenigen Zügen leer. Dann bin ich umgefallen. Kameraden riefen den Batallionsarzt, der jedoch auch ziemlich betrunken gewesen sein soll. Irgendwann kam ich wieder zu mir, der Exzeß hatte mir nicht geschadet. Das war 1941, ich war zwanzig Jahre alt.

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Last Update: 24.02.2005