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Doch zurück zur Offiziersschule Potsdam-Eiche. Ich war auch objektiv gesehen für die Offizierstätigkeit nicht sonderlich geeignet und wahrscheinlich wäre es doch klüger gewesen, das EK 1 anzunehmen. Amüsant war jedoch, daß, wenn die Herren Ausbildungsoffiziere einen Gast empfingen, von dem anzunehmen war, daß er nicht nur über Soldatenwitze lachen würde, der Offiziersanwärter Althoff neben ihn plaziert wurde, mit dem Auftrag, eine etwas gehobene Konversation zu führen. Das scheine ich also gekonnt zu haben als erstes Semester. Der aktive Offiziersstand, so weit ich ihn kennenzulernen die doch zweifelhafte Ehre hatte, glänzte nicht durch Bildung, Geist und Witz, es waren vielmehr überwiegend Betonköpfe mit Schmalspurgehirnen.

Mein Ausbilder, ein Leutnant, war eine recht sympathische Ausnahme. Er übertrug mir die kulturelle Betreuung unserer Gruppe. So konnte ich einen Staatsopernbesuch zum 'Freischütz' organisieren, der einhellig Zustimmung fand. Schwieriger war es dann schon, Verständnis für Orffs 'Carmina Burana' zu erwecken, die damals unter Tietjens Regie an der Berliner Staatsoper uraufgeführt worden waren. Die Aufforderung meines Leutnants, diese Musik und deren neue Form den Kameraden zu erläutern, brachte mich schon arg ins Schwitzen.

Weit weniger erfolgreich war ich, wenn es darum ging, eine Truppe anhand der Landkarte von X nach Y zu führen. Für diese, für einen Offizier doch sehr wichtige Fähigkeit war mein Realitätssinn nicht weit genug entwickelt. So stand meine Beförderung zum Leutnant auf des Messers Schneide, es drohte der wenig schmeichelhafte Abgang als Oberfähnrich. Erst Oberschütze, dann Oberfähnrich, das gefiel mir nicht. Ich schlug darum meinem Leutnant vor, seinen Urlaub nach dem Lehrgang bei mir zuhause im herrlich friedlichen Zoppot zu verbringen. Er sagte begeistert zu. Wir haben uns in diesen vierzehn Tagen zuhause gut verstanden.

Doch bevor es soweit war, mußte ich mich einer Befragung stellen. Man wollte wissen, ob ich bereit sei, meine Offiziersehre mit der Waffe zu verteidigen, also Satisfaktion zu geben. Im tausendjährigen Reich war es immer noch in Offizierskreisen üblich, sich für seine Ehre zu schlagen, also den Beleidiger zum Kampf mit der Waffe aufzufordern. War der Beleidiger jedoch Metzger oder gar nur Arbeiter, war er nicht satisfaktionsfähig und seine Beleidigung nicht ehrenrührig. Satisfaktionsfähig waren ausschließlich Menschen des gleichen Standes, also Offiziere oder Akademiker; und das nannte sich Volksgemeinschaft! Ich habe mich dazu nicht bereit erklärt, sondern diesen Brauch als mit meinem katholischen Glauben nicht vereinbar abgelehnt.

Zum Abschluß der Ausbildung stand noch eine erneute Vereidigung bevor. Sie fand im Berliner Sportpalast statt. Anwesend waren etwa tausend Offiziere. Zuerst erschien Reichmarschall Hermann Göring und gab uns die Anweisung, den Führer mit dem ihm gewohnten Sieg-Heil-Jubel zu begrüßen. Also keine stramme Meldung, wie beim Militär üblich. Soweit war ich dann doch mit meinem Soldatenstand identifiziert, diesen befohlenen Jubel als unsoldatisch abzulehnen. Da ich Hitler ohnedies verabscheute, beschloß ich, den Zirkus nicht mitzumachen. Der Führer betrat den Sportpalast, der befohlene Jubel brandete auf und steigerte sich zu allgemeinem Sieg-Heil-Geschrei. Plötzlich merkte ich, daß ich ebenfalls laut mitbrüllte, hörte mir selbst mit Entsetzen zu und stellte dann schleunigst den Zustand der Selbstkontrolle wieder her. Meine Identität hatte sich vorübergehend in der Massenhysterie aufgelöst. Das Hordentier in mir hatte das kritische Denkvermögen ausgeschaltet. Von der Rede Hitlers war nur wenig zu verstehen. Sie interessierte mich auch nicht. Ich war vollauf beschäftigt, mein eigenes Erlebnis zu verdauen.

Beim Ersatzbatallion merkte ich dann, wie wenig ich in den Kreis der Offiziere hineinpaßte. Das albern-zackige Gehabe im Kasino konnte ich nur ertragen, in dem ich es durch saloppe Schnoddrigkeit konterkarierte. Damit ging ich dem Ersatzbatallionsführer, einem älteren Etappenhengst, auf die Nerven. Er war zudem ein überzeugter Nazi und selbst wenn er mit meinem Namen nicht den des Vaters verbunden hat, so war wohl aus meinen Reden meine politische Einstellung nicht ganz zu überhören. Schließlich eröffnete er mir eines Tages, er wünsche mich nicht mehr um sich zu haben und ich sei hiermit nach Stalingrad, wo unser Regiment eingesetzt war, strafversetzt. Trotz des Schreckens konnte ich noch entgegnen, eine Versetzung an die Front sei für mich keine Strafe, sondern ein Ehre. Er, verlegen: "Selbstverständlich, so habe ich es ja auch gemeint", um mich dann freilich mit der Empfehlung zu verabschieden, entweder mit dem  Ritterkreuz oder gar nicht zurückzukommen. Den Gefallen habe ich ihm nicht getan.

Mit der berühmten JU 52 eingeflogen, kam ich am 20. September 1942, meinem 22. Geburtstag, bei meiner alten Kompanie an, konnte dort die Meldung meines alten Gurkenkarls entgegennehmen und versuchte am nächsten Tag, zu meiner Einheit vorzugehen. Ich habe es nicht geschafft. Ein bereits manövrierunfähig geschossener russischer Panzer belegte mich mit Maschinengewehrfeuer, durchschoß den rechten Ellenbogen und hätte mich wahrscheinlich durchsiebt, wenn nicht ein deutscher Panzer dazwischen gekommen wäre und den MG-Schützen zur Aufgabe gezwungen hätte.  Ich durfte dann auf unseren Panzer aufsteigen, wobei der Russe, der mich eben noch durchsieben wollte, mir ganz freundlich half. Einen Tag später hatte ich schon ein kleines Eckchen neben einem aufgebahrten Verwundeten in einem Fieseler Storch erwischt und entwich aus dem Kampfgebiet. Auf Umwegen über Bukarest kam ich in die Heimat zurück. Meine Kompanie ist mit der 6. Armee bei Stalingrad untergegangen. Ich habe keinen meiner Truppe je wiedergesehen.

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Last Update: 24.02.2005